Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Peine | Patrozinium: – | KO: Calenberger KO von 1569
Orts- und Kirchengeschichte
Das Haufendorf Münstedt, heute Ortsteil der Gemeinde Ilsede, wird in einer Urkunde aus dem Jahre 1189 als Monigstide erstmals genannt.1 Es war vermutlich um 1100 als Gründung des Hildesheimer Kreuzstiftes an der Kreuzung zweier Handelsstraßen, einer West-Ost- und einer Nord-Süd-Verbindung, entstanden.2 Wohl um 1300 gründete möglicherweise Bf. Siegfried II. von Hildesheim direkt an das alte Dorf anschließend eine neue Siedlung, das Wikbild (Weichbild) Münstedt. Zur gleichen Zeit hatte der Bf. vermutlich auch den Markt Hohenhameln anlegen lassen. Im Wikbild wohnten zunächst eher Spinner und Leinenweber, der Dorfteil hatte bis 1808 eine eigene Gerichtsbarkeit.3 Münstedt gehörte zum Amt Peine des Hochstift Hildesheims (1523: Kleines Stift), die Gerichtsbarkeit teilten sich die hildesheimischen Bf. mit den braunschweigischen Hzg. (Halbgericht). Mit dem Reichsdeputationshauptschluss fielen die Gebiete des Hochstifts 1803 an Preußen. Von 1807 bis 1813 war Münstedt Teil des Kantons Lafferde im Distrikt Braunschweig des Departements Oker im Kgr. Westphalen. Seit 1815 gehörte das Dorf wieder zum Amt (1885: Lkr.) Peine, nun im Kgr. Hannover, nach der Annexion von 1866 im Kgr. Preußen. 1965 schlossen sich Oberg und Münstedt zu einer Samtgemeinde zusammen, 1971 bildeten sie zusammen mit Groß Lafferde, Gadenstedt und Adenstedt die Gemeinde Lahstedt. Diese Gemeinde schloss sich 2015 der Gemeinde Ilsede an, in der Münstedt der kleinste Ortsteil ist. Der Ort war lange landwirtschaftlich geprägt, im 20. Jh. überwog dann die Zahl die Arbeiter der Ilseder Hütte (1858–1983/95, Eisenerzabbau, Stahlproduktion) jene der Klein- und Mittelbauern. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges hatte sich die Einwohnerzahl des Ortes aufgrund von Flüchtlingen mehr als verdoppelt, später sank sie wieder stark und hat auch heute noch einen leichten Abwärtstrend.
Die Urkunde mit der Ersterwähnung des Ortes liefert zugleich Details zur frühen Kirchengeschichte: Das benachbarte Oberg besaß nun eine eigene Kapelle und erhielt jetzt auch das Recht auf einen eigenen Priester. Die Verbindung mit der Mutterkirche in Münstedt blieb jedoch bestehen.4 Mit sacerdotis Hizeli überliefert die Urkunde von 1189 zudem den ersten namentlich bekannten Geistlichen des Ortes. Die Kirche, deren Turm sich bis heute erhalten hat, ist vermutlich Mitte des 13. Jh. erbaut worden.5 In vorref. Zeit lassen sich zwei weitere Geistliche in Münstedt nachweisen: 1301 N. viceplebanus in Munstede, plebanus in Lidinge (Liedingen, heute Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig)6 und 1376 magister Albertus Backerman plebanus in Munstede.7 In Folge der Hildesheimer Stiftsfehde (1519–1523) musste Bf. Johannes IV. das Amt Peine 1526 an die Stadt Hildesheim verpfänden. Als der Schmalkaldische Bund 1542 den braunschweigischen Hzg. Heinrich den Jüngeren verdrängt hatte und der Rat der Stadt Hildesheim unter dem Schutz des Bundes das prot. Bekenntnis annahm, wurde damit auch Münstedt luth. Der erste ev. Pfarrer war P. Heinrich Oldenrode (amt. bis etwa 1550). Von 1556 bis 1603 war das Amt Peine im Pfandbesitz des Hzg. Adolf von Schleswig, der 1561 eine Kirchenordnunge in baiden gerichten, Steurwoldt und Peine erließ.8 1603 löste der Hildesheimer Bf. das Amt wieder ein und stimmte dabei der Bedingung zu, den Lutheranern ihre freie Religionsausübung zu lassen. Münstedt war also ein luth. Dorf unter einem kath. Landesherrn, im 16. und 17. Jh. beanspruchte Braunschweig-Wolfenbüttel allerdings die geistliche Jurisdiktion über die luth. Gemeinden im Amt Peine.9 Trotz anderslautender Zusage war der Bf. seit den 1620er Jahren bemüht, das Amt Peine zu rekatholisieren und so wurde P. Ludolf Sander (amt. 1626–1628, 1632) 1628 aus Münstedt vertrieben. Nach ihm wirkte kurzzeitig der Jesuitenpater Friedrich von Spee als Pfarrer sowohl in Münstedt als auch in Schmedenstedt.10 Die gegenreformatorischen Bemühungen des Bf. endeten jedoch bereits 1633, als Hzg. Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel die Stadt Peine erobern ließ.
Während des Dreißigjährigen Krieges und danach war P. Joachim Vinzelberg (amt. 1641–1680) Pfarrer in Münstedt. Er war ein Vertreter der „neuen Frömmigkeit“ und ließ mehrere Gedichte und Lieder drucken, die nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Krieges entstanden waren: „Harnisch, Helmen wollen wir Spinnen jmmer reumen ein / Sollen (hin) fort mit mehrerm Nutz Tauben-Hüner-Nester seyn“11, dichtete P. Vinzelberger. Schon in vorref. Zeit war die Pfarre in Münstedt mit viel Land ausgestattet und im 17. Jh. war ihr Pfarrer mit etwa 180 Morgen der größte Landbesitzer unter seinen Kollegen im Amt Peine.12 1726 wurde ein neues Pfarrhaus gebaut. Wegen Baufälligkeit musste das alte Kirchenschiff in den 1830er Jahren abgerissen werden und nach Plänen des Konsistorialbaumeisters Friedrich August Ludwig Hellner (1791–1862) wurde 1838/39 ein Neubau errichtet, die Baukosten beliefen sich auf etwa 7.000 Taler. Die konfliktbeladenen Planungsgeschichte reicht bis 1828 zurück.13 Das heutige Pfarrhaus ist 1850/51 erbaut worden.
Bereits im Mai 1933 fand in Münstedt eine KV-Wahl statt, bei der der Wahlvorschlag der NSDAP die meisten Stimmen erhielt. Bei den deutschlandweiten KV-Wahlen am 23. Juli 1933 stimmten in Münstedt 93 Prozent für die DC Liste.14 P. Walter Venghaus (amt. 1944–1955) urteilte rückblickend, dass in Münstedt während der NS-Zeit das „kirchliche Leben tief zerstört“15 worden sei. Als Kerngemeinde habe sich die 1930 gegründete ev. Frauenhilfe erwiesen, die seit 1941 als Frauenkreis weiter bestand. Erst 1982 wurde jedoch die erste Frau in den KV gewählt.16 Mit dem Weggang vieler Flüchtlinge schrumpfte die KG zum Ende der 1950er Jahre stark und die Pfarrstelle war seit 1961 vakant. In die Vakanzzeit fiel 1964 die Eröffnung des ev. Kindergartens.17 1970 wieder besetzt wurde 1984 die Aufhebung der Pfarrstelle beschlossen. Nach Widerspruch der KG, der kleinsten im KK18, entschied sich das LKA für die Umwandlung in eine halbe Stelle.19 Seit 1. März 2005 sind nun die KG Münstedt und Oberg pfarramtlich verbunden.20
Umfang
Das Dorf Münstedt.
Aufsichtsbezirk
Archidiakonat Schmedenstedt der Diözese Hildesheim. – Seit 1561 Insp. Peine, zeitweise ohne Sup. 1651/52 unterstand Münstedt dem Geistlichen Ministerium des Amtes Peine, dem jeweils ein Pastor des Bezirks, der Senior, vorstand21, erst nach Aufhebung des Hochstifts Hildesheim (1803) wurde die Insp. Peine wieder eingerichtet. Seit 1853 saß der Sup. der Insp. Peine wieder in Peine. 1924 KK Peine. Zum 1. Oktober 1965 aus dem KK Peine in den KK Ölsburg (vormals Groß Solschen) umgegliedert22, der zum 1. Januar 1999 im KK Peine aufging.23
Patronat
Der Bf. von Hildesheim, später der Landesherr (bis 1871).
Kirchenbau
Klassizistische Saalkirche mit niedrigem Sakristeianbau im Osten, 1838/39 nach Plänen Friedrich August Ludwig Hellners gebaut (erste Entwürfe 1830/31) unter Beibehaltung des romanischen Westturmes; der verputzte Bruchsteinbau hat ein flaches Satteldach, über der Sakristei ein flaches Walmdach; in der Mitte der Langhausseiten jeweils ein Rechteckportal mit Halbkreisfenster darüber, daneben jeweils zwei hohe rundbogige Fenster; an der geraden Ostwand oberhalb des Sakristeidaches drei kleine Halbkreisfenster. Im Innern schlichte Westempore mit zwei dorischen Säulen als Stützen; im Osten gerade Kanzelaltarwand mit korinthischer Pilastergliederung und zentraler Hochkanzel, in Seitenachsen Türen zur Sakristei, darüber Gemälde; kassettierte Holzdecke, breite Vouten über den Längsseiten. Renovierung 1947. Umgestaltung des Innenraums 1970/71 (Decke verputzt, Kanzel abgebaut und eingelagert, durch Auferstehungsbild ersetzt). Restaurierung des Innenraums 2001-2003 (kassettierte Holzdecke freigelegt und ursprüngliche Ornamentbemalung wieder hergestellt, Hochkanzel wieder angebracht, zwei nach klassizistischen Vorbildern gestaltete Prismenkronen angeschafft).
Turm
Querrechteckiger, romanischer Westturm aus verputzten Bruchsteinen, erbaut etwa Mitte 13. Jh.; im Glockengeschoss zehn rundbogige, gekuppelte Schallöffnungen, Teilungssäulen mit Würfelkapitellen; Turmhelm mit flachem, rechteckigem Ansatz und hoher, achteckig ausgezogener Spitze (Echter-Spitzhelm), Auslegestuhl für Uhrschlagglocke nach Südosten; 1838 Rundportal in Westseite gebrochen; 1895 Turmhaube erhöht; 1968 neue Schieferdeckung; 2002 neue Schieferdeckung; Turmsanierung und Neuverputzung 2008/09 (seit 1990 geplant). Turmuhr im 15. Jh. nachweisbar; heutiges Uhrwerk von 1860 (Firma Weule, Bockenem).
Vorgängerbau
Fachwerkbau, etwa so breit wie Turm, Firsthöhe des Kirchenschiffs etwa zwei Meter unter der heutigen.
Ausstattung
Hölzerne Taufe (1839, kannelierter Säulenschaft mit verzierter Basis auf quadratischem Sockel, das kapitellartige, flache Becken mit Akanthusblättern geschmückt). – Zwei Ölgemälde des Malers Brockhoff an Altarwand (1840, Kreuzigung, Gebet auf dem Ölberg). – Zwei kleinere Ölgemälde (ebenfalls Brockhoff?) über Seitenportalen (Geburt Jesu und Auferstehung). – Gemälde Martin Luthers an Empore. – Opferstock (Holz, Eisenbeschläge, vermutlich 18. Jh., 2003 wieder aufgestellt).
Orgel
1863 Neubau durch Heinrich Schaper (Hildesheim), 13 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen. 1917 Ausbau der Prospektpfeifen und Abgabe zu Kriegszwecken. 1927 Einbau neuer Prospektpfeifen (Zink) durch Lothar Wetzel (Hannover). 1990 Instandsetzung durch Orgelbau-Werkstätten F. Schmidt (Langenhagen). Denkmalorgel.24
Geläut
Zwei LG I: e’ (Bronze, Gj. 1668, Heise Meier, Wolfenbüttel); II: fis’ (Bronze, Gj. 1671, Heise Meier, Wolfenbüttel). Die fis’-Glocke ist in schwerer Rippe gegossen und daher größer als die in leichterer Rippe gegossene e’-Glocke.25 Sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg große LG abgegeben, aber jeweils nicht eingeschmolzen und zurückgekehrt. 2008 Reparatur beider LG (Firma Lachenmeyer, Nördlingen).26 – Eine SG fis’’ (Bronze, Gj. 1860, Firma Weule, Bockenem). 1942 zum Einschmelzen abgegeben, 1947 zurück (Ersatz-SG aus Stahl kurz zuvor aufgehängt, wieder abgenommen).27 – Früherer Bestand: Eine große LG, im Dreißigjährigen Krieg zerstört.28
Weitere kirchliche Gebäude
Pfarrhaus (Bj. 1850/51, zweigeschossiger Ziegelbau). – Gemeindehaus (ehemaliges Wirtschaftsgebäude neben Pfarrhaus, 1951/52 umgebaut, 1981 renoviert). – Kindergarten/Alte Schule/Küsterhaus (Bj. 2. Hälfte 19. Jh., zweigeschossiger Ziegelbau mit eingeschossigen Anbauten, Anfang 1960er Jahr zu Kindergarten umgebaut, 1974 erweitert).
Friedhof
Seit 1927/28 kommunaler Friedhof mit FKap (Bj. 1965). Älterer kirchlicher Friedhof rund um die Kirche, seit 1930 nur noch wenige Beerdigungen, letzte 1964.
Liste der Pastoren (bis 1940)
Bis etwa 1550 Heinrich Oldenrode. – 1552, 1583 Jakob Roeleke (Rölichius). – 1588 (?)–1608 Magister Johannes Adenstedt. – 1608–1626 Hilmar Katensen (Katenhusen). – 1626–1628, 1632 Ludolf Sander. – Zwischen 1633–1640 Samuel Lange. – 1641–1680 Joachim Vintzelberg (Wintzelburg). – 1680–1703 Jakob Flor (Flohr). – 1704–1719 Justus Melchior Bauermeister. – 1720–1758 Johann Wilhelm Neubauer. – 1759–1779 Johann Christian Neubauer. – 1780–1796 Christian Friedrich Martin Hübener. – 1797–1841 Heinrich Gottlieb Hübotter. – 1843–1850 Justus Friedrich Reich. – 1850–1874 Johann Philipp Wiesenhavern. – 1875–1898 Ernst August Hermann Braeß. – 1898–1924 August Konrad Münchmeyer. – 1925–1928 Heinrich Georg Friedrich Wilhelm Kather.
Angaben nach: Meyer, Pastoren II, S. 161
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
A 1 Nr. 8143–8145 (Pfarroffizialsachen); A 6 Nr. 5739–55750 (Pfarrbestallungsakten); A 9 Nr. 1623, 1624, 1625 (Visitationen); B 18 Nr. 204 (Orgel); D 21 (EphA Ölsburg/Groß Solschen); D 97 (EphA Peine); S 11a Nr. 7923 (Findbuch PfA).
Kirchenbücher
Taufen: ab 1645 (Lücken: Sep. 1714– Aug. 1719)
Trauungen: ab 1641 (Lücken: April 1717– Okt. 1720)
Begräbnisse: ab 1640 (Lücken: Mai 1715– Aug. 1720)
Kommunikanten: ab 1804 (Lücken: 1810–1826)
Konfirmationen: ab 1802
Literatur
A: Ahrens, KK Ölsburg, S. 7–26 und 52–55; Aye/Kronenberg, Taufbecken, S. 168, Nr. 211; Aye, Taufbecken, Nr. 209; Boetticher, Ortsverzeichnis Lkr. Peine, S.157–159; Dehio Bremen/Niedersachsen, S. 960 f.; Jürgens u. a., KD Kr. Peine, S. 113–116; Meyer, Pastoren II, S. 160 f.; Müller, Kirchenbauten, S. 101 f.; Oorschot, Spees Rolle; Pape, Schaper, S. 133–137; Pape, Orgeln Kr. Peine, S. 36 f.; Rose, Kirchenkampf.
B: Bernhard Engelke: Dorf und Weichbild Münstedt, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 20 (1947), S. 126–132; Ortsrat Münstedt (Hg.): Monigstide – Münstedt. 1189–1989. Eine Dorfgeschichte, Münstedt 1989; Ortsrat Münstedt (Hg.): Münstedt – früher und heute. 1189–2014. Ergänzungen zur Ortschronik von 1989, Münstedt 2014.
Website der Kirchengemeinde (30.10.2024)
Fußnoten
- UB HS Hildesheim I, Nr. 470, Übersetzung: Ortsrat Münstedt (2014), S. 39.
- Engelke, S. 126 f.
- Engelke, S. 127 ff. Ortsrat Münstedt (1989), S. 91 f.
- Ortsrat Münstedt (2014), S. 37 ff.
- Ortsrat Münstedt (1989), S. 30.
- UB HS Hildesheim III, Nr. 1332.
- UB HS Hildesheim VI, Nr. 217.
- Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 7,2,1, S. 769 ff.
- Bertram, Bistum Hildesheim II, S. 304.
- Oorschot, Spees Rolle, S. 25.
- Ortsrat Münstedt (2014), S. 40 ff.
- Evangelischer Kirchenstaat, S. 130; Dürr, Politische Kultur, S. 171.
- Müller, Kirchenbauten, S. 101 f., Ortsrat Münstedt (1989), S. 135 ff.
- Ortsrat Münstedt (2014), S. 83 ff.
- LkAH, S 1 H III Nr. 317, Bl. 14.
- Ortsrat Münstedt (2014), S. 85.
- Ortsrat Münstedt (2014), S. 292 ff.
- Ortsrat Münstedt (2014), S. 137.
- KABl. 1993, S. 49.
- KABl. 2004, S. 121 f.
- Meyer-Roscher, Streiflichter, S. 123.
- KABl. 1965, S. 258.
- KABl. 1998, S. 212.
- Ahrens, KK Ölsburg, S. 53.
- LkAH, L 5h, unverz., Münstedt, Visitation 1975.
- Ortsrat Münstedt (2014), S. 71 f. und 166 f.
- Ortsrat Münstedt (2014), S. 144 f.
- Ortsrat Münstedt (2014), S. 71.