Frühere Gemeinde | Bis 1956 KapG der KG Pattensen (Winsen) | Sprengel Lüneburg, KK Winsen (Luhe) | Patrozinium: Michael (1958) | KO: Lüneburger KO von 1643

Orts- und Kirchengeschichte

Urkundlich ist Stelle erstmals 1197 belegt.1 Das Dorf zählte zum 1235 gegründeten Hzm. Braunschweig-Lüneburg. Bei der welfischen Besitzteilung 1267/69 kam es zum Fsm. Lüneburg (ab 1705 Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. Kurhannover).2 Im Fsm. Lüneburg gehörte Stelle zur Großvogtei Winsen (vormals Großvogtei Lüneburg, Sitz wohl um 1371 nach Winsen verlegt), aus der später das Amt Winsen an der Luhe hervorging (1503 genannt).3 Von 1810 bis 1813 gehörte Stelle zum Kaiserreich Frankreich (Kanton Winsen, Arrondissement Lunebourg, Département des Bouches de l’Elbe). Danach zählte der Ort, nun im Kgr. Hannover, zunächst erneut zum Amt Winsen, kam 1852 zum kurzlebigen Amt Pattensen, das 1859 wieder im Amt Winsen aufging. Mit der Annexion des Kgr. Hannover fiel Stelle 1866 an das Kgr. Preußen. Bei Einführung der Kreisverfassung 1885 kam der Ort zum Kr. Winsen, der 1932 im Lkr. Harburg aufging. 1968 wurde Achterdeich nach Stelle eingemeindet, 1972 folgten Ashausen und Büllhorn, Fliegenberg sowie Rosenweide und Wuhlenburg. Zur Struktur der Kirchengemeinde schrieb der Winsener Sup. 1963: „Stelle ist […] der Typ einer sich vom Bauerndorf zur Landsiedlung entwickelnden Gemeinde im Vorraum von Hamburg.“4 Um 1810 lebten gut 505 Menschen in Stelle (und Fachenfelde) und 2023 gut 11.595 (mit Eingemeindungen).

Stelle, Kirche, Außenansicht

Kirche, Ansicht von Nordwesten, Teilansicht, 1905

Kirchlich gehörte Stelle bis hinein in die zweite Hälfte des 20. Jh. zum Kirchspiel Pattensen (Winsen). In den 1860er Jahren fasste, nicht zuletzt unterstützt durch die Pattenser Hilfsgeistlichen Friedrich Wilhelm Knoke (amt. 1860–1866) und Friedrich Philipp August Mühlenbrink (amt. 1867–1869), die Hermannsburger Erweckungsbewegung fuß in der Gemeinde. In Stelle gründete sich 1876 ein Posaunenchor, der zusammen mit den Posaunenchören Fliegenberg, Ramelsloh und Ohlendorf den Zions-Verein gründete.5 Der Verein entfachte, wie der Winsener Sup. 1967 formulierte, bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs ein „blühendes Leben“; seine Mitglieder trafen sich in der Steller Kapelle, hörten Missionsberichte, machten Bibelarbeit, sangen und musizierten gemeinsam und suchten „in Gebet und Opfer, Lebensführung und der Entfaltung häuslicher Frömmigkeit, in Missionsliebe und im lutherischen Bekenntnis ihre Selbstentfaltung“.6
Bereits 1866 hatte das Königliche Konsistorium innerhalb der KG Pattensen die KapG Stelle eingerichtet und die Gemeinde wählte einen Kapellenvorstand.7 Am 27. Dezember 1868 konnte sie ihr neu erbautes Kapellengebäude einweihen. Ebenfalls in der zweiten Hälfte des 19. Jh. entstand eine bapt. Gemeinde (Kirchenbau 1891, heute Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Stelle); zudem hatten sich nach 1874 einige Familien der Separation angeschlossen (Kirchenbau 1900, heute St.-Petri-Gemeinde Stelle der SELK). 1909 zählte die bapt. Gemeinde im Gebiet der KapG Stelle etwa 50 Gemeindeglieder, ebenso die separierte.8
Seit 1886 hatte der Pattenser Hilfsgeistliche (Pfarrkollaborator) seinen Sitz in Stelle und 1898 wandelte das Konsistorium die Kollaboratur in eine zweite Pfarrstelle um, die ihren Sitz ebenfalls in Stelle hatte und deren Pfarrbezirk dem Gebiet der KapG Stelle entsprach.9 Erster Inhaber der neuen Stelle war der bisherige Hilfsgeistliche P. Otto Wilhelm Riechelmann (amt. 1898–1912). 1899 gründete sich ein Kirchenchor.
Während der NS-Zeit hatte P. Wilhelm Schloemer (amt. 1931–1952) die Pfarrstelle in der KapG Stelle inne. Im „Fragebogen zur Geschichte der Landeskirche von 1933 bis Kriegsende“ schrieb er, er habe seit 1936 zum Pfarrernotbund und zur Hannoverschen Pfarrbruderschaft gehört.10 Zum 1933 neugewählten KapV gab er an: „Die hälfte Mitglieder der Partei, aber alle sehr kirchlich u[nd] im Kirchenkampf treu bewährt“.11
Aufgrund des Zuzugs Geflüchteter nach Ende des Zweiten Weltkriegs wuchs die Zahl der Gemeindeglieder von rund 1.565 im Jahr 1942 auf rund 2.500 im Jahr 1948 an.12 Von der NSV übernahm der KapV die Trägerschaft der Schwesternstation Stelle. In der Nachkriegszeit entstanden zudem eine kleine kath. Gemeinde (1955 monatliche Messen in der ev. Kirche) und eine neuapostolische Gemeinde (1949 gegründet; Kirchenbau 1968/69).13

Stelle, Kirche, St. Michael, Relief

Entwurf zum Betonrelief „Kampf des hl. Michael gegen den Drachen“ über dem Hauptportal, 1971

1954 vergrößerte sich das Gemeindegebiet um die Ortschaft Achterdeich und zum 1. September 1956 erhob das LKA Hannover die bisherige KapG zur eigenständigen „Ev.-luth. KG Stelle“.14 Von ihrer Muttergemeinde Pattensen (Winsen) übernahm die neue Gemeinde die zweite Pfarrstelle; erster Pfarrer der KG Stelle war P. Günther Stubenrauch (amt. 1953–1964). Seit 1958 trug die Gemeinde den Namen „Ev.-luth. St. Michaels-KG Stelle“. Für ihre Gemeindeveranstaltungen hatte die KG in den 1950er Jahren einen Gasthaussaal gemietet, 1965/66 konnte sie neben der Kirche ein Gemeindehaus errichten. Seit 1965 versah Pn. Annemarie Buhr (amt. 1970–1971) den Pfarrdienst in Stelle als Pastorin der Landeskirche; eine Berufung auf die Pfarrstelle war erst möglich, nachdem Landessynode und Kirchensenat 1969 das Pastorinnengesetz geändert hatten.15 In die Amtszeit von Pn. Buhr fiel 1967/68 die Vergrößerung der Kirche und der Bau des Kirchturms.
Zum 1. Januar 1973 schlossen sich die St. Michaels-KG Stelle, die St. Andreas-KG Ashausen und die bislang zur KG Winsen gehörende Martin-Luther-KapG Fliegenberg und gründeten gemeinsam die neue „Ev.-luth. KG Stelle“.16

Umfang

Stelle, Fachenfelde und Achterdeich (von 1866 bis 1954 nur Rieckmannsche Kötnerei, dann ganz; Achterdeich hatte zur KG Winsen gehört).17

Aufsichtsbezirk

Mit Gründung der KG 1956 zum KK Winsen (Luhe).

Kirchenbau

Neugotischer Rechteckbau mit eingezogenem Polygonalchor und Sakristeianbau an der Südseite des Chors, errichtet 1868 (Entwurf: Friedrich August Ludwig Wagner, Winsen), erweitert 1968. Satteldach, Chordach nach Osten abgewalmt. Ziegelmauerwerk, gestufte Strebepfeiler. An den Längsseiten je vier große, dreibahnige Spitzbogenfenster mit schlichtem Maßwerk, am Chor schmalere Spitzbogenfenster. Im Innern dreischiffige Gliederung mit Hauptschiff und zwei schmalen Seitenschiffen, dazwischen Pfeiler und Spitzbögen; Kreuzrippengwölbe; Emporen im Westen und im nördlichen Seitenschiff. 1967/68 Kirche nach Westen erweitert, Dachreiter abgenommen und Turm errichtet. 2018 Sanierung von Kirche und Turm.

Fenster

Drei figürliche Buntglasfenster im Altarraum (1937, Christel Kuball, Hamburg), Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Figürliches Grisaille-Fenster nach Süden (1955/56), Christus und Kinder (Mk 10,14), Fenster gestiftet von einer Steller Familie.18

Turm

Querrechteckiger Westturm mit kupfergedecktem Satteldach und nadelförmigem Dachreiter, bekrönt mit Kreuz. Im Glockengeschoss mehrere kleine, hochrechteckige Schallfenster, nach Norden, Süden und Westen zweireihig angeordnet. Hauptportal nach Westen, darüber Betonrelief „Kampf des hl. Michael gegen den Drachen“ (1971, Synold Klein, Stade). 2018 Sanierung von Kirche und Turm.

Ausstattung

Schlichter Blockaltar mit hölzernem Kruzifix. – Quaderförmige Steintaufe.

Orgel

1890 Orgel erbaut von Heinrich Röver (Stade), 9 Register, mechanische Traktur.19 1928 Orgelwerk erneuert von Gustav Steinmann (Vlotho), Zustand 1944: 20 II/P, pneumatische Traktur, Kegelladen und Taschenladen. 1967–73 Orgelneubau in drei Bauabschnitten (Manual I, Manual II, Pedal), ausgeführt von Alfred Führer (Wilhelmshaven), 16 II/P (HW, BW), mechanische Traktur, Schleifladen. 1998 Instandsetzung, Alfred Führer (Wilhelmshaven).

Geläut

Vier LG, I: a’, Inschrift: „Glaube. Land höre des Herrn Wort. Unser Glaube ist der Sieg“; II: h’, Inschrift: „Liebe. Welch eine Liebe hat uns der Vater erzeigt“; III: cis’’, Inschrift: „Hoffnung. 1968 100 Jahre St. Michaelskirche“; IV: d’’, Inschrift: „Friede. Er ist unser Friede“ (alle Bronze, Gj. 1968, Firma Rincker, Sinn); Glocken finanziert vom Ev.-luth. Kirchbauverein der St. Michaels-Kirche e. V. Stelle. – Früherer Bestand: Eine kleine LG, h’’ (Bronze), seit Anschaffung des neuen Geläuts auf dem Friedhof.

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. 1965). – Gemeindehaus (Bj. 1965/66, erweitert 1974).

Friedhof

Ehemaliger kirchlicher Friedhof am Büllerberg, genutzt von 1868 bis 1931.20 Neuer kirchlicher Friedhof im Südosten von Stelle, angelegt 1902, FKap (Bj. 1948/49).

Liste der Pastoren (bis 1940)

(Pfarrkollaboratur bzw. zweite Pfarrstelle der KG Pattensen (Winsen) mit Sitz in Stelle): 1886–1889 P. coll. Josef Frank. – 1889–1891 P. coll. Christian Gottlieb Theodor Grünewald. – 1891–1893 P. coll. Heinrich Rudolf Christoph Wendig. – 1893–1895 P. coll. Johann Heinrich August Freund. – 1895–1897 P. coll. Paul Georg Franz Riechelmann. – 1897–1912 Otto Wilhelm Riechelmann (bis 1897 P. coll.). – 1913–1918 Ilo Hinrich Kortmann. – 1919–1930 Heinrich Julius Hermann Seiffert. – 1931–1952 Wilhelm Hermann August Johannes Schloemer.

Angaben nach: Meyer, Pastoren II, S. 411

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 5 Nr. 740 (Spec. Landeskons.); B 2 G 9 Nr. 2885–2886 (Bauwesen und Baupflege); B 2 G 9 B Nr. 609 (Orgel- und Glockenwesen); E 5 Nr. 1009 (Konsistorialbaumeister); S 09 rep Nr. 2121 (Presseausschnittsammlung); S 11a Nr. 7533 (Findbuch PfA).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1898
Trauungen: ab 1898
Begräbnisse: ab 1898
Kommunikanten: ab 1898
Konfirmationen: ab 1898
Früher siehe Pattensen bei Winsen (Luhe).

Literatur

A: Gemeindebuch KK Winsen/Luhe, S. 35–36; Gröll/Schirm, Kirchen und Gemeinden, S. 39–41; Manecke, Beschreibungen I, S. 272; Meyer, Pastoren II, S. 411.

B: Anneliese Gerecke: Michaeliskirche in Stelle wird 100 Jahre. Heimatglocken. Unterhaltungsblatt zur Pflege der Heimatkunde 67 (1967), Nr. 365; Hermann Henke: Aus Vergangenheit und Gegenwart der Kirchengemeinde Pattensen im Lüneburgischen. Ein Beitrag zur Heimatgeschichte, Pattensen 1929; Gerhard Rieckmann: Zum Ursprung des Dorfes Stelle, in: Harburger Kreiskalender 1985, S. 96–97.


Fußnoten

  1. UB Verden I, Nr. 190; Lüneburger UB VII, St. Michaelis, Nr. 26 [Digitalisat].
  2. Pischke, Landesteilungen, S. 35 ff.
  3. Zum Amt Winsen vgl. Krieg, Amtsbezirke Fsm. Lüneburg, S. 6 ff.
  4. LkAH, L 5e, unverz., Stelle, Visitation 1961.
  5. Gröll/Schirm, Kirchen und Gemeinden, S. 41. In LkAH, L 5e, unverz., Stelle, Visitation 1967, ist 1863 als Gründungsjahr genannt.
  6. LkAH, L 5e, unverz., Stelle, Visitation 1967.
  7. Gröll/Schirm, Kirchen und Gemeinden, S. 39.
  8. Henke, S. 19 f.; Ahlers, Pfarrbuch 1909, S. 223.
  9. KABl. 1898, S. 24.
  10. LkAH, S 1 H III, Nr. 620, Bl. 21. Allgemein zum Fragebogen vgl. Kück, Ausgefüllt, S. 341 ff.
  11. LkAH, S 1 H III, Nr. 620, Bl. 21.
  12. LkAH, L 5e, unverz., Pattensen (Winsen), Visitationen 1942 und 1948.
  13. LkAH, L 5e, unverz., Stelle, Visitation 1955.
  14. KABl. 1954, S. 122; KABl. 1956, S. 141.
  15. LkAH, L 5e, unverz., Stelle, Besetzung der Pfarrstelle. Im Protokollbuch des KV 1965 ist vermerkt: „Der Kirchenvorstand erklärt sich einstimmig bereit, Frau Pastorin Buhr auf die erledigte Pfarrstelle zu Stelle ernennen zu lassen und bedauert, daß dieses nach dem Pastorinnengesetz nicht möglich ist“ (ebd., Beglaubigter Auszug aus dem Protokollbuch, 18.03.1965).
  16. KABl. 1973, S. 8 (in der Urkunde ist irrtümlich „St. Michaelis“ angegeben).
  17. KABl. 1954, S. 122.
  18. Gemeindebuch Winsen/Luhe, S. 36.
  19. Skiebe, Röver, S. 53; LkAH, L 5e, unverz., Stelle, Visitation 1955.
  20. Gemeindebuch Winsen/Luhe, S. 35.