Sprengel Stade, KK Rotenburg | Patrozinium: Martin Luther | KO: Keine Kirchenordnung

Orts- und Kirchengeschichte

Im heutigen Lauenbrück lag Mitte des 14. Jh. das Dorf Palinghebrughe, das zum weltlichen Territorium der Verdener Bischöfe gehörte (Hochstift Verden). Bf. Daniel von Verden (amt. 1342–1364) überließ das Gebiet den Hzg. zu Braunschweig-Lüneburg. die ihn in den Auseinandersetzungen mit dem Verdener Domherrn Gottfried von Werpe unterstützt hatten. Hzg. Wilhelm II. zu Braunschweig-Lüneburg und Fs. von Lüneburg ließ hier eine Burg errichten, die urkundlich erstmals 1358 belegt ist: Otto Grote verkaufte Hzg. Wilhelm II. drei Höfe in deme dorpe to Palinghebrughe dar nv m[yn] vorbenomde here [Hzg. Wilhelm II.] heft ghebuwed dat hvs, dat dar is gheheten leuwenb[rughe].1 1360 ist die Burg als das slote to der Leuwenbrucghe nachgewiesen.2 Die kleine lüneburgische Exklave im Hochstift Verden war regelmäßig verpfändet und 1493 kam das Schlodt Lawenbrügge einschließlich der Nieder- und Hochgerichtsbarkeit an die Familie von Bothmer.3 Das adlige Gericht Lauenbrück, das Dorf und Gut sowie das Vorwerk Moorhaus umfasste, stand also außerhalb der Ämterstruktur des Fsm. Lüneburg. In französischer Zeit gehörte Lauenbrück von 1811 bis 1814 zum Kanton Tostedt im Arrondissement Lüneburg des Departements der Elbmündung im Kaiserreich Frankreich. Danach wurde das Gericht Lauenbrück, nun im Kgr. Hannover, neu errichtet, 1821/25 jedoch aufgehoben.4 Dorf und Gut Lauenbrück kamen zunächst zum Amt Harburg (Vogtei Tostedt) und 1852 zum Amt Moisburg, das 1859 im neuen Amt Tostedt aufging.5 Mit der Annexion des Kgr. Hannover wurde Lauenbrück 1866 preußisch und kam bei Einführung der Kreisverfassung 1885 zum Kr. Harburg, 1932 dann zum Lkr. Rotenburg/Hann. (1977 mit Lkr. Bremervörde fusioniert zum neuen Lkr. Rotenburg (Wümme) ). 1970 gründete Lauenbrück zusammen mit Fintel, Helvesiek, Stemmen und Vahlde die Samtgemeinde Fintel mit Sitz in Lauenbrück. Seit 1874 besitzt der Ort einen Bahnhof (Strecke Bremen–Harburg). In den Unterlagen zur Visitation 1973 wird Lauenbrück als „Arbeitergemeinde ohne eigene Industrie am Ort“ beschrieben; die übrigen Orte des Kirchspiels (Helvesiek, Riepe, Stemmen) seien landwirtschaftlich geprägt.6 Ende des 20. Jh. pendelte die Mehrzahl der Einwohnerinnen und Einwohner nach Hamburg und Bremen zur Arbeit.7 Im Jahr 1811 lebten in Lauenbrück und Moorhaus gut 280 Menschen, 1905 fast 570, 1939 etwa 740, 1945 rund 1.610 und 2019 fast 2.400.

Kirche, Ansicht von Südwesten, 2020, Foto: Wolfram Kändler, CC BY-SA 3.0 de

Kirche, Ansicht von Südwesten, 2020, Foto: Wolfram Kändler, CC BY-SA 3.0 de

Bis hinein in die zweite Hälfte des 20. Jh. war die Lauenbrücker Bevölkerung nach Scheeßel eingepfarrt. Allerdings besaß das Schloss Lauenbrück eine eigene Kapelle, nachweislich seit 1590. Hier hielten wohl anfangs die Pastoren aus Tostedt und später die aus Scheeßel einige Male im Jahr Gottesdienst.8 Die Burg- bzw. Schlossgebäude brannten Mitte des 18. Jh. nach einem Blitzeinschlag ab; die Kapelle wurde 1819 abgebrochen.9 Mitte des 19. Jh. war die kirchliche Zugehörigkeit anscheinend umstritten und ein 1871 geschlossener Vergleich verbriefte, dass sowohl Dorf- als auch Gutsgemeinde Lauenbrück nach Scheeßel eingepfarrt seien.10
Schon Anfang des 20. Jh. bemühten sich die Gemeinde Lauenbrück und Gutsherr Adolf Graf von Bothmer um den Bau einer eigenen Kirche; allerdings sprach sich der KV Scheeßel gegen das Vorhaben aus.11 Die Lauenbrücker setzten ihre Bemühungen fort. Gf. von Bothmer führte 1912 aus, dass die mangelnde kirchliche Versorgung des Dorfes „schlimme Folgen“ habe: „Die übertriebenen Tanzfeierlichkeiten, die wüsten Trinkgelage, Messerstechereien und Schlägereien, das nächtliche Herumtreiben der jungen Burschen und Mädchen, die damit zusammenhängende Zunahme der unehelichen Geburten, das Zunehmen der Sozialdemokratie, ja selbst im letzten Jahr zwei Brandstiftungen sind die Folgen dieser Zurückdrängung der Kirchlichkeit.“12 und im Sommer 1914 genehmigte das Konsistorium in Stade Entwürfe für eine Kirche mit 280 Sitzplätzen. Der Beginn des Ersten Weltkrieges verhinderte die Verwirklichung des Kirchenbaus. Der KV Scheeßel stimmte 1917 zu, dass alle zwei Wochen ein Gottesdienst in Lauenbrück stattfinden solle.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wuchs die Einwohnerzahl Lauenbrücks aufgrund des Zuzugs Geflüchteter stark an und in den 1950er Jahren wurde das Kirchenbauprojekt wieder aufgegriffen. In einem Schreiben an das LKA Hannover erläuterte der KV Scheeßel, dass Lauenbrück sich aufgrund des Gutes und aufgrund des Bahnhofs von den übrigen Kirchspieldörfern unterscheide und schon seit längerem „als ausgesprochen unkirchlich anzusprechen“ sei.13 Seit 1952 allerdings lade P. Hans-Joachim Pulmer (amt. 1952–1958) alle zwei Wochen zu einem Gottesdienst ein und statt der 10 bis 12 Lauenbrücker in der Scheeßeler Kirche fänden sich nun regelmäßig 150 bis 200 Gemeindeglieder ein.14 Die Bitte um eine Baubeihilfe des LKA wiederholte der KV Scheeßel 1954 und 1955.15
1955 schließlich konnte die Gemeinde die Grundsteinlegung feiern und zwei Jahre später die Einweihung. Die Kirche, erbaut nach Plänen der Bremer Architekten Eberhard Gildemeister, erhielt den Namen Martin Luther. 1964 errichtete das Landeskirchenamt eine Pfarrvikarstelle mit Sitz in Lauenbrück.16 Nach dem Bau des Pfarrhauses 1965 zog mit P. Dieter Baden (amt. 1965–1977), Inhaber der dritten Scheeßeler Pfarrstelle, erstmals ein Pastor nach Lauenbrück. Nach der Visitation 1967 merkte der Sup. des KK Rotenburg an, angesichts der rührigen Gemeindearbeit sei es nun Zeit, an die kirchliche Verselbständigung Lauenbrücks zu denken.17 Zum 1. April 1970 schließlich gründete sich die „Ev.-luth. Martin-Luther-Kirchengemeinde Lauenbrück“ und übernahm die dritte Pfarrstelle der Muttergemeinde Scheeßel.18 Nach der ersten Visitation der Gemeinde resümierte der Sup., der Schritt in die Eigenständigkeit habe sich „als gut erwiesen“.19 Als schwierigstes Problem der KG Lauenbrück sah er die Einbindung der Berufspendler in das gemeindliche Leben an.
Seit 2008 trägt die Martin-Luther-Kirche das Signet „Verlässlich geöffnete Kirche“. Im Jahr 2019 startete die KG das Projekt „Kirche für löwenstarke Kinder“, um spendenfinanzierte Arbeit mit Kindern in der Gemeinde zu etablieren (u. a. Mitfinanzierung einer Diakoninnenstelle).

Umfang

Lauenbrück sowie Helvesiek, Stemmen, Appel, Griemshop, Hunhorn und Rehr. Seit 1972 auch Riepe (vorher KG Fintel).20

Aufsichtsbezirk

Mit Gründung der KG 1970 zum KK Rotenburg.

Kirchenbau
Kirche, Ansicht von Südosten, Foto: Ernst Witt, Hannover, September 1960

Kirche, Ansicht von Südosten, Foto: Ernst Witt, Hannover, September 1960

Hell geschlämmter, rechteckiger Backsteinbau, leicht nordnordwestlich ausgerichtet, erbaut 1955–57 (Architekt: Eberhard Gildemeister, Bremen). Westlich schließen sich Gemeinderäume und Pfarrhaus an. Satteldach; in der dreieckigen Südfassade (Dachschrägen bis zum Boden verlängert) Portal mit Vordach, darüber Rundfenster mit Kreuz; rechteckige Fenster in den Längswänden; Westfassade mit zwei Reihen von jeweils drei Rechteckfenstern, darüber Christusmonogramm (Backsteinornament). Im Innern rotverklinkerte Wände und weißes, holzverschaltes Spitztonnengewölbe auf seitlichen Konsolen; Südempore; im Nordwesten zwei rundbogige Arkaden zum Gemeindesaal, in Nordwand rundbogige Tür zur Sakristei.

Turm

Hölzerner, offener Dachreiter in Form eines Kegelstumpfes, hoher, kupfergedeckter Helm, bekrönt mit Kugel und Wetterhahn.

Ausstattung

Blockaltar mit gemauertem Stipes und Mensa aus Holz. – Hölzernes Altarretabel (17. Jh., Gemälde dat. 1671,), architektonischer Aufbau, im Hauptfeld Gemälde mit Kreuzigungsszene, flankiert von gedrehten Säulen, im Aufsatz Gemälde des auferstandenen Christus, flankiert von zwei gedrehten Säulen, Inschrift: „Gott fähret auf mit Jauchtzen“, darüber gesprengter Segmentbogengiebel; in der Predella Abendmahlsbild, links und rechts die Einsetzungsworte des Abendmahls; Altar der 1755 abgebrochenen Kirche in Scheeßel, 1955 Altarteile bei Renovierungsarbeiten gefunden, Gemälde hingen seinerzeit in Sakristei, Altar rekonstruiert.21 – Taufständer mit flachem, achtseitigem Becken, aus Scheeßel.22 – Leicht erhöhte, hölzerne Kanzel.

Orgel

Zunächst Harmonium, bald durch Elektronenorgel ersetzt (Firma Ahlborn).23 Neue Orgel erbaut 1970 von Klaus Becker (Kupfermühle) , 10 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen. 1997 Änderung der Disposition.24

Geläut

Zwei LG, I: e’’, Inschrift: „Land, Land, Land, höre des Herrn Wort“; II: g’’, Inschrift: „Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben“ (beide Bronze, Gj. 1956, F. Otto, Bremen-Hemelingen). – Früherer Bestand: Die 1819 abgebrochene Kapelle besaß zwei LG (I: Bronze, Gj. 1630, Inschrift: „M. Heinrich Meyer, Hannover 1630“; II: Bronze), die sich 1958 im Spritzenhaus bzw. auf dem Bothmerschen Gut befanden.25

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. 1965), westlich an das Gemeindehaus anschließend. – Gemeindehaus (Bj. 1957, 1972 erweitert, 1990/91 erweitert, seit 1997 mit Photovoltaikanlage), westlich an die Kirche anschließend.

Friedhof

Kommunaler Friedhof in Lauenbrück, angelegt 1912. Kommunaler Friedhof in Stemmen, angelegt 1922, FKap (Bj. 1970). Kommunaler Friedhof in Helvesiek, angelegt 1924, FKap (Bj. 1974).

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 5 Nr. 786 (Spec. Landeskons.); D 61 (EphA Rotenburg); E 9 (Amt für Bau- und Kunstpflege); L 5g Nr. 221, 799 (LSuptur. Stade); S 9 rep Nr. 1549 (Presseausschnittsammlung) .

Literatur

A: Heyken, Kirchen II, S. 69–72.
B: 600 Jahre Lauenbrück (= Rotenburger Schriften, Sonderheft 1), hrsg. vom Heimatbund Rotenburg/Wümme, Kreisvereinigung für Heimat- und Kulturpflege, Rotenburg 1958, darin u. a.: Hinrich Meyer: Aus der Geschichte Lauenbrücks, S. 5–15, Friedrich Peters: Unsere Kirche, S. 43–53 [auf der Website der Gemeinde Lauenbrück ist ein Digitalisat des Bandes verfügbar, 02.12.2020]; Chronik der Gemeinde Lauenbrück, hrsg. von der Gemeinde Lauenbrück, Lauenbrück 1985, bes. S. 98–109; Chronik Kirchspiel Scheeßel, hrsg. von der Gemeinde Scheeßel, Rotenburg 1997, bes. S. 478–512; Claus Stamann: Das Schlosslehen Lauenbrück, die Herren von Bothmer, das Gut, das Dorf und die Bewohner, Walsrode 2012; Gudrun Siebel: Strom vom Kirchendach. Ein Schritt vom Reden zum Handeln. Ein Pilotprojekt der ev.-luth. Martin-Luther-Kirchengemeinde Lauenbrück, unterstützt von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt Osnabrück, Sittensen 1997.

GND

16099236-9, Evangelisch-Lutherische Martin-Luther-Kirchengemeinde (Lauenbrück)

Weitere Bilder

Fußnoten

  1. Sudendorf, UB III, Nr. 67. Vgl. auch UB Verden II, Nr. 583 und 584.
  2. Sudendorf, UB III, Nr. 99.
  3. Stamann, S. 277 f. Das Gut befindet sich bis heute im Besitz der Familie.
  4. Stamann, S. 78. Hochgerichtsbarkeit 1821, Niedergerichtsbarkeit 1825.
  5. Gut und Dorf wurden 1849 vereinigt, 1860 wieder getrennt und 1928 erneut vereinigt, Stamann, S. 239 ff.
  6. LkAH, L 5g, Nr. 221 (Visitation 1973).
  7. Siebel, S. 5.
  8. 600 Jahre, S. 12; Chronik Lauenbrück, S. 100.
  9. Chronik Scheeßel, S. 486.
  10. Chronik Lauenbrück, S. 101; Chronik Scheeßel, S. 487.
  11. Zum Folgenden: Chronik Lauenbrück, S. 101 ff.
  12. Zit. in Chronik Lauenbrück, S. 102.
  13. LkAH, B 2 G 9/Lauenbrück Bd. I, Bl. 1 f. (KV an LKA Hannover, 27.08.1953).
  14. 600 Jahre, S. 45; LkAH, L 5g, Nr. 286 (Visitation 1955). Die Gottesdienste fanden anfangs als Waldgottesdienste beim Friedhof oder in der Schule statt, später in einem Gasthaussaal.
  15. LkAH, B 2 G 9/Lauenbrück Bd. I, Bl. 7 f. (KV an LKA Hannover, 01.06.1954); ebd., Bl. 10 f. (KV an LSup. Verden-Hoya, 22.02.1955).
  16. KABl. 1964, S. 117.
  17. LkAH, L 5g, Nr. 287 (Visitation 1967).
  18. KABl. 1970, S. 9.
  19. LkAH, L 5g, Nr. 221 (Visitation 1973).
  20. KABl. 1972, S. 5.
  21. 600 Jahre, S. 51; Heyken, Kirchen II, S. 71 (auch in: Chronik Lauenbrück, S. 105).
  22. Heyken, Kirchen II, S. 71
  23. LKA, G 9 B/Lauenbrück Bd. I, Bl. 9 und 26.
  24. Siehe: https://www.orgel-information.de/Orgeln/l/la-le/Lauenbrueck_Martin-Luther-Kirche.html, 02.12.2020.
  25. 600 Jahre, S. 44.