Sprengel Stade, KK Stade | Patrozinium: Maria | KO: Keine Kirchenordnung

Orts- und Kirchengeschichte
alte Kirche, Ansicht von Nordosten, vor 1936

Alte Kirche, Ansicht von Nordosten, vor 1936

Deichreihensiedlung mit bäuerlicher Struktur an der Elbe nordwestlich von Stade. Balje gehörte zum weitgehend selbstverwalteten Land Kehdingen, das als Streitobjekt zwischen Bremen und den Welfen 1236 endgültig unter die Oberhoheit des Bremer Erzstifts kam, aber erst im 16. Jh. mit der Unterwerfung unter die erzbischöfliche Finanzverwaltung seine Autonomie verlor. Mit dem Hzm. Bremen 1648 unter schwedischer Herrschaft, 1712 dänisch besetzt, 1715 an Kurhannover.
Ein erster Kirchenbau war wohl Anfang des 14. Jh. entstanden. Das Ksp. wird 1357 erstmals genannt. Kirche und Vikarien wurden 1384 durch den Bremer Dompropst verliehen.1 1400 war Johannes Palus rector parrochialis ecclesie in Balghe.2 In einem Notariatsinstrument von 1485 bekundete der damalige Bremer Domdechant Johann Rode (ab 1497 Ebf. von Bremen), dass Johann Banningk, Pfarrer in Lüdingworth, und Bertold von Estorpe, Vikar des Altars von St. Georg in der Pfarrkirche zu Balje, ihre Stellungen tauschten.3 1498 wird in einem Vermächtnis Petrus Rabaden aus Stade als Pfarrer zu Balje genannt.4 Reformatorische Ansätze hielten vermutlich um 1540 Einzug. Endgültig durchgesetzt hat sich das neue Bekenntnis um 1567 mit der Einführung im Ebm. Bremen. Zur Zeit der Visitation von 1581/83 war P. Nicolaus Schlichtingius als Geistlicher in Balje. Unter den späteren Pfarrern ist P. Georg Jakob Kerstens (amt. 1774–1794) als Verfasser von religionspädagogischen Schriften (u. a. „Die Confirmation der Kinder“, 1786) hervorzuheben.5
Zum 1. April 1986 wurde die KG Balje mit der KG Krummendeich pfarramtlich verbunden.6 Die Kirche wird mehrmals im Jahr auch von der niederländisch-ref. Gemeinde in Balje genutzt. Seit Januar 2024 ist Balje Teil der „Ev.-luth. Gesamtkirchengemeinde Kehdingen“.7

Pfarrstellen

I: Vorref. – II: Vermutlich vorreformatorisch. P. sind seit etwa 1570 belegt, bis 1757 Vikariat; 1. April 1894 aufgehoben und mit der ersten Pfarrstelle vereinigt.8

Umfang

Das Kirchdorf Balje, die Ortschaften Außendeich, Baljerdorf, Breitendeich, Elbedeich, Hünckenbüttel, Nalje, Rittershausen, Rosenkranz, Süderdeich, Wehlcken, Klein Wetterdeich und Wisch, das Landgut Altenwisch, das Landgut Kuckenbüttel, die einzelnen Häuser Kuhdamslücke, Neuenhof und Ostendeich.

Aufsichtsbezirk

Archidiakonat des Bremer Dompropstes. – 1651 (Bildung des Konsistoriums in Stade) zur Präpositur des Landes Kehdingen, ab 1. Januar 1827 (Neuorganisation der Aufsichtsbezirke in den Hzm. Bremen und Verden) zur neu geschaffenen Insp. (1924: KK) Land Kehdingen (Suptur.-Sitz ab 1875 in Oederquart, 1905 in Drochtersen). Der KK Kehdingen wurde am 1. Januar 1976 in den KK Stade eingegliedert.

Patronat

Der bremische Dompropst, später die Gemeinde.

Kirchenbau
alte Kirche, Grundriss, 1935

Alte Kirche, Grundriss, 1935

Die einschiffige romanische Backstein-Saalkirche des Mittelalters wurde im 17. und 18. Jh. mehrfach verändert. 1665 wurde an der Südseite ein Brauthaus angebaut. 1681 erhielt die Kirche einen freistehenden hölzernen Glockenturm. Im Innern wurden Anfang 18. Jh. an der Nord-, West- und Südseite Priechen eingebaut. Am 26. Dezember 1936 brannte die alte Kirche bis auf die Grundmauern nieder. Ein Neubau an gleicher Stelle wurde am 3. April 1938 von Lbf. Marahrens eingeweiht. Gedrungenes Schiff aus unverputztem Ziegelmauerwerk. Innen eine Westempore, Orgelempore auf der Südseite, geschlossen durch eine Balkendecke. 1984 renoviert.

Fenster

Buntglasfenster mit Zitaten aus dem NT, Taube und Kelch (1938, gestiftet von Gemeindegliedern in Amerika).

Turm

Wuchtiger Backsteinturm mit Zeltdachhelm.

neue Kirche, Blick zum Altar, nach 1938

Neue Kirche, Blick zum Altar, nach 1938

Ausstattung

Gemauerter Blockaltar mit Sandsteinmensa. Die Steine im Klosterformat stammen aus der 1936 zerstörten alten Kirche. – Schlichte, hölzerne Kanzel. – Taufstein (19. Jh., aus der alten Kirche) mit Messingschale. Ein historisches kupfernes Taufbecken war vor 1861 verkauft worden.9 – Zwei in die Wand eingelassene Grabplatten im Chorraum.

Orgel

Im Visitationsprotokoll von 1581/83 bereits belegt. 1783/86 Neubau auf der Westempore durch Georg Wilhelm Wilhelmy (Stade) unter Verwendung von Teilen des alten Pfeifenwerks. Im 19. Jh. in der Disposition geringfügig verändert und beim Brand 1936 zerstört. 1938 Neubau (in einer Nische in der Südwand des Schiffs) durch Paul Ott (Göttingen), 15 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen.10 1986 Reparatur durch Martin Haspelmath (Walsrode). 1998/99 Neubau einer Brüstungsorgel im Stil des norddeutschen Barock durch Martin ter Haseborg (Südgeorgsfehn), 9 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen.11

Geläut

Zwei LG, I: as’ (Bronze, Gj. 1975, Glockengießerei Heidelberg); II: b’ (Bronze, Gj. 1937, Franz Schilling, Apolda). – Früherer Bestand: Die Kirche hatte 1937 zur Wiedereinweihung drei neue Glocken erhalten, von denen die beiden größeren im Zweiten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgeliefert wurden.

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. 1879, im Stil des Historismus). – Organistenhaus, erbaut 1765/67 und nach einem Brand 1952 wiederhergestellt, 1985 in Privathand verkauft.

Friedhof

Südlich des Kirchplatzes. In Trägerschaft der KG.

Liste der Pastoren (bis 1940)

Erste Pfarrstelle: Um 1541 Ludewig … Johann … Harm Öttken. – 1568 Conrad Eike oder Oike. – 1575–1605 (?) Nikolaus Schlichting. – 1605–1617 (?) Johann Zinke. – 1617–1640 (?) Matthias Franzen (Franzius). – 1640–1664 Statius Bolemann. – 1664–1679 Gabriel Schwarze. – 1679–1686 Johann Meybohm. – 1686–1696 Hinrich Brücken. – 1696–1720 Johann Konrad Schwarze. – 1720–1728 Gabriel Schwarze. – 1729–1734 Christoph Bernhard Cordes. – 1735–1764 Christian Gottlieb Rielke. – 1765–1773 Johann Christoph Pollitz. – 1774–1794 Georg Jakob Kerstens. – 1795–1800 David Albert Peter Nicolassen. – 1800–1846 Friedrich August Pollitz. – 1847–1854 Georg August Wilhelm Dammann. – 1855–1871 Karl Friedrich Albert Woltmann. – 1871–1903 Heinrich Andreas Friedrich Degener. – 1904–1912 Johann Hermann Julius Wahlers. – 1912–1927 Hermann Albert Witte. – 1932–1953 Fritz Franz Georg Kleine.
Zweite Pfarrstelle (bis 1757 Vikariat): Um 1570 Egidius … Harm Oettken. Lübben. Georg … – 1581–1582 Nikolaus Ibach. – 1582 Christian Meyer. – 1582–1605 Johann Zinke. – 1605–1612 Peter Kaemper, (Kaempfer). – 1612–1617 Matthias Franzen (Franzius). – 1618–1623 Augustin Goldbeck. – 1624–1637? Johann Schraegelius. – 1637 P. vic. Ohne Namen. – 1640–1664 Gabriel Schwarze. – 1664–1679 Johann Meybohm. – 1679–1681 Hinrich Becker. – 1681–1686 Hinrich Brücken (Bruck). – 1686–1692 Jakob Mahn. – 1692–1696 Johann Konrad Schwarze. – 1696–1717 Dietrich Martin Troop (Trope). – 1717–1720 Johann Hermann Wille. – 1720 Gabriel Schwarze. – 1721–1725 Johann Philipp Wortmann. – 1726–1729 Christoph Bernhard Cordes. – 1730–1735 Christian Gottlieb Rielke. – 1735–1740 Johann Georg Polemann. – 1740–1761 Karl Julius Horn. – 1761–1765 Johann Christoph Pollitz. – 1765–1722 Johann Horn. – 1772–1774 Georg Jakob Kerstens. – 1774–1795 David Albert Peter Nicolasse. – 1795–1799 Christian Urban Krome. – 1799–1800 Friedrich August Pollitz. – 1800–1824 Hermann Christoph Matthaei. – 1825–1847 Georg August Wilhelm Dammann. – 1847–1855 Karl Friedrich Albert Woltmann. – 1855–1871 Heinrich Andreas Friedrich Degener.
Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 50–51

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 2 Nr. 99–109 (Pfarroffizialsachen); A 6 Nr. 415–421 (Pfarrbestallungsakten); A 8 Nr. 27Digitalisat(CB); A 9 Nr. 2593Digitalisat (Visitationen).

Kirchenbücher (vor 1773–1852)

Taufen: ab 1715 (Lücken: 1717, 1719, 1727–1745, 1747–1750, 1753–1758, 1764)
Trauungen: ab 1715 (Lücken: 1717, 1719, 1727–1745, 1747–1750, 1753–1758, 1764)
Begräbnisse: ab 1715 (Lücken: 1717, 1719, 1727–1745, 1747–1750, 1753–1758, 1764)
Kommunikanten: ab 1876 (Lücken: 1940–1943)
Konfirmationen: ab 1794

Vor 1773 im Staatsarchiv Stade.

Literatur

A: Albrecht, Denkmaltopographie Lkr. Stade, S. 90 f.; Poppe, Kehdingen, S. 97-100.
B: Martin Böcker: Die Orgeln in der Kirche St. Marien in Balje, in: St. Marien-Kirche Balje 1938–2013, S. 30–33; Ev.-luth. Marien-Kirchengemeinde Balje (Hg.): 75 Jahre St. Marien-Kirche Balje 1938–2013, [Balje 2013].


Fußnoten

  1. Hodenberg, Stader Copiar, S. 71 und 79.
  2. UB Zeven, Nr. 110.
  3. Rüther, Hadler Chronik, Nr. 440.
  4. Poppe, Kehdingen, S. 97.
  5. Rotermund, Das gelehrte Hannover II, S. 516.
  6. KABl. 1986, S. 67.
  7. KABl. [in Vorbereitung].
  8. KABl. 1894, S. 40.
  9. Barenscheer, Taufengel, S. 37.
  10. Pape, Ott, S. 288.
  11. Böcker, S. 30-33.