Frühere Gemeinde | Sprengel Osnabrück, KK Melle-Georgsmarienhütte | Patrozinium: König Christus | KO: Keine Kirchenordnung
Orts- und Kirchengeschichte
Die erste schriftliche Erwähnung des Dorfes findet sich als Osidi im ältesten Verzeichnis der Schenkungen (Traditionen) an das Kloster Corvey, das auf die Zeit zwischen 826 und 876 datiert wird und in einer Abschrift des 15. Jh. überliefert ist.1 Der Ort gehörte wohl seit dem späten 14. Jh. zum Amt Iburg des Hochstifts Osnabrück. Seit Ende des Dreißigjährigen Krieges wechselten sich kath. und luth. Bischöfe in der Regierung des Hochstifts ab; letztere stammten jeweils aus dem Haus Braunschweig-Lüneburg.2 Nach den Bestimmungen des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 wurde das Hochstift als Fsm. Osnabrück Teil des Kfsm. Braunschweig-Lüneburg (Hannover). In der Zeit der französischen Herrschaft zählte Oesede zum Kanton Iburg, der von 1807 bis 1810 zum Distrikt Osnabrück im Departement Weser des Kgr. Westphalen gehörte und von 1811 bis 1813 zum Arrondissement Osnabrück im Departement Obere Ems des Kaiserreichs Frankreich. Nach der Niederlage Napoleons gehörte Oesede, nun im Kgr. Hannover, wieder zum Amt Iburg. Die Ämterstruktur blieb nach der preußischen Annexion von 1866 zunächst bestehen und 1885 kam Oesede zum Kr. Iburg, der 1932 im Lkr. Osnabrück aufging. Im Jahr 1970 fusionierte Oesede mit den Gemeinden Georgsmarienhütte, Harderberg, Holsten-Mündrup, Holzhausen und Kloster Oesede zur neuen Gemeinde Georgsmarienhütte, die im gleichen Jahr Stadtrechte erhielt. 1821 lebten gut 600 Menschen in Oesede, 1885 knapp 1.450 (davon knapp 160 Protestanten), 1939 etwa 4.770, 1961 knapp 8.200 und 2017 rund 12.000.
Eine Kirche in Oesede lässt sich urkundlich erstmals 1095 belegen (Esethe cum ipsa ecclesia).3 Im Jahre 1543 ließ der Osnabrücker Bf. Franz von Waldeck die luth. Lehre in Bistum und Hochstift einführen. Fünf Jahre später jedoch zwang das Domkapitel den Bf., die Reformation zurückzunehmen, konnte jedoch keine vollständige Rekatholisierung aller Gemeinden durchsetzen.4 Die konfessionellen Verhältnisse im Hochstift blieben also in der Schwebe. Als der Jesuit Albert Lucenius Oesede im Dezember 1624 visitierte, reichte P. Balduin Bosche beim Abendmahl auch den Kelch, hielt sich ansonsten jedoch an den kath. Ritus. Zudem war er verheiratet und hatte ein Kind.5 Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges teilten Katholiken und Protestanten die Orte des Hochstifts untereinander auf; ausschlaggebend sollte ursprünglichdie konfessionelle Zugehörigkeit im ‚Normaljahr‘ 1624 sein (Westfälischer Friede, Art. 13), über die Zeugenaussagen gesammelt wurden. Die Capitulatio perpetua Osnabrugensis (1650) hält das Ergebnis der langwierigen Verhandlungen fest, Oesede wurde der kath. Seite zugeschlagen.6
Im Wesentlichen siedelten sich ev. Familien erst nach der Gründung der Aktiengesellschaft „Georgs-Marien-Bergwerks- und Hütten-Verein“ (1856) in Oesede an. Kirchlich war zunächst das Pfarramt von Iburg für sie zuständig, seit 1873 die neugegründete KG Georgsmarienhütte. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs stieg die Zahl der ev. Gemeindeglieder stark an und 1956 gründete sich der Bauverein der ev.-luth. Kirchengemeinde Georgsmarienhütte/Oesede, um Spenden für einen Kirchenbau in Oesede zu sammeln. U. a. verkaufte der Verein Bausteine für die neue Kirche; im Spendenaufruf heißt es, der Bau solle „zur Ehre Gottes und der Seelen Seligkeit dienen“.7 Gottesdienste feierte die ev. Gemeinde seinerzeit in der kath. Oberbergschule in Oesede. Die Bauarbeiten auf dem Mühlenbrink begannen noch 1956, die Spenden aus der Gemeinde deckten schließlich zehn Prozent der Baukosten. Am 26. Oktober 1958 konnte die Gemeinde die König-Christus-Kirche einweihen. Ein knappes halbes Jahr später gründete sich zum 1. April 1959 die eigenständige KG Oesede, zu der auch die Orte Kloster Oesede und Harderberg zählten. Die neue Gemeinde übernahm zudem die zweite Pfarrstelle der Muttergemeinde Georgsmarienhütte.8 Erster Gemeindepfarrer war P. Ernst Freitag (amt. 1959–1985), der seit 1955 Hilfsgeistlicher und seit 1956 Inhaber der zweiten Pfarrstelle in Georgsmarienhütte gewesen war. Bereits 1962 legte die Gemeinde in Kloster Oesede den Grundstein für eine weitere Kirche.
Nach der ersten Visitation der KG Oesede 1964 charakterisierte der LSup. sie als „ausgesprochene Diasporagemeinde“: Im Gemeindegebiet lebten etwa 2.750 Lutheraner und 12.000 Katholiken.9 Die Gemeinde unterhielt eine Schwesternstation und seit 1964 einen ev. Kindergarten (jetzt „Integrativ Kita Lummerland“). 1994 kam mit der „Integrative Freunde Kita“ ein zweiter Kindergarten hinzu.
Die 1969 als Pfarrvikarstelle eingerichtete und 1974 besetzte zweite Pfarrstelle ging 1979 auf die neugegründete Auferstehungsgemeinde Kloster Oesede über, zu der auch der Stadtteil Harderberg zählt.10 Seit Januar 2011 sind die drei KG Georgsmarienhütte, Oesede und Kloster Oesede pfarramtlich verbunden.11 Zum 1. Januar 2024 schlossen sich die drei Gemeinden zusammen und gründeten gemeinsam die neue „Ev.-luth. KG Georgsmarienhütte“.12
In den Jahren 2022 bis 2024 untersuchte eine Kommission im Auftrag der Landeskirche Hannovers Missbrauchsfälle aus den 1970er Jahre und den Umgang kirchlicher Verantwortungsträger*innen damit; der damalige Diakon der KG Oesede hatte mindestens acht Kindern sexuelle Gewalt angetan.13
Pfarrstellen
I: 1959. – II: 1969–1979 (zunächst Pfarrvikarstelle; 1974 besetzt; 1979 übergegangen auf KG Kloster Oesede).
Umfang
Stadtteil Oesede der Stadt Georgsmarienhütte. Bis 1979 auch Stadtteile Kloster Oesede und Harderberg (dann KG Kloster Oesede).
Aufsichtsbezirk
Mit Gründung der KG 1959 zum KK Georgsmarienhütte. Seit Januar 2013 KK Melle-Georgsmarienhütte.14
Kirchenbau
Einschiffiger Putzbau, errichtet 1956–58 (Architekt: Werner Johannsen, Osnabrück). Ausgerichtet nach Nordnordosten. Satteldach; hochliegendes, horizontales Fensterband nach Westen; große Fensterfront nach Osten; schmale Fensterschlitze in östlicher Wand der Altarnische; an Südseite Haupteingang mit Bronzetüren (1980). Im Innern schlanke Betonsäulen; abgehängte, gefaltete Decke (1969, ursprünglich flache Decke mit Betonunterzügen)15, Emporen im Norden (Orgel) und Süden. Innenrenovierung 1969 (zur Verbesserung der Akustik u. a. neue Decke, Rückwand verkleidet).16 Außenrenovierung 1980. Neugestaltung Altar/Altarraum 1984. Innen- und Außenrenovierung 2017.
Fenster
Farbige, abstrakt gestaltete Fenster nach Osten, über Hauptportal nach Süden und unterhalb der Empore nach Westen, entworfen von Glasmaler Heinz Lilienthal, Bremen.
Turm
Quadratischer Turm an Südwestecke; Mauerwerk aus Sandsteinquadern; flaches, verkupfertes Zeltdach, bekrönt mit Kugel und Wetterhahn; Wände des Glockengeschosses als große Schallfenster gestaltet (ursprünglich zum Teil mit Eternitplatten verkleidet). Turmdach bei Stürmen 1967 und 1972 heruntergerissen.17
Ausstattung
Schlichter Altartisch. – Altarwand als Reliefwand aus Muschelkalkquadern gestaltet, Relief zeigt leidenden Christus, Frauen am leeren Grab, auferstandenen Jesus auf Regenbogen, Lamm Gottes mit Siegesfahne und Taube des Heiligen Geistes (Bildhauer Peter Greve, Bissendorf). – Niedrige Holzkanzel. – Schlichter, säulenartiger Taufstein, unter der Orgelempore. – Bronzetüren (1980, Willi Witte, Osnabrück), Relief zum Thema Königtum Christi und Reich Gottes; Bronzetüren stehen im Kontext der Bronzeportale der kath. Heiliggeistkirche in Oesede, die Witte in der ersten Hälfte der 1960er Jahre zu alttestamentlichen Themen gestaltet hatte.
Orgel
1963 erwarb KG elektronische Vierling-Orgel Modell 8, 37 II/P (zunächst Modell 7 aufgestellt, Modell 8 im November 1963 geliefert); LKA verweigerte Zustimmung zum Kauf und KG erhob dagegen Klage vor Rechtshof der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers; im Dezember 1964 schlossen beide Seiten einen Vergleich: KG gibt Orgel zurück, Landeskirchenamt gewährt weitere Orgelbaubeihilfe zum Bau einer Pfeifenorgel.18 1970/71 Neubau, ausgeführt von Firma Gebrüder Hillebrand (Altwarmbüchen), 17 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen, zudem zwei Vakantplätze.19 1985 von Firma Gustav Steinmann (Vlotho) um zwei Reg. erweitert auf 19 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen.
Geläut
Vier LG, der Glockenrevisor beurteilte das Geläut 1964 als „ein ausgesprochenes Meisterwerk“20; I: f’, Inschrift: „Ich bin das A und das O – der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst“ und „Gestiftet von der ev.-luth. König Christus-Gemeinde zu Oesede Anno Domini 1960“ (Bronze, Gj. 1961, Gebrüder Rincker, Sinn); II: g’, Inschrift: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns“ und „Gestiftet von der ev.-luth. König Christus-Gemeinde zu Oesede Anno Domini 1960“; III: as’ Inschrift: „Jesus Christus spricht: Siehe, ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende“ und „Gestiftet von Frau Dora Bartels in Oesede Anno Domini 1960“; IV: b’, Inschrift: „Siehe, ich komme Bald. Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme“ und „Gestiftet von der ev.-luth. König Christus-Gemeinde zu Oesede Anno Domini 1960“ (alle drei Bronze, Gj. 1960, Gebrüder Rincker, Sinn). – Früherer Bestand: Zwei LG (Klanggussglocken), I: a’, Inschrift: „Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum“, Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir; II: c’’ Inschrift: „Kindlein, liebet einander“ (beide Stahl, Wilhelmshütte, Bockenem); Glocken ursprünglich für eine Glockenausstellung in Hessen gegossen, 1958 der KG Georgsmarienhütte für die Kirche in Oesede von der Firma Wilhelmshütte für ein Jahr leihweise überlassen, Februar 1960 zurückgegeben.21
Weitere kirchliche Gebäude
Pfarrhaus (Bj. 1960). – Gemeindehaus (Bj. 1957, schließt sich nordwestlich an die Kirche an). – Kindergarten (erweitert 1956, 1977, 1990).
Friedhof
Kommunaler Friedhof (Parkfriedhof, angelegt 1980).
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
L 5f Nr. 91, 276 (LSuptur. Osnabrück).
Kirchenbücher
Taufen: ab 1959
Trauungen: ab 1959
Begräbnisse: ab 1959
Kommunikanten: ab 1959
Konfirmationen: ab 1959
Früher siehe Georgsmarienhütte.
Literatur
A: Weichsler, Hdb. Sprengel Osnabrück, S. 137; Wrede, Ortsverzeichnis Fürstbistum Osnabrück II, S. 82–84.
B: Hans-P. Krause-Heiber: Kleine Kirchenchronik der König-Christus Gemeinde, in: Georgsmarienhütte. Junge Stadt – Alte Traditionen. Festschrift anläßlich 900 Jahre Kirche in Oesede, 825 Jahre Kloster Oesede, 135 Jahre Georgsmarienhütte, 25 Jahre Stadt Georgsmarienhütte, hrsg. vom Kulturamt der Stadt Georgsmarienhütte (= Beiträge zur Geschichte Georgsmarienhütte und seiner Stadtteile 2), Georgsmarienhütte 1995, S. 271.
Weitere Bilder
Fußnoten
- Mönchslisten I, § 189 (zur Datierung: S. 75 ff.); Casemir/Ohainski, Niedersächsische Orte, S. 96; Osnabrücker UB I, Nr. 22.
- Feldkamp, Bedeutung, S. 79 ff.
- Osnabrücker UB V, Nr. 13.
- Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 7,1, S. 215 f. und 222 ff.
- Bär, Protokoll Albert Lucenius, S. 244 f.; Pabst, Nebeneinander, S. 22 f. Zur Visitation des Albert Lucenius vgl. Steinwascher, Wildwuchs, S. 215 ff.
- Fink, Drucke, S. 33. Zu den Verhandlungen über die Capitulatio vgl. Seegrün, Verteilung, S. 59 ff. Siehe auch Wöbking, Konfessionsstand, S. 139 f.
- LkAH, B 2 G 9/Georgsmarienhütte Bd. I, Bl. 55v und 56.
- KABl. 1959, S. 56.
- LkAH, L 5f, Nr. 91 (Visitation 1964).
- KABl. 1969, S. 16; KABl. 1974, S. 174; KABl. 1979, S. 8.
- KABl. 2011, S. 65.
- KABl. [in Vorbereitung].
- Für den Bericht der Kommission siehe: https://praevention.landeskirche-hannovers.de/aufarbeitung/aufarbeitung-landeskirche, 14.03.2024.
- KABl. 2012, S. 177 f.
- LkAH, B 2 G 9/Oesede Bd. III, Bl. 41 f. und Bl. 51 ff.
- LkAH, B 2 G 9 B/Oesede Bd. I, Bl. 142–144.
- LkAH, B 2 G 9/Oesede Bd. II, Bl. 124.
- LkAH, B 2 G 9 B/Oesede Bd. I, Bl. 3–5, 12–16, 60–66 und 194–195; zum Rechtsstreit zwischen KG und Orgellieferant über Rückerstattung des Kaufpreises bzw. Höhe der Nutzungsentschädigung vgl. ebd. Bl. 206–207, 216, 261–265 und passim.
- LkAH, L 5f, Nr. 276 (Visitation 1982).
- LkAH, L 5f, Nr. 91 (Visitation 1964).
- LkAH, B 2 G 9 B/Oesede Bd. I, Bl. 11, 15 und 34.