Sprengel Ostfriesland-Ems, KK Emden-Leer | Patrozinium: Christus | KO: Ostfriesische KO von 1716

Orts- und Kirchengeschichte

Die Christusgemeinde im östlichen Teil der Kernstadt Leer ging aus dem 1895 eingerichteten dritten Pfarrbezirk der KG Leer hervor.1 Als erster Geistlicher betreute P. Heinrich Cornelius Haase (amt. 1895/97–1904) den neuen Pfarrbezirk (zunächst als Hilfsgeistlicher, dann als Pfarrer); die Gottesdienste fanden anfangs in einem Schulgebäude statt. Im Jahr 1900 konnte mit der „Neuen luth. Kirche“ am Hoheellernweg ein eigenes Gotteshaus eingeweiht werden. Den Namen „Christuskirche“ erhielt die Kirche erst 1925. Ein Vermächtnis des Kaufmanns Bruno Loets in Höhe von 3.000 Mark, gestiftet 1891, hatte den Grundstock zur Finanzierung des Kirchengebäudes gebildet und gleichzeitig einen Termin gesetzt: Die Kirche musste innerhalb von zehn Jahren errichtet werden. Andernfalls hätte die Gemeinde den (verzinsten) Geldbetrag an die Erben des Stifters auszahlen müssen. Spenden aus der Gemeinde halfen bei der Finanzierung der Ausstattung (Paramente, Kanzel) und der farbigen Chorfenster. Auf Turm und Glocken verzichtete die Gemeinde zunächst. Eine Orgel konnte 1901 angeschafft werden und 1905 ließ die KG Leer ein eigenes Pfarrhaus für den östlichen Pfarrbezirk errichten. P. Karl Gottlieb Mohrmann (amt. 1904–1914) führte 1905 einen zweiwöchentlichen Kindergottesdienst ein und P. Karl Oberdieck (amt. 1915–1946) übernahm neben dem Pfarramt 1933 auch das Amt des Sup. im KK Leer. An der Christuskirche predigten daher in den folgenden Jahren häufig verschiedene Hilfsgeistliche, die zur Unterstützung Sup. Oberdiecks bestellt waren.
Während der NS-Zeit setzte die deutschchristliche Gemeinde Leers Anfang der 1940er Jahre durch, dass ihr die Christuskirche für DC-Gottesfeiern zur Verfügung gestellt wurde: zunächst sonntagnachmittags alle vier Wochen, später sonntagvormittags alle zwei Wochen.2 Nach Beschädigungen gegen Ende des zweiten Weltkriegs konnte das Kirchengebäude 1949 wieder instandgesetzt werden. Drei Jahre später erhielt die Kirche erstmals ein eigenes Geläut, das in einer neu errichteten Glockenstube oberhalb des Eingangs untergebracht wurde. Aufgrund der gestiegenen Gemeindegliederzahl erhielt der Pfarrbezirk 1951 eine zweite Pfarrstelle, die zunächst LSup. Rudolf Siefken (amt. 1954–1960) versah, bevor er in die neu erbaute Landessuperintendentur in Aurich zog. In seine Amtszeit fiel die Aufteilung der großen KG Leer in drei eigenständige KG und damit die Gründung der Christusgemeinde zum 1. April 1958. Die zwei Pfarrstellen des östlichen Pfarrbezirks gingen auf die neue Gemeinde über.3
Über die Besetzung der Pfarrstellen an Luther- und Christusgemeinde entspann sich 1959 ein Streit zwischen den beiden KG einerseits und dem Landeskirchenamt andererseits.4 Schon 1946 hatte das Landeskirchenamt das Gemeindewahlrecht der KG Leer in Zweifel gezogen. Mit dem Verweis darauf, dass besondere Besetzungsrechte 1938 aufgehoben worden seien, versuchte es bei den 1959/60 anstehenden Besetzungen, das Pfarrbestellungsgesetz von 1951 zur Anwendung zu bringen. Dieses Kirchengesetz sieht eine abwechselnde Besetzung einmal durch den Landesbischof und nächstmalig durch Gemeindewahl vor.5 Die Kirchenräte (KV) der beiden Gemeinden protestierten und bestanden auf jedesmalige Gemeindewahl in den Leeraner Stadtgemeinden – nicht aus „formellen, rechtlichen Gründen“, sondern um „in unseren Gemeinden die lebendige Verantwortung“ zu erhalten, wie der Kirchenrat der Christusgemeinde formulierte.6 Der Kreiskirchenvorstand schloss sich dem Standpunkt der Gemeinden an. Um eine endgültige Klärung zu erlangen, reichte die Christus-KG schließlich Klage vor dem Rechtshof der Landeskirche ein. Konkret ging es dabei um die Frage, ob das Gemeindewahlrecht in Leer wie in anderen ostfriesischen Gemeinden auf Herkommen beruhte oder der Leeraner luth. Gemeinde 1675 landesherrlich verliehen worden war. Der Rechtshof urteilte im Sinne der Christusgemeinde und bestätigte das Gemeindewahlrecht der Leeraner Stadtgemeinden.7
Schon vor der eigentlichen Gemeindegründung begann 1955 der Aufbau einer Partnerschaft mit der sächsischen Petrigemeinde Rodewisch im Vogtland; Kontakte zwischen beiden Gemeinden bestanden bis in die zweite Hälfte der 1990er Jahre. Die Gemeinde ist Trägerin zweier Kindertagesstätten: der 1955/56 eröffneten Kita im Paul-Gerhardt-Haus und der 1963 gegründeten Kita im Dietrich-Bonhoeffer-Haus (seit 1998 Kita „Regenbogenland“). Einen Teil der Kosten für den Bau des Gemeindehauses Dietrich-Bonhoeffer-Haus hatte die Bundeswehr übernommen, da es als „Haus der offenen Tür“ auch für die Soldaten der Bundeswehrkaserne gedacht war (Evenburg-Kaserne).8 Die Bundeswehr beteiligte sich Mitte der 1960er Jahre auch an den Kosten der Sanierung des Kirchengebäudes. Angefangen mit P. Enno-Edzard Janssen (amt. 1961–1969) war bis 1994 jeweils einer der Pfarrer der Christusgemeinde im Nebenamt auch Militärpfarrer (ab 1994 war das Militärpfarramt in Aurich für die Leeraner Kaserne zuständig; seit 2014 hat das Militärpfarramt seinen Sitz in Leer).
Im Jahre 1976 führte die Gemeinde aus Anlass des ersten Osternachtgottesdienstes Albe und Stola als liturgische Kleidung für Pfarrerin bzw. Pfarrer ein. Das Tragen des hellen Gewands mit einer Stola in der jeweiligen liturgischen Farbe des Kirchenjahres war zunächst auf hohe Feiertage, Taufen und Trauungen beschränkt. 1978 beschloss der KV, dass die Albe – außer an Karfreitag, Buß- und Bettag und zu Trauerfeiern – in allen Gottesdiensten getragen werden darf.9 Aufgrund sinkender Gemeindegliederzahlen musste die Gemeinde 1999 auf eine ihrer beiden Pfarrstellen verzichten.10 Das Pfarrhaus gegenüber der Kirche ließ die Gemeinde 2002 zum Gemeindehaus „Katharina-von-Bora-Haus“ umbauen, gab gleichzeitig die Gemeinderäume im Dietrich-Bonhoeffer-Haus auf und konnte so die dortige Kita erweitern.
Seit 1998 unterhält die Gemeinde eine Suppenküche, die an jedem Sonntag ein kostenloses Mittagessen für Wohnungslose und Bedürftige anbietet. Für diese Initiative und das Projekt „Frauen helfen Frauen“ erhielt die Gemeinde 2005 das Siegel „Diakonische Gemeinde“. Für das generationenübergreifende Angebot im „Katharina-von-Bora-Haus“ erhält die KG seit 2007 Mittel aus dem Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser des Bundesfamilienministeriums. Ein Förderverein unterstützt die Gemeindearbeit und das gemeindliche Leben in der Christus-KG Leer.

Pfarrstellen

I: (1896) 1958–1999 (übernommen von der Luthergemeinde).11 – II: (1951) 1958 (übernommen von der Luthergemeinde, seit 1999 einzige Pfarrstelle der KG).12

Umfang

Der östliche Teil der Kernstadt Leer.

Aufsichtsbezirk

Mit Gründung der KG 1958 zum KK Leer. Seit 1. Januar 2013 KK Emden-Leer.13

Patronat

Genossenschaftspatronat der Gemeinde (Interessentenwahlrecht).

Kirchenbau

Neugotischer, rechteckiger Backsteinbau mit niedrigerem, fünfseitigem Chor im Südosten, kleiner Vorhalle im Nordwesten und Sakristeianbau nach Südosten, erbaut 1900. Satteldach, Chor abgewalmt; Strebepfeiler an den Längsseiten, vor den Ecken und am Chor; an den Längsseiten je zwei flachbogige, zwei spitzbogige und ein rundes Fenster in einer zweigeschossig gegliederten Spitzbogennische zusammengefasst; Spitzbogenfenster an Apsis; spitzbogiges Portal nach Nordwesten, darüber Glockengeschoss mit je drei rundbogigen Schallöffnungen an jeder Seite; in den Ecken zwischen Vorhalle und Schiff zwei schräggestellte Nebeneingänge. Im Innern holzverschalte, trapezförmige Decke im Schiff, Kreuzrippengewölbe in Apsis; spitzer Triumphbogen zwischen Chor und Schiff; Westempore. 1945 Kirche beschädigt (Fenster größtenteils zerstört, Dach und Mauerwerk beschädigt), 1949 Instandsetzung. 1952 Glockengeschoss auf Eingangsbereich aufgesetzt. 1963 Sakristeianbau nach Südosten. 1964–66 Sanierung (neues Dach, alte Sakristei am Chor abgebrochen, größere Chorfenster, Neugestaltung Innenraum). 1982 Eingangsbereich erneuert (barrierefrei). 2006 Innenrenovierung.

Fenster

Abstrakte Buntglasfenster in Chor (1963, Max Herrmann, Oldenburg); farbige Fenster im Schiff. Zuvor: 1900 figürlich gestaltete Chorfenster (Christusdarstellung im mittleren Fenster), 1945 zerstört. 1949 neue Buntglasfenster im Chor (Kreuz- und Kelchmotive).

Turm

Verschieferter Dachreiter mit offener Laterne, bekrönt mit Kugel und Schwan. Freistehender, offener Glockenträger nordwestlich der Kirche, erbaut 1965. Stahlträgerkonstruktion, holzverkleidete Glockenstube, bekrönt mit Kreuz.

Ausstattung

Schlichter Altar (1949), gemauerter Stipes, Schieferplatte als Mensa, hohes Kruzifix (1953, Arnold Rickert, Bielefeld). – Moderne Kanzel aus Holz und Metall (1965). – Taufe (1965), Schiefer.

Orgel

Anfangs Harmonium genutzt. Erste Orgel erbaut 1901 von P. Furtwängler & Hammer (Hannover), 12 II/P, pneumatische Traktur, Kegelladen (Opus 443). Orgelreparatur und Dispositionsänderungen 1948/49, ausgeführt von Alfred Führer (Wilhelmshaven). Orgelneubau 1963–65, ausgeführt von Firma Gebrüder Hillebrand (Altwarmbüchen), 17 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen. Instandsetzung 1998, Martin ter Haseborg (Uplengen).

Geläut

Vier LG, I: g’ (Bronze, Gj. 1965, Rincker, Sinn); II: a’ (Bronze, Gj. 1771, Johann Christian Copinus, Königsberg), Patenglocke aus Sackheim in Ostpreußen (heute Stadtteil von Kaliningrad), seit 1952 in der Christuskirche14; III: h’ (Bronze, Gj. 1952, Rincker, Sinn); IV: d’’ (Bronze, Gj. 1957, Rincker, Sinn).

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. 1953/54, Bethelstraße). – Gemeindehaus „Katharina-von-Bora-Haus“ (Bj. 1905, ursprünglich Pfarrhaus I, 2001/02 zu Gemeindehaus umgebaut und erweitert). – Kindergarten im Paul-Gerhardt-Haus (Bj. 1955/56, erweitert 1967). – Kindergarten „Regenbogenland“ Dietrich-Bonhoeffer-Haus (Bj. 1962/63, ursprünglich auch Gemeindehaus).

Friedhof

Kein kirchengemeindeeigener Friedhof.

Liste der Pastoren (bis 1940)

Erste Pfarrstelle: 1674–1692 Christian Bussius. – 1692–1695 Magister Bernhard König. – 1695–1700 Johann Schnedermann. – 1700–1712 Hajo Laurents Damm. – 1712–1730 Christian Läuffer. – 1730–1748 Heinrich Heye. – 1748–1753 Johann Mokersky. – 1753–1791 Theodor Jütting. – 1791–1808 Samuel Heinrich Sebastian Spielter. – 1808–1810 Rudolf Heinrich Taute. – 1811–1827 Johann Georg Doden. – 1827–1848 Carl Ludwig Ferdinand Lentz. – 1848–1856 Johann Gerhard Crino Ansmink. – 1856–1857 Eberhard Friedrich Meinhard Rügge. – 1857–1858 Christoph August Gossel. – 1859–1896 Johannes Warnke. – 1897–1899 Martin Christian Daniel Hafermann. – 1899–1933 Theodor Linnemann. – 1933 Karl Adolf Dietrich Oberdieck. – 1933 Wilhelm Johann Albert Knoche.

Zweite Pfarrstelle: 1678–1685 Johann Georg Utzen. – 1685–1692 Magister Bernhard König. – 1700–1703 Edo Johann Blöte. – 1707–1712 Dr. Johann Dietrich Walther. – 1712–1715 Heinrich Christoph Meier. – 1715–1730 Heinrich Heye. – 1730–1746 Joachim Kirchhefer. – 1746–1748 Johann Mokersky. – 1748–1753 Theodor Jütting. – 1753–1759 Johann Helferich Heye. – 1759–1768 Jelto Jelten. – 1769–1791 Samuel Heinrich Sebastian Spielter. – 1791–1808 Rudolf Heinrich Taute. – 1808–1811 Johann Georg Doden. – 1811–1827 Carl Ludwig Ferdinand Lentz. – 1827–1837 Hermann Siegismund Stracke. – 1837–1848 Johann Gerhard Crino Ansmink. – 1849–1856 Eberhard Friedrich Meinhard Rügge. – 1856–1857 Christoph August Gossel. – 1857–1859 Johannes Warnke. – 1859–1880 Ahrend Emmanuel Harms. – 1881–1897 Martin Christian Daniel Hafermann. – 1897–1899 Theodor Linnemann. – 1900–1906 Lic. Martin Georg Bernhard Peters. – 1906–1937 Otto zur Borg.

Dritte Pfarrstelle: 1897–1903 Heinrich Cornelius Haase. – 1903–1914 Karl Gottlieb Mohrmann. – 1915–1933 Karl Adolf Dietrich Oberdieck.

Angaben nach: Meyer, Pastoren II, S. 61–62

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

L 5i Nr. 274–275, 425 (LSuptur. Aurich); S 11a Nr. 8197 (Findbuch PfA).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1958
Trauungen: ab 1958
Begräbnisse: ab 1958
Kommunikanten: ab 1958
Konfirmationen: ab 1958

Früher siehe Leer, Lutherkirche.

Literatur

A: Otte/Rohde, Ostfriesland II, S. 408.

B: Festschrift zur 100-Jahr-Feier der Evangelisch-lutherischen Christuskirche zu Leer 1900–200, hrsg. vom Kirchenvorstand der Ev.-luth. Christuskirche Leer, Leer 2000; Enno Eimers: Kleine Geschichte der Stadt Leer, Leer 1993.

GND

6069718-0, Christuskirchengemeinde (Leer)


Fußnoten

  1. Zum Folgenden vgl. den Überblick zur Geschichte der KG in: Festschrift, S. 14 ff.
  2. Delbanco, Kirchenkampf, S. 120 f.; LkAH, L 5i, Nr. 160. Siehe auch den Artikel zur Luthergemeinde.
  3. KABl. 1958, S. 97f.
  4. LkAH, L 5i, Nr. 425; Festschrift, S. 59 ff.
  5. KABl. 1951, S. 9 ff.; KABl. 1939, S. 115.
  6. LkAH, L 5i, Nr. 425 (Schreiben des Kirchenrats der Christus-KG an das LKA, 25.05.1960; siehe auch Schreiben des Kirchenrats der Luther-Kg an das LKA, 10.03.1959).
  7. LkAH, L 5i, Nr. 425 (Urteil vom 15. Mai 1963).
  8. LkAH, B 2 G 9/Leer, Christus, Bd. I, Bl. 200 ff.
  9. Festschrift, S. 26 f.
  10. KABl. 2000, S. 13.
  11. KABl. 1958, S. 97 f.; KABl. 2000, S. 13.
  12. KABl. 1951, S. 62; KABl. 1958, S. 97 f.
  13. KABl. 2013, S. 31.
  14. Hardege, Glocken S. [1].