Frühere Gemeinde | Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Göttingen-Münden, Amtsbereich Münden | Patrozinium: Thomas und Nikolaus | KO: Calenberger KO von 1569
Orts- und Kirchengeschichte
Ehemaliges Klosterdorf, seit 1968 Teil der politischen Gemeinde Hemeln und mit ihr 1973 nach Hannoversch Münden eingemeindet. – 1090 oder 1091 (nach anderen Angaben 10931) stifteten Gf. Heinrich der Fette, der älteste Sohn des Gf. Otto von Northeim , und seine Frau Gertrud von Braunschweig die Benediktinerabtei Bursfelde an der Mündung der Nieme in die Weser als Hauskloster der Northeimer Gf. 1093 wurde die Gründung durch den Mainzer Ebf. Ruthard bestätigt.2 Die ersten Mönche kamen aus dem Kloster Corvey. Im Erbgang kam die Abtei 1144 in den Besitz Heinrich des Löwen, der dem Kloster die von seinem Urgroßvater Heinrich von Northeim verliehenen Rechte bestätigte und zugleich auf eine eigenkirchliche Nutzung sowie auf die Verfügung über die Vogtei verzichtete.3 In einer Urkunde Heinrichs von 1156 wird die Burisfeldensis ecclesia erwähnt.4 Otto das Kind trat die Klosterherrschaft 1233/39 an das Mainzer Ebm. ab. Seit 1256 befand sich Bursfelde wieder unter welfischer Hoheit. Nach einem zeitweiligen Niedergang des klösterlichen Lebens ab der ersten Hälfte des 14. Jh. ging im frühen 15. Jh. von Bursfelde eine große benediktinische Reformbewegung aus (Bursfelder Kongregation), die schließlich rund 230 Benediktinerklöster umfasste. Im Zuge der Einführung der Reformation durch Elisabeth von Calenberg (1542/43) wurde die Neuaufnahme von Novizen untersagt. Das Kloster wurde am 23. November 1542 durch Antonius Corvinus visitiert.5 Abt Johannes Rappe (amt. 1539–1562) und der Konvent bekannten sich zum luth. Glauben, kehrten aber unter Erich II. noch einmal zum altgläubigen Ritus zurück. 1588 fiel die Landesherrschaft dem luth. Hzg. Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel zu. Aber erst mit dem Tod des Abts Melchior Bödecker (amt. 1582–1601) wurde das Kloster endgültig luth. und in eine ev. Prälatur umgewandelt. 1601 wurde auch die historische Bindung zur Bursfelder Kongregation gelöst. Die Phase der Rekatholisierung auf Grund des Restitutionsedikts von 1629 währte nur kurze Zeit. Der Westfälische Friede bestätigte das ev. Bekenntnis. Ein vom Landesherrn ernannter Titularabt sorgte für den GD in Bursfelde und übernahm die Güterverwaltung. Die monastische Tradition wurde noch bis 1672 weitergeführt. Unter David Denicke (amt. 1640–1679), dem letzten konventualen Abt, wurde Bursfelde dem Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds (Vorläufer der heutigen Klosterkammer) unterstellt. Nach seinem Ableben wurde die Abtswürde nur noch an verdiente Beamte verliehen. Seit 1828 ist sie ein Ehrentitel für Professoren der Universität Göttingen. Seit dem Loccumer Vertrag (1955) wird die Prälatur auf Vorschlag der niedersächsischen Landesregierung durch die zuständige Behörde der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers aus den Reihen der ordentlichen Professoren der Theologischen Fakultät in Göttingen besetzt.
Die Klostergebäude waren um 1720 weitgehend abgängig und wurden in eine Domäne umgewandelt. Seit 1978 ist dort das Geistliche Zentrum Kloster Bursfelde der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers untergebracht. 1995 wurde ein aus ev. Professoren unterschiedlicher Fakultäten der Universität Göttingen bestehender Konvent gebildet.
Bursfelde war nach der Reformation zunächst Sitz einer eigenständigen Pfarre. Wegen des geringen Pfründeaufkommens wurde sie 1628 salva maternitate mit Fürstenhagen verbunden, nach Aufhebung dieser Verbindung mit dem 1. August 1896 einschließlich Glashütte als mater combinata mit der KG Hemeln.6 Am 1. Januar 1974 wurden die KG Hemeln und Bursfelde zur KG Hemeln-Bursfelde vereinigt.7
Aufsichtsbezirk
Archidiakonat Nörten (Sedes Oedelsheim) der Erzdiözese Mainz. – 1588/89 zur General- und Spezialinspektion Münden (ab 1600 mit Sitz in Uslar, 1610 in Göttingen, 1636/37 in Münden). Bei der Teilung der Insp. 1742 zur Insp. Münden I. Teils; 1801 mit Fürstenhagen zur neu errichteten Insp. Dransfeld, 1834 zur Insp. Uslar und im Zuge der Verbindung mit Hemeln 1896 wieder zur Insp. (1924: KK) Münden. Seit 1. Januar 2023 KK Göttingen-Münden.8
Patronat
Der Abt des Klosters Bursfelde (ruhend für die Dauer der Verbindung mit einer anderen Pfarrstelle). Das Patronatsrecht wurde 1972/73 durch das LKA in Zweifel gezogen, da es sich bei der Abtswürde um eine reine Titulatur handle.9 Dessen ungeachtet verhandelte der Sup. mit dem Inhaber der Abtswürde, Prof. Harbsmeier, wegen einer Ablösung des Patronats.10 Es ist vermutlich mit der Vereinigung der Pfarrstellen in Hemeln und Bursfelde erloschen.
Kirchenbau
In Verwaltung der Klosterkammer. Dreischiffige, fachgedeckte Basilika aus Bruchstein (11. Jh.) mit sächsischen Stützenwechseln in den Langhausarkaden und ursprünglich dreiapsidalem Chorschluss im Osten (1130/40). Umbauten (neuer gerader Ostschluss) im 15. Jh. Nach der Reformation wurde der für gottesdienstliche Zwecke genutzte Raum auf das westliche Langhaus reduziert. Der Ostteil (ehemaliger Langchor) diente ab 1846 als Gemeindekirche, wofür der Bau grundlegend umgestaltet wurde. Durch das Einziehen einer zusätzlichen Mauer wurde von der Ostkirche ein weiterer Raum (zwischen Ost- und Westkirche) abgetrennt und als Winterkirche genutzt. Im verbliebenen Kirchenraum der Ostkirche wurde eine Orgelempore eingezogen. Die Westkirche diente von 1846 bis 1974 als Scheune und Stall. Die Klosterkammer gab 1901/04 eine umfassende Restaurierung des kirchlich genutzten Teils in Auftrag. Aus dieser Bauphase stammen auch die neoromanischen Holzbalkendecken über den beiden Teilen. 1974 wurde auch die Westkirche restauriert. Das südliche Seitenschiff ist als „Raum der Stille“ eingerichtet. Figürliche Ausmalung in der Westkirche (u. a. die Erzengel Michael, Gabriel und Raphael; die klugen und die törichten Jungfrauen an der Empore der Westkirche); Rankenmalerei an den Langhausarkaden.
Turm
Erbaut um 1160/80 als zweitürmiges Westwerk. Die Turmaufbauten waren vor 1720 verfallen, wurden im Zuge der Umbaumaßnahmen in den 1840er Jahren zum Teil abgetragen und 1901/04 in einer an niedersächsischen Vorbildern orientierten Form mit zwei achtseitigen, von Spitzhelmen bekrönten Glockengeschossen wieder aufgebaut.
Grablege
Die Klosterkirche war Grabeskirche Heinrichs des Fetten († 1101), dessen Tumba mit einer Grabplatte des 15. Jh. heute im „Raum der Stille“ steht.
Ausstattung
In der Gemeindekirche (Ostkirche) ein schlichter Tischaltar aus Sandstein (1993); in der Apsis dahinter eine spätgotische Kreuzigungsgruppe (Ende 15. Jh.), die ursprünglich aus der Kirche in Gestorf stammt und 1993 als Leihgabe des Niedersächsischen Landesmuseums in Bursfelde aufgestellt wurde. – Kelchförmige Sandsteintaufe. – Neuromanischer Radleuchter (um 1901/03). – In der Westkirche ein barocker Altaraufsatz und eine Abtsstatue (Kopie, Original jetzt in der Klosterkammer).
Orgel
1867 Neubau durch Carl Giesecke, 5 I/P, mechanische Traktur, Kegelladen.
Geläut
Zwei LG, I: d’’ (Bronze, Gj. 1871, C. Isermann, Ebergötzen); II: fis’’ (Bronze, Gj. 1470, Joachim Grytte, Danzig; Patenglocke aus dem Dom zu Königsberg i. Pr.11).
Friedhof
Außerhalb des Klosterbereichs an der Straße nach Oedelsheim. In Trägerschaft der Stadt Hann. Münden.
Liste der Pastoren (bis 1940)
15 ..–15.. (2 Jahre) Konrad Hülsmann. – 1589–15.. Johannes Schoppe. – 1590–1599 Henning Mesolt. – 1599–1604 Justus Thusselius. – 1604–1606 Johannes Deppe. – 1607 Volkmar Finger. – 1608–1613 Magister Heinrich Ketler. – 1613–1615 Justus Mesolt. – 1615–1618 Georg Berckmann. – 1618–1623 Christoph Brauns (Bruns). – 1623–1628 Christoph Grammarius.
Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 156
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
A 5 Nr. 881 (Spec. Landeskons.).
Kirchenbücher
Taufen: ab 1639 (Lücken: 1648–Nov. 1651, 1665–1681; unvollständig: 1753–1763)
Trauungen: ab 1639 (Lücken: 1648–Nov. 1651, 1665–1681, 1753–Jul. 1763, 1825, 1826, 1832–1852)
Begräbnisse: ab 1639 (Lücken: 1648–Nov. 1651, 1665–1681, Mai 1753 bis Sept. 1763)
Kommunikanten: ab 1899
Mutterkirche Hemeln. Taufen, Trauungen, Begräbnisse bis 1896 in den Kirchenbüchern Fürstenhagen, ebenso die Konfirmanden 1775–1798. Seit 1897 in den Kirchenbüchern der Mutterkirche, siehe Fürstenhagen.
Literatur
A: Gemeindebuch KKV Münden, S. 50–52; Brenneke, Klosterherrschaft I, S. 81–87; Grote/van der Ploeg/Kellner, Wandmalerei, Katalogband, Nr. 124; Heutger, Konvente, S. 37–47; Lufen, Denkmaltopographie Altkr. Münden, S. 187 f.
B: Klaus Dettke: Kloster St. Nikolaus und Thomas zu Bursfelde. Einladung zu einem spirituellen Weg durch die Klosterkirche, Berlin, München 2009; Lothar Perlitt (Hg.): Kloster Bursfelde, Göttingen 1996, 6. Aufl.; Carl-Christian Sumpf: Bursfelde. Führung durch die romanische Basilika unter Berücksichtigung der Klostergeometrie und Sakralmystik, Hann. Münden, 2001.
Website der Kirchengemeinde (21.12.2018)
Website des Klosters (21.12.2018)
Fußnoten
- Heutger, Konvente, S. 37.
- Die auf den 15.07.1093 datierte Urkunde ist allerdings eine Fälschung/Verunechtung des 12. Jh. Mainzer UB I, Nr. 385; Vorbemerkung zu Mainzer UB II, Nr. 54.
- MGH DD HdL 6 [Digitalisat].
- MGH DD HdL 33 [Digitalisat].
- Kayser, Kirchenvisitationen, S. 292–295.
- KABl. 1896, S. 53.
- KABl. 1974, S. 25.
- KABl. 2022, S. 189 ff.
- LkAH, B 2 G 1/Bursfelde (LKA an KV Hemeln, 02.11.1973).
- LkAH, B 2 G 1/Bursfelde (Vermerk über ein Gespräch am 14.05.1972 betr. Patronatsfragen bei der Neugliederung der Kirchengemeinden im KK Hann.-Münden).
- Hardege, Glockenneuerwerbungen, S. 40; Poettgen, Glockengießer, S. 22.