Sprengel Lüneburg, KK Celle | Patrozinium: Gertrud | KO: Lüneburger KO von 1643

Orts- und Kirchengeschichte

Burg und Ort von Altencelle, gelegen am Übergang der Heerstraße Braunschweig–Wienhausen–Stade über die Aller, entstanden wohl vor der Jahrtausendwende als brunonische Gründung und kamen über Heinrich den Stolzen in den Besitz der Welfen. Heinrich der Löwe verlieh Altencelle Zoll- und Stapelrecht, Otto das Kind um 1249 das Stadtrecht. Die Ansiedlung bildete den Ursprung der heutigen Stadt Celle, die Hzg. Otto der Strenge 1292 nach einem Brand der Burg weiter südlich im Mündungsbereich der Fuhse in die Aller neu anlegen ließ. Mit der Verlegung sank die Bedeutung von Altencelle, das seither einen ausgesprochen dörflichen Charakter hatte. – Die früher selbständige politische Gemeinde wurde erst zum 1. Januar 1973 in die Stadt Celle eingemeindet.

Kirche, Ansicht von Südosten, 1936

Kirche, Ansicht von Südosten, 1936

Die Anfänge der Gertrudenkirche lassen sich bis in das 10. Jh. datieren. Ein kleiner, an einen älteren rechteckigen Wehrturm aus Raseneisenstein angelehnter, Kirchenbau bestand schon vor 1000.1 Der jetzige Kirchenbau wird auf die erste Hälfte des 14. Jh. datiert. Außer dem Hauptaltar verfügte die mittelalterliche Kirche über zwei der Jungfrau Maria und dem Evangelisten Johannes geweihte Nebenaltäre, die nach Einführung der Reformation abgebrochen wurden.
Neben der Gertrudenkirche bestand in Altencelle die zur Burganlage gehörige St.-Peters-Kapelle, die wohl eine Eigenkirche der Landesherrschaft war. Sie brannte 1292 oder 1293 ab und wurde von Hzg. Otto dem Strengen 1310 mit der alten Burg zum Wiederaufbau an die Kalandsbruderschaft übergeben, die zugleich das Recht erhielt, die darin zu errichtenden Altarlehen frei zu vergeben.2 1322 gestattete Hzg. Otto den Pfarrern Nikolaus in Altencelle und Hermann in Wathlingen, den von ihnen in der Kapelle des Kalands in Altencelle zu stiftenden Altar auf Lebenszeit zu vergeben.3 Bf. Otto von Hildesheim löste die Kapelle (St. Petri) 1326 aus der Parochie der Gertrudenkirche heraus.4
Mit dem Pleban Hildebrand zu Alden-Zelle wird 1139 erstmals ein Geistlicher am Ort erwähnt. 1471 und 1489 erscheint der Pleban Hinricus Sporingk5, der am 2. Dezember 1496 von Hzg. Heinrich dem Propst und Archidiakon zu Wienhausen zu der Vikarie am Altar St. Trinitatis in der Stadtkirche zu Celle präsentiert wird.6 1337 wird der rector ecclesie Oldentzellis Hildebrand genannt.7 1507 wird die Kirche erstmals als Gertrudenkirche bezeichnet, wobei unklar bleibt, ob die Bezeichnung auf einem mittelalterlichen Altarpatrozinium der heiligen Gertrud von Nivelles beruht oder auf die Gfn. Gertrud aus dem Haus der Brunonen (Stifterin von St. Aegidien in Braunschweig) verweist. Die Reformation wurde im Fsm. Lüneburg 1527 durch Ernst den Bekenner eingeführt. Als erster luth. Geistlicher wird 1534 Hinrik Katermann geführt.8

Kirche, Ansicht von Norden, 1962

Kirche, Ansicht von Norden, 1962

Von 1901 bis 1932 war Gottfried Kittel (Verfasser theologischer und historischer Schriften, Ehrenbürger der Stadt Celle) P. in Altencelle Der ab 1933 amtierende P. Heinrich Wilhelm Hermann Saucke war Gründungmitglied der BK. Veranstaltungen der DC wurden auf Beschluss des KV von der Gemeinde weitgehend ferngehalten. Im Übrigen hatte der Kirchenkampf keinen Einfluss auf das Gemeindeleben. Gruppen und Einrichtungen bestanden keine. Die ev. Bekenntnisschule wurde bereits 1933 in eine Gemeinschaftsschule umgewandelt.
Belief sich die Zahl der Gemeindeglieder noch in den 1920er Jahren auf etwa 700 bis 800 (einschließlich der Zöglinge des Linerhauses), so wuchs sie nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Zuzug von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen stark an (1978: 3.450; 1990: 3.115; 2003: 2.793). Die Gemeinde erhielt 1978 eine halbe, 1991 eine volle Diakonenstelle, durch die insbesondere die Jugendarbeit intensiviert werden konnte.

Umfang

Die Dörfer Altencelle, Burg, Osterloh, das Wirtshaus Kropshof, das Vorwerk Groß Ottenhaus und die einzelnen Häuser Klein Ottenhaus und im Sande.

Aufsichtsbezirk

Archidiakonat Wienhausen der Diözese Hildesheim. – Nach der Reformation (1531 Errichtung der Suptur.) zur Insp. (1924: KK.) Celle.

Patronat

Der Landesherr (bis 1871).

Kirchenbau
Kirche, Grundriss der heutigen Kirche

Kirche, Grundriss der heutigen Kirche

Ein Ausgrabungsbefund aus den Jahren 1949/50 belegte für den heutigen Kirchenbau vier Bauphasen. Eine um 1000 errichtete einschiffige Saalkirche mit Westturm, quadratischem Chor und Sakristei wurde etwa 100 Jahre später nach Osten erweitert und um 1250 mit einem Querhaus zur kreuzförmigen Anlage ausgebaut. An der Nordseite des Chors wurde schließlich um 1300 eine gotische, kreuzgratgewölbte Sakristei angebaut.9 Nach der Gründung der neuen Stadt Celle um 1292 verlor die Kirche rasch an Bedeutung. Nach einem Brandschaden wurde sie Anfang des 14. Jh. unter Verwendung wesentlicher Teile des alten Raseneisensteinmauerwerks in Backstein vereinfacht wiederhergestellt. Von den Anbauten sind nur die Sakristei und das sogenannte Seitenschiff im Süden erhalten. Wann der nördliche Kreuzarm und der massive Westturm abgetragen wurden, ist unbekannt, jedenfalls nach 1292.10 1707 erfolgte der Anbau einer Vorhalle im Süden des Seitenschiffs. Renovierung 1981.

Fenster

Runde Buntglasfenster im Südschiff (Johannes der Täufer und Petrus; beide von 1898); im Chorraum der Evangelist Johannes und die heilige Gertrud auf der Mondsichel (1957).

Turm

Ein hölzerner Westturm (wohl 15. Jh.) wurde nach Brandzerstörung 1631 durch den jetzigen, dem Kirchenschiff dicht vorgebauten, verbretterten Turm in Ständerwerkbauweise auf einem Fundament aus Feld- und Raseneisenstein ersetzt. 1742 und zuletzt 1960 saniert.

Kirche, Blick zum Altar, 1962

Kirche, Blick zum Altar, 1962

Ausstattung

Spätgotischer Flügelaltar (Braunschweiger Werkstatt, datiert 1509, unter Verwendung älterer Bildtafeln aus der Zeit um 1440 in der Predella). Im Schrein geschnitzte Kreuzigungsgruppe, zu beiden Seiten davon jeweils zwei Heilige, ein heiliger Bf. (wohl Gregor der Große), der heilige Antonius (vermutlich), sowie Katharina und Elisabeth oder Gertrud von Nivelles. Auf den beiden Flügeln innen je sechs Apostel in zweireihiger Anordnung; außen die Verkündigung an Maria. In der älteren Predella (um 1440) die vier Evangelisten – Barocke Kanzel (18. Jh.) auf einer Holzsäule mit ionischem Kapitell. – Taufstein (13. Jh., dazu ein farbig gefasster, baldachinartiger Deckel von 1645).11 – Kleines Kruzifix/Vortragekreuz (erstes Drittel 13. Jh.). – Großes Kruzifix (zweite Hälfte 14. Jh.) an modernem Kreuz, hing bis 1819 im Triumphbogen, jetzt an der Nordwand des Hauptschiffs. – Gedenktafel für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. – Taufkerzenständer und Sandschale von Stefan Lindegger (Rennau). – In der Vorhalle eine Grabplatte der Maria Dorothea Chappuzeau (Witwe des braunschweigisch-lüneburgischen Elbzöllners zu Hitzacker Johann Heinrich Chappuzeau).

Kirche, Blick zur Orgel, 1962

Kirche, Blick zur Orgel, 1962

Orgel

Nach dem CB von 1780 war eine Orgel noch nicht vorhanden.12 1819 kaufte die Gemeinde die 1589 erbaute Orgel aus der Kirche von Sievershausen mit damals 6 Reg., mechanischer Traktur und vermutlich angehängtem Pedal. Umsetzung und Umbau durch Johann Friedrich Ludwig Lohstöter (Celle) zu 8 I/aP, mechanische Traktur, Schleifladen. 1827 Reparatur durch Christoph Schmidt (Celle). 1855/56 abgebaut (Verbleib unbekannt). 1856/57 Neubau durch P. Furtwängler (Elze), 20 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen; neugotischer Prospekt. 1905 Änderung der Disposition durch P. Furtwängler & Hammer (Hannover). 1917 Ausbau der Prospektpfeifen mit Ausnahme der sieben Pfeifen des Mittelfeldes. 1922 Einbau neuer Prospektpfeifen aus Zink durch Faber & Greve (Salzhemmendorf). 1948/50 Umbau und Änderung der Disposition durch Georg Niemeyer (Hannover). 1972 Instandsetzung durch Firma Hermann Hillebrand (Altwarmbüchen). 2003 Restaurierung durch Rowan West ((Altenahr).

Geläut

Zwei LG, I: f’ (Bronze, Gj. 1858, Friedrich Dreyer, Linden/Hannover); II: as’ (Bronze, Gj. 1986, Gebrüder Rincker, Sinn). – Früherer Bestand: Eine ältere Glocke war 1515 von Hinrich Mente(n) (Braunschweig) gegossen worden (1858 umgegossen). 1780 war von zwei LG die kleinere geborsten und außer Gebrauch.13

Weitere kirchliche Gebäude

Das Pfarrwitwenhaus brannte 1758 nieder und wurde nicht wieder aufgebaut. Die Pachteinnahmen des Pfarrwittums wurden seither in einem Fonds gesammelt. – In einem neu ausgewiesenen Wohngebiet auf dem Föscherberg westlich der Braunschweiger Heerstraße entstand 1967/68 ein eigenes Gemeindehaus (Haus der Begegnung), das inzwischen veräußert wurde. Als Gemeindehaus dient jetzt die ehemalige Pfarrscheune, die um einen Anbau erweitert wurde (Bj. 2015).

Friedhof

Auf dem Kirchhof. Eigentum der KG.

Liste der Pastoren (bis 1940)

1534 Hinrik Katermann. – 1554 Johannes Schwiedershausen. – Um 1580 Henning Hüser. – 15..–1… Johann Henecke. – 1…–1613 Philipp Henecke. – 16..–16.. Justus Meyerus. – 16..–16.. David Jenrich. – 163.–163. Magister Sigismund Hinkeltaer. – 1637–1667 Franciscus Hornbostel. – 1668–1670 Johannes Tusch. – 1670–1683 Johannes Schröder. – 1684–1694 Johannes Heinrich Schmidichen. – 1694–1721 Anton Gottschalk. – 1722–1763 Daniel Christoph Hornborg. – 1764–1768 Johann Karl Hardege. – 1768–1771 Georg Ernst Hadeler. – 1771–1780 Ernst August Raven. – 1780–1799 Paul Georg Mügge. – 1799–1806 Johann Gottfried Hieronymus Hennings. – 1806–1809 Ernst Friedrich Albert Barckhausen. – 1809–1814 Christian Christoph Wieseler. – 1814–1815 Ernst August Hagemann. – 1816–1821 Magister Johann Heinrich Christian Keil. – 1821–1829 Johann Ernst Wilhelm Gericke. – 1829–1838 Johann Heinrich Wilhelm Kastendiek. – 1838–1849 Johann Daniel Christian Friedrich Armknecht. – 1849–1853 David Heinrich Wilhelm Jesse. – 1854–1868 Heinrich Leonhard Hermann Pfotenhauer. – 1868–1900 Heinrich Wilhelm Ludwig Fueß. – 1901–1932 Gottfried Ludwig Kittel. – 1933–1954 Heinrich Wilhelm Hermann Saucke.
Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 17–18

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 201–215 (Pfarroffizialsachen); A 6 Nr. 174–185 (Pfarrbestallungsakten); A 8 Nr. 9Digitalisat(CB); A 9 Nr. 42Digitalisat, 43Digitalisat, 44Digitalisat (Visitationen); B 18 Nr. 92 (Orgelsachverständiger).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1668 (Lücken: 1674–1683; unvollständig: 1689–1694)
Trauungen: ab 1668 (Lücken: 1674–1683, 1707)
Begräbnisse: ab 1668 (Lücken: 1674–1683; unvollständig: 1721)
Kommunikanten: ab 1833
Konfirmationen: ab 1708 (Lücken: 1709, 1711–1771, 1807, 1808, 1846–1849)

Literatur

A: Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 126; Gmelin, Tafelmalerei, Kat.-Nr. 139; Mithoff, Kirchen und Kapellen Lüneburg, S. 365; Pape, Orgeln Celle, S. 56–59 und 151–159; Sommer, Anfänge Kirchenbau, S. 91.
B: Walter Darge: Dorfkirche am „Heiligen Ende“. Meine Gertrudenkirche in Altencelle, [Celle 2014]; Gottfried Kittel: Das alte Celle, die Mutter der heutigen Stadt Celle, Celle 1929; Manfred Leenders: Die Entwicklung der ev.-luth. Kirchengemeinde in der Stadt Celle, in: Kirche in Celle. Beiträge zur Kirchengeschichte, hrsg. vom Ev.-luth. Kirchenkreis Celle, der Ev.-ref. Gemeinde Celle und der Kath. Kirchengemeinde St. Ludwig, Celle 1992, S. 7-46; Jürgen Ricklefs: Der Altenceller Glockenturm. Zur Geschichte der hölzernen Glockentürme in der Lüneburger Heide, in: Gedenkschrift für Paul Alpers, Hildesheim 1968, S. 101–116.


Fußnoten

  1. Ricklefs, S. 104.
  2. Lüneburger UB XVII, Celle, Nr. 7.
  3. Lüneburger UB XVII, Celle, Nr. 14.
  4. Lüneburger UB XVII, Celle, Nr. 15.
  5. Lüneburger UB XVII, Celle, Nr. 288 und 362.
  6. Lüneburger UB XVII, Celle, Nr. 390.
  7. Lüneburger UB XVII, Celle, Nr. 17.
  8. Meyer, Pastoren I, S. 17.
  9. Beseler, S. 106.
  10. Ricklefs, S. 106.
  11. Mathies, Taufbecken, S. 112.
  12. LkAH, A 8/Altencelle.
  13. LkAH, A 8/Altencelle.