Sprengel Lüneburg, KK Hittfeld | Patrozinium: Luther | KO: Lüneburger KO von 1643
Orts- und Kirchengeschichte
Neu Wulmstorf entstand ab 1835, als der Daerstorfer Bauer Peter Lohmann zusammen mit seiner Familie im Moor- und Heidegebiet nördlich von Wulmstorf ein erstes Haus errichtete.1 Die neue Siedlung gehörte zum Dorf Wulmstorf im Amt Moisburg des Kgr. Hannover und in der Statistischen Übersicht der Eintheilung des Königreichs Hannover von 1853 ist sie als „Neuwulmstorf od[er] Voßhausen Anbau“ verzeichnet.2 Das Amt Moisburg ging 1859 im neuen Amt Tostedt auf. Mit der Annexion des Kgr. Hannover fiel Wulmstorf mit Voßhausen bzw. Neu Wulmstorf 1866 an das Kgr. Preußen. Bei Einführung der Kreisverfassung 1885 kam der Ort zum Lkr. Harburg. 1964 wurden Bredenheide und Elstorfer Moor eingemeindet und die Gemeinde änderte ihren Namen in Neu Wulmstorf. 1970 wurde auch Daerstorf eingemeindet und 1972 folgten Elstorf mit Ardestorf, Schwiederstorf, Rade mit Mienenbüttel sowie Rübke. Seit 1905 besitzt Neu Wulmstorf einen Bahnhof (Strecke Harburg–Cuxhaven, bis 1969 Bahnhof „Daerstorf“). Zur sozialen Zusammensetzung Neu Wulmstorfs schrieb der Ortspfarrer 1964: „Den Hauptanteil an der Gemeinde stellen Arbeiter und Rentner. Eine weitere wesentlich kleinere Gruppe sind die Beamten und Angestellten. Die intellektuelle Oberschicht ist nur dünn.“3 1972 beschrieb der Hittfelder Sup. Neu Wulmstorf als „typische Großstadtrandgemeinde“.4 Im Jahr 1853 lebten in Wulmstorf und Neu Wulmstorf zusammen gut 205 Menschen, 1925 insgesamt 410 (Wulmstorf: 115, Neu Wulmstorf 295), 1950 gut 1.275, 1940 etwa 4.000 und 2023 rund 22.700 (mit Eingemeindungen).
Kirchlich gehörte die Siedlung Neu Wulmstorf ursprünglich zum Kirchspiel Elstorf. Aufgrund der deutlich gestiegenen Zahl der Gemeindeglieder plante die KG Elstorf in den 1950er Jahren den Bau einer zweiten Kirche, die in Neu Wulmstorf stehen sollte. Am 1. Mai 1956 versammelte sich die Gemeinde zur Grundsteinlegung und am vierten Advent des gleichen Jahres (23. Dezember) feierte sie zusammen mit Lbf. Hanns Lilje (amt. 1947–1971) die Einweihung ihrer neuen Lutherkirche. Mit P. coll Heinz-Jürgen Wollermann bekam Neu Wulmstorf einen eigenen ev.-luth. Geistlichen. Gut zwei Jahre später, zum 1. Oktober 1958 pfarrte das LKA Hannover Neu Wulmstorf aus der KG Elstorf aus und errichtete die eigenständige „Ev.-luth. KG Neu Wulmstorf“.5 Die gleichzeitig eingerichtete Pfarrstelle übernahm der bisherige Hilfsgeistliche P. Heinz-Jürgen Wollermann (amt. 1958–1989) Die neue Kirchengemeinde unterhielt eine Gemeindeschwesternstation (Diakonisse aus dem Mutterhaus Salem in Berlin-Lichtenrade).6
Bereits seit Mai 1956 besaß Neu Wulmstorf mit der St.-Josephs-Kirche ein kath. Gotteshaus (bis 1998 Filialgemeinde von Heilig Kreuz Neugraben).7 Zudem hatte sich 1949 eine ev. freikirchliche Gemeinde gegründet (Baptisten, 2018 aufgelöst), 1951 eine Freie ev. Gemeinde (FeGN) und 1956 eine neuapostolische Gemeinde.8
Im Jahr 1964 zählte die KG Neu Wulmstorf rund 5.500 Gemeindeglieder. Innerhalb der Gemeinde existierte eine Gruppe der Landeskirchlichen Gemeinschaft, deren Mitglieder vorwiegend aus Bessarabien stammten.9 Sie gehörten Mitte der 1960er Jahre „zum Kern der Gemeinde“, wie P. Wollermann formulierte. Ev.-luth. Kirchengemeinde, Gemeinschaft, bapt. Gemeinde und freie ev. Gemeinde kooperierten in der Evangelischen Allianz, die in Neu Wulmstorf jedoch Ende 1975 auseinanderfiel. Um 1980 errichtete die Landeskirchliche Gemeinschaft ein eigenes Gemeindezentrum. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich schrittweise eine ökumenische Zusammenarbeit, an der die beiden ev.-luth. KG Neu Wulmstorf und Elstorf beteiligt sind, die bapt. Gemeinde (bis 2018), die kath. KG Neu Wulmstorf, die landeskirchliche Gemeinschaft und die Freie ev. Gemeinde (u. a. ökumenischer Gottesdienst und Kirchenmeile Neu Wulmstorf-Woche, ökumenische Sommerkirche, Gebetswoche, ökumenische Bibelgesprächsabend).10
1967 hatte die ev.-luth. Gemeinde eine zweite Pfarrstelle erhalten, die als erster P. Hans-Ludwig Müller-Brandes (amt. 1968–1973) übernahm, und 1973 eine dritte, die P. Wilhelm Meißner (amt. 1976–1980) zunächst als Hilfsgeistlicher versah, bevor er später berufen wurde (nach 1980 blieb die Stelle vakant). Neben der Lutherkirche erbaute die Gemeinde 1964/65 ein Gemeindehaus, 1971 nahm der ev. Lutherkindergarten seine Arbeit auf und 1974 folgte der Bau eines zweiten Gemeindehauses im Norden des Gemeindegebiets (Wilhelm-Busch-Straße). Die Zahl der Gemeindeglieder lag 1976 bei knapp 7.320.11 Die Gemeindeschwesternstation ging 1979 über auf die Diakonie- und Sozialstation Hollenstedt-Neu Wulmstorf, getragen von den KG Elstorf, Hollenstedt, Moisburg und Neu-Wulmstorf. Mitte der 1990er Jahre bestand auf kirchenmusikalischer Ebene ein „reger Austausch“ mit der sächsischen Kirchgemeinde Gelnau im Erzgebirge (gegenseitige Besuche der Posaunenchöre und der Kantorei).12
Zwischen 1998 und 2000 ließ die Gemeinde Wulmstorf ihre Kirche umgestalten und teilweise neu errichten. Gleichzeitig belasteten Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen Pfarramt und Kirchenvorstand und innerhalb des Pfarramts die Gemeinde; die beiden Pfarrstellen wurden 2000 und 2001 neu besetzt. Im Jahr 2011 war die KG Neu Wulmstorf Gründungsmitglied des „Verbandes ev.-luth. Kindertagesstätten im Kirchenkreis Hittfeld“, der die Trägerschaft des Lutherkindergartens übernahm.13 Mit dem „Apfelgarten“ bekam Neu Wulmstorf 2013 eine zweite ev. Kindertagesstätte.
Im Jahr 2016 gab die KG Neu Wulmstorf ihr Gemeindehaus an der Wilhelm-Busch-Straße auf und baute in der Folgezeit den Standort Lutherkirche als alleinigen Mittelpunkt des Gemeindelebens aus (Sanierung Gemeindehaus, Neubau Pfarrhaus I).
Pfarrstellen
I: 1958.14 – II: 1967.15 – III: 1973, ab 1980 vakant, 2013 aufgehoben.16
Umfang
Ortsteil Neu Wulmstorf der Gemeinde Neu Wulmstorf.
Aufsichtsbezirk
Mit Gründung der KG 1958 zum KK Hittfeld.
Kirchenbau
Saalbau mit ehemaligem Altarraum nach Ostnordosten, neuer Altarnische nach Südsüdosten, rundem Sakristeianbau nach Osten und Vorbau nach Westsüdwesten, erbaut 1956/57 (Architekt Kurt Schrieber, Hamburg), weitgehender Um- und Neubau 1998–2000. Zwei höhenversetzte Pultdächer mit Oberlichtband, Querdach über Altarnische, Viertelkegeldach über Sakristei, abgewalmtes Dach über Vorbau. Ziegelmauerwerk. Bodentiefe Rechteckfenster nach Norden, bodentiefe Rechteckfenster und -türen nach Süden, in der Altarnische Kreisfenster nach Süden. Im Innern offener Dachstuhl, schräggestellte Empore an West- und Nordwand (Eisenträger). 1998–2000 Teilabriss (marode Bausubstanz) und Umbau, u. a. neuer Altarraum nach Süden, neue Dachkonstruktion, Rundfenster in neuen Altarraum versetzt.
Fenster
Rundes, figürliches Buntglasfenster (1957, Entwurf: Gerhard Hausmann, Hamburg, Ausführung: Ewald Kerlin, Hamburg), Auferstehung Christi.
Turm
Vor der Nordseite der Kirche vierseitiger Turm mit kupfergedecktem Zeltdach, bekrönt mit Kugel und Kreuz. Ziegelmauerwerk. Glockenstube mit vier Betongitterwänden mit jeweils zwölf Schallfenstern. An der Nordseite Hauptportal.
Ausstattung
Altartisch (2000), Glas und Holz). – Kanzellesepulttisch (2000), Glas. – Hölzerner Taufständer. – Hängendes Kruzifix (1956, Fritz Fleer, Hamburg). – Wandparamente.
Orgel
1958 Orgelbau, ausgeführt von Friedrich Weißenborn (Braunschweig), 15 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen. 1998 Instrument abgebaut (Umbau der Kirche). 1998–2000 Orgelneubau, Hermann Eule (Bautzen), 24 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen, Instrument aufgestellt im ehemaligen Altarraum.
Geläut
Drei LG, I: f’; II: as’; III: b’ (alle Stahl, Gj. 1956, Bochumer Verein).
Weitere kirchliche Gebäude
Pfarrhaus I, Bei der Lutherkirche (Bj. 2018/19, Vorgängerbau Bj. 1959). – Pfarrhaus II, Wilhelm-Busch-Straße bzw. Gerhart-Hauptmann-Ring (Bj. 1984). – Gemeindehaus I, Bei der Lutherkirche (Bj. 1964/65, 2017 saniert). – Gemeindehaus II, Wilhelm-Busch-Straße (Bj. 1974, 2017 verkauft). – Kindergarten, Bei der Lutherkirche (Bj. 1970/71).
Friedhof
Kommunaler Friedhof in Neu Wulmstorf, FKap (Bj. 1958).
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
B 2 G 9 Nr. 2174–2178 (Bauwesen und Baupflege); S 09 rep Nr. 1786 (Presseausschnittsammlung).
Kirchenbücher
Taufen: ab 1958
Trauungen: ab 1958
Begräbnisse: ab 1958
Kommunikanten: ab 1958
Konfirmationen: ab 1958
Früher siehe Elstorf.
Literatur & Links
B: Wilhelm Marquardt: Chronik der Gemeinde Neu Wulmstorf, 4 Bde., Neu Wulmstorf 1978–1986; Dagmar Müller-Staats: Von Voßhusen nach Neu Wulmstorf. Die Geschichte einer Gemeinde und ihrer Ortsteile, Neu Wulmstorf 2000.
Internet: Wikipedia: Lutherkirche (Neu Wulmstorf).
GND
10013243-1, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Neu Wulmstorf.
Website der Kirchengemeinde (18.02.2024)
Fußnoten
- Müller-Staats, S. 10 ff.; Marquardt III.
- Ringklib, Übersicht 1853, S. 32.
- LkAH, L 5e, unverz., Neu Wulmstorf, Visitation 1964.
- LkAH, L 5e, unverz., Neu Wulmstorf, Visitation 1972.
- KABl. 1958, S. 200.
- LkAH, L 5e, unverz., Neu Wulmstorf, Visitation 1964.
- Müller-Staats, S. 61.
- Müller-Staats, S. 62.
- LkAH, L 5e, unverz., Neu Wulmstorf, Visitation 1964.
- LkAH, L 5e, unverz., Neu Wulmstorf, Visitationen 1994 und 2001.
- LkAH, L 5e, unverz., Neu Wulmstorf, Visitation 1976.
- LkAH, L 5e, unverz., Neu Wulmstorf, Visitation 1994.
- KABl. 2011, S. 94 ff.
- KABl. 1958, S. 200.
- KABl. 1967, S. 22 f.
- KABl. 1973, S. 110; KABl. 2010, 156 ff., Kirchengesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) und anderer Kirchengesetze, Art. 6.