Sprengel Ostfriesland-Ems, KK Aurich | Patrozinium: Nicht bekannt1 | KO: Ostfriesische KO von 1716

Orts- und Kirchengeschichte
Kirche, Südwestansicht

Kirche, Blick von Südwesten, 2015, Foto: fentjer, CC BY-NC-ND 4.0

Die Doppel-KG in Südbrookmerland westlich von Aurich setzt sich aus den Ortsteilen Forlitz und Blaukirchen (eigentlich Sudwolde, wegen des blau schimmernden Kirchendachs spätestens seit Anfang des 18. Jh. auch Blaukirchen genannt; die Bezeichnung wurde später amtlicher Ortsname) zusammen. Beide Kirchen werden 1250 im Sühnevertrag des Bf. Ottos II. von Münster erstmals urkundlich erwähnt.2 Für Forlitz erscheint 1496 her Haytet kerckher to Voerletz in Brockmerlandt3 als erster bekannter Pfarrer. 1543 wird ein luth. P. Antonius genannt. In dem vergleichsweise kleinen Ksp. Blaukirchen, das nur neun volle und drei halbe Höfe umfasste, erscheint erst in nachreformatorischer Zeit mit Albert Holtmann ein Geistlicher. Er gehörte wohl dem ref. Bekenntnis an und ging 1556 mit anderen ostfriesischen Predigern zur Unterstützung des ehemaligen Tergaster Pfarrer Friedericus van Bree in die Niederlande. 1571 wurde Bartholomäus von Hall, ehemaliger Mönch des Klosters Faldern, nach Blaukirchen berufen.
Die beiden mittelalterlichen Kirchenbauten wurden mehrfach erneuert (Sudwolde zuletzt 1633, Forlitz 1684). Für den Neubau der Forlitzer Kirche unternahm der damalige P. Wiebecken Kollektenreisen bis in die Niederlande, u. a. nach Amsterdam. Nachhaltige Folgen hatte die verheerende Weihnachtsflut von 1717, bei der nicht nur die beiden Kirchen erneut stark beschädigt, sondern auch die Pfarr- und Küsterländereien in ihrem Bestand soweit dezimiert wurden, dass zur Kosteneinsparung die Gemeinden (per Dekret des Fs. Georg Albrecht vom 22. September 1719) pfarramtlich verbunden wurden. Erster gemeinsamer P. war der Kandidat Cornelius Reimers aus Esens. Pfarrstellensitz wurde Forlitz. Das Pfarrhaus in Blaukirchen wurde verpachtet. Das Kirchen- und Armenvermögen blieb zunächst getrennt. GD fanden abwechselnd in beiden Kirchen statt. Der Schulmeister (Küster) sollte seinen Wohnsitz und damit die jeweils zu unterrichtende Dorfjugend jährlich zwischen beiden Gemeinden wechseln.

Blaukirchen, ehemalige Kirche, Außenansicht, Gemälde, vor 1846

Blaukirchen, ehemalige Kirche, Außenansicht, Gemälde, vor 1846

Nach der Februarflut von 1825 war die Kirche in Forlitz so baufällig, dass die GD in die Schule verlegt werden mussten. Die Forlitzer beantragten die Auflösung ihrer KG und die Einpfarrung nach Blaukirchen. Da infolgedessen das Pfarrhaus in Blaukirchen hätte instand gesetzt werden müssen, lehnten die Blaukirchener dieses Vorhaben ab, zumal auch das dortige Gotteshaus stark sanierungsbedürftig war. Um die finanziellen Belastungen weiter zu reduzieren, schlossen sich die bis dahin selbständigen Kirchengemeinden 1844 nach langwierigen Verhandlungen zu einer Gemeinde zusammen. 1845 wurde die Kirche in Forlitz abgebrochen, 1846/47 auch die in Blaukirchen. Aus dem Abbruchmaterial wurde 1847/48 in Forlitz nach Plänen des Landbauinspektors Blohm ein neues Kirchengebäude errichtet und am 24. Oktober 1848 von GSup. Hicko Lübbert Hicken eingeweiht.
Nach dem Weggang von P. Elster (amt. 1915-1926) blieb die Pfarrstelle längere Zeit unbesetzt. In der ehemaligen Pastorei wurde während der NS-Zeit ein HJ-Heim eingerichtet. Der Kirchenkampf hatte auf die Gemeinde nur geringe Auswirkungen, wenngleich sich der Forlitzer Dorfschullehrer um die Gründung einer Ortsgruppe der DC bemühte.
Die noch immer stark bäuerlich geprägte Gemeinde umfasste 1956 rund 300 Gemeindeglieder.4 Ab 1948 übernahm der P. von Wiegboldsbur die Vakanzvertretung. Gegen die Forderungen nach dem gänzlichen Aufgehen in der KG Wiegboldsbur entschied sich die Gemeinde für die Schaffung einer pfarramtlichen Verbindung unter Erhalt der formalen Selbständigkeit zum 1. Januar 1971.5 Das Pfarrhaus wurde nach 1991 verkauft. Seit 2002 verfügen die vereinigten KG nur noch über eine halbe Planstelle. Zum 1. Januar 2023 trat die Gemeinde der „Ev.-luth. Gesamtkirchengemeinde Engerhafe / Forlitz-Blaukirchen / Wiegboldsbur“ bei.6

Umfang

Forlitz, Blaukirchen und Moorhusen.

Aufsichtsbezirk

Beide KG gehörten zum Bann des Archidiakonats Friesland (Propstei Hinte) der Diözese Münster und wurden 1250 mit dem Brokmerland dem bischöflichen Offizial unterstellt. – Unterstand 1631 bis 1643 dem luth. Coetus in Aurich und ab 1643 unmittelbar dem luth. Konsistorium ebenda. Nach der Insp.-Ordnung von 1766 zur 2. luth. Insp. in Ostfriesland, 1868 in die 1. Insp. umgegliedert; nachher KK Aurich.

Patronat

Genossenschaftspatronat der Gemeinde (Interessentenwahlrecht).

Kirchenbau
Kirche, Südwestansicht

Kirche, Blick von Südwesten, 2015, Foto: fentjer, CC BY-NC-ND 4.0

Dreiachsige klassizistische Backsteinsaalkirche aus rotem Ziegelmauerwerk (1847/48), innen mit Voutendecke. Grundlegende Sanierung Anfang der 1970er Jahre. 1991 Innenrenovierung.

Turm

Niedriger Westturm mit ins Achteck überführtem Turmhelm. Schiefereindeckung (1999 erneuert).

Ausstattung

Dreiteilige neugotische Altarwand, in der Mitte ein Altargemälde des Malers Schipper (Norden), zu den beiden Seiten die Einsetzungsworte des Abendmahls. Der Altar wurde unter Verwendung alter Materialien durch den Tischler J. F. J. Schwertmann neu angefertigt. – Kanzel (1744, aus Blaukirchen übernommen). – Lesepult, angefertigt aus der alten Forlitzer Kanzel. – Romanischer Taufstein vom Bentheimer Typ (erste Hälfte 13. Jh.). – Fragment eines Sarkophagdeckels aus Bentheimer Sandstein (12. Jh.). – Gelbgusskronleuchter (1733).

Kirche, Innenraum, Orgelempore

Innenraum, Blick zur Orgelempore, 2015, Foto: fentjer, CC BY-NC-ND 4.0

Orgel

Auf der Westempore. Die erste Orgel wurde 1869 durch die Gebrüder Rohlfs (Esens) erbaut. 1967 Reparatur durch Firma Alfred Führer Orgelbau (Wilhelmshaven). 1982 Restaurierung durch Martin Haspelmath (Walsrode), 6 I/aP, mechanische Traktur, Schleifladen.

Geläut

Zwei LG, I: f’ (Bronze, Gj. 1883, F. Otto, Bremen-Hemelingen); II: as’ (Bronze, Gj. 1986, Karlsruher Glocken- und Kunstgießerei. – Früherer Bestand: Für die alte Kirche in Südwolde/Blaukirchen sind zwei Glocken nachgewiesen, von denen eine 1717 nach der Flut verkauft werden musste. Beim Neubau 1847/48 wurde eine Glocke aus einer der beiden alten Kirchen übernommen (1865 geborsten). Insgesamt waren 1857 zwei LG vorhanden.7 Von zwei 1883 neu gegossenen LG wurde die Größere 1917 zu Kriegszwecken abgegeben und erst 1986 durch einen Neuguss ersetzt.

Friedhof

Beisetzungen finden auf den Kirchhöfe der beiden abgebrochenen Kirchen statt (Teilfriedhof Blaukirchen: nahe dem Großen Meer; Teilfriedhof Forlitz: im Norden der Gemeinde am Schützenweg). In Trägerschaft der KG.

Liste der Pastoren (bis 1940)
Kirche, Innenraum, Altar

Innenraum, Blick zum Altarraum, 2015, Foto: fentjer, CC BY-NC-ND 4.0

In Forlitz:
1543 Antonius. – 1600–1603 Petrus Scipio. – 1603–1604 Conrad Tammei. Um 1612 Matthias Wetzelius. – 1625 Martin Johannes. – 1629, 1631 Henning Remmeri. – 1651 Tammeus Conradi. – Um 1651 Magister Julius Cäsar Bruno. – 1660–1666 Wilhelm Wiebecken. – 1666–1699 Ulrich Ummen. – 1700–1705 Balthasar Christian Gerkenius. – 1705–1718 Johann Schreiber.
In Blaukirchen:
Um 1556 Albert Holtmann. – 1571 Bartholomäus von Hall. – 1579 Bernhard Stellingwarf. – 1592 Gerhard Volkeri. – Um 1598 Johann Radikerus. – 1639–1648 Friedericus Tuarici Hajonidis. – 1648–1677 Hajo Tjaden. – 1678–1698 Johann Steenlage. – 1699–1718 Johann Friedrich von Heide.
In Forlitz-Blaukirchen:
1719–1726 Cornelius Reimers. – 1726–1762 Nicolaus Becker. – 1763–1770 Christian Daniel Kettwig. – 1771–1781 Gottlieb Christian Fastenau. – 1782–1804 Gerhard Kryns Ansmink. – 1804–1828 Rudolph Gerhard Stellwagen. – 1830–1856 Henricus Wieben Fischer. – 1856–1859 Christian Eberhard Hermann Reinhard Voß. – 1860–1866 Johann Heinrich Ernst Harms. – 1866–1881 Johann Janssen Mayer. – 1881–1886 Karl Elias Christian Voß. – 1887–1898 Bernhard Gottfried Ludwig Happach. – 1898–1915 Alfred Bernhard Wilhelm Rodenbäck. – 1915–1926 Johannes Eberhard Bernhard Elster.
Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 292

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 6 Nr. 2502–2504 (Pfarrbestallungsakten); A 8 Nr. 138Digitalisat(CB); A 12 d Nr. 388Digitalisat(GSuptur. Aurich); D 80 (EphA Aurich).

Kirchenbücher
Blaukirchen

Taufen: 1678–1718
Trauungen: 1678–1717 (Lücken: 1679, 1682, 1683, 1690, 1693, 1696, 1697, 1702, 1703, 1705, 1706, 1709–1711, 1713, 1715, 1716)
Begräbnisse: 1677–1717 (Lücken: 1686, 1707)

Vgl. Forlitz Blaukirchen. Seit 1719 Zusammenschluß der beiden Kirchengemeinden.

Forlitz-Blaukirchen

Taufen: ab 1719
Trauungen: ab 1720 (Lücken: 1724, 1725, 1784, 1788)
Begräbnisse: ab 1719 (Lücken: 1722–1724, 1735, 1740, 1763, 1765)
Kommunikanten: ab 1740
Konfirmationen: ab 1726 (Lücken: 1730, 1735, 1740–1742, 1744, 1748, 1749, 1752, 1754, 1755, 1761, 1770–1772, 1774, 1781–1783, 1793, 1795, 1804–1875; Erstkommunikanten: 1804–1875)

Vgl. Blaukirchen

Literatur

A: Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 474; Kaufmann, Orgeln Ostfrieslands, S. 120; Schoolmann, Kirchen, Ergänzung; Mithoff, Kunstdenkmale VII, S. 92; Müller-Jürgens, Vasa sacra, S. 65; Pape, Haspelmath, S. 164.
B: 150 Jahre ev.-luth. Kirche Forlitz-Blaukirchen. 1848–1898, hrsg. von der Ev.-luth. Kirchengemeinde Forlitz-Blaukirchen, Forlitz-Blaukirchen 1998; Karl Ecke: Der umstrittene Talar. Eine wahre Begebenheit aus Forlitz-Blaukirchen, in: Ostfriesland. Zeitschrift für Kultur, Wirtschaft und Verkehr 4/1974, S. 2–7.


Fußnoten

  1. Hennecke/Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien II, S. 216. Für Blaukirchen eventuell Aldegundis, vgl. Kaufmann, Orgeln Ostfrieslands, S. 120.
  2. Ostfriesisches UB I, Nr. 24.
  3. Ostfriesisches UB II, Nr. 1511.
  4. LkAH, L 5i, Nr. 279 (Visitation 1956).
  5. KABl. 1971, S. 14.
  6. KABl. 2022, S. 187 ff.
  7. LkAH, A 8/Forlitz-Blaukirchen (Corpus bonorum 1857).