Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Hildesheimer Land-Alfeld, Amtsbereich Alfeld | Patrozinium: – | KO: Braunschweigische KO von 1709

Orts- und Kirchengeschichte

Grünenplan (heute Ortsteil des Fleckens Delligsen) entstand als Arbeitersiedlung am Standort der Spiegelglashütte, die Karl I., Hzg. von Braunschweig und Lüneburg sowie Fs. von Braunschweig-Wolfenbüttel, 1744 hatte einrichten lassen. Den Aufbau dieser ersten planmäßig angelegten Arbeitersiedlung in Niedersachsen leitete in den Jahren von 1748 bis 1755 der herzogliche Oberjägermeister Johann Georg von Langen. Auf der Gemarkung lag früher ein Dorf Ackenhausen mit einer 1654 bereits als wüst bezeichneten Kapelle (St. Laurentius)1 sowie bis etwa 1717 eine Glashütte der Familie Seidensticker. Grünenplan gehörte zum Gebiet des Amtes Greene im Fsm. Braunschweig-Wolfenbüttel, bis 1807 bestand zudem ein eigenes Hüttengericht Grünenplan. In der napoleonischen Zeit gehörte der Ort von 1807 bis 1813 zum Kanton Delligsen im Distrikt Einbeck des Departements Leine im Kgr. Westphalen. Seit 1814 gehörte Grünenplan zum Amt Greene im Hzm. Braunschweig, seit 1825 zum Amt Eschershausen und seit 1850 zur Kreisdirektion bzw. zum Lkr. Holzminden. Der Lkr. kam im Tausch gegen den Lkr. Goslar 1941 vom Land Braunschweig an die preußische Provinz Hannover. 1974 wurde Grünenplan nach Delligsen eingemeindet. Bestimmend für die Ortsentwicklung war die Entwicklung der Spiegelglashütte, seit 1871 Deutsche Spiegelglas AG (DESAG), heute Teil der Schott AG. Das junge Grünenplan erlebte seine erste Krise 1785/89 als die Hüttenpächter Gebrüder Amelung mit einem großen Teil der Glasmacher den Ort verließen und die Glashütte verfiel. 1825 übernahm der spätere Bergrat Carl Friedrich Ludwig Koch die Hütte und erwarb sie 1830 zusammen mit seinem Schwiegervater Johannes Bippart. Grünenplan blieb auch nach dem Zweiten Weltkrieg trotz der starken Zuwanderung von Geflüchteten v. a. aus Schlesien eine ausgesprochene Industriegemeinde. 1810 hatte Grünenplan gut 700 Einwohner, 1827 über 1.000 und 2013 etwa 2.400.

Kirche, Ansicht von Nordosten, um 1960

Kirche, Ansicht von Nordosten, um 1960

Die ev.-luth. Einwohner von Grünenplan waren zunächst in die KG Delligsen (Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig) eingepfarrt. Den Bau einer Kirche sah zwar schon der 1749/50 entworfene Ortsplan vor.2 Entwürfe des Zimmermeisters Heinrich Christof Allruth (Fachwerkkirche mit Schulhaus, 1768) und des Oberförsters Grotrian aus Holzminden (Massivbau bzw. Holzkirche, 1780) fanden aber keine Unterstützung. Mit dem Aufschwung der Spiegelfabrik seit Anfang des 19. Jh. setzten auch die Bemühungen um eine eigene Kirche wieder ein, die braunschweigische Regierung lehnte die Pläne jedoch ab und empfahl 1823, die Grünenplaner Bevölkerungszahl beim Neubau der Kirche in Delligsen zu berücksichtigen. Diese Lösung stieß in Grünenplan, dessen Einwohner im gleichen Jahr ihre Beteiligung an der Finanzierung der Glocken für die Kirche in Delligsen verweigerten, auf lebhaften Widerstand. Bergrat Koch entschied sich schließlich für den Bau der Kirche aus Eigenmitteln innerhalb seines Gutsparks. Letzten Anstoß gab wohl eine Amerikareise Kochs (1850). Als Vorbild der Grünenplaner Kirche kann möglicherweise die St.-Pauls-Kirche in Frankenlust (Michigan) gelten, an der sein Schwiegersohn seit 1848 Pastor war.3 Im Juli 1851 ließ Koch den Grundstein legen, erlebt die Fertigstellung der Kirche jedoch nicht mehr, da er 1852 starb. Am 10. August 1856 konnte der Greener Sup. Christoph Andreas Karl Ilse die Kirche einweihen. Unter der Voraussetzung, dass sie Pfarrkirche einer eigenständigen luth. Kirchengemeinde würde, übertrug Auguste Koch, Witwe des Bergrats, die Kirche am gleichen Tag an das Konsistorium. Anfang 1862 richtete das Konsistorium schließlich das Pfarramt Grünenplan ein und P. Carl Friedrich Adalbert Hartmann (amt. 1862–1879) übernahm die neue Stelle. Im gleichen Jahr begann der Bau des Pfarrhauses; das Grundstück hatte wiederum die Familie Koch gestiftet. P. Hartmann heiratete mit Nanny Bippart 1863 eine Angehörige der Stifterfamilie.
1908 wurde in Grünenplan ein Zweigverein des Ev. Bundes gegründet, im Aug. 1914 eine ev. Frauenhilfe. Ein ev. Jünglingsverein scheint nur kurz bestanden zu haben. Spannungen traten nach dem Ersten Weltkrieg zwischen dem konservativen P. Ludwig Ernesti (amt. 1911–1923) und der Arbeiterschaft sowie dem mehrheitlich sozialistischen Gemeinderat der politischen Gemeinde auf. Die Kirchenchronik erwähnt regelmässig Diskussionen und Auseinandersetzungen mit örtlichen Freidenkern. Nach Einführung der Landeskirchensteuer 1922 traten 69 Grünenplaner aus der Kirche aus, „zumeist der Abschaum des Ortes“, wie P. Ernesti abfällig notierte.4 Nach der Wahl zum KV 1923 setzte sich das Gremium aus sieben Vertretern der „Unpolitischen Liste“ und neun der „Sozialistischen Liste“ zusammen.5 P. Georg Althaus (amt. 1927–1933) musste die Grünenplaner Pfarrstelle verlassen, nachdem er sich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten für verfolgte Sozialdemokraten eingesetzt hatte.6 Seit der Kirchenwahl 1933 saßen „jüngere, der Partei [NSDAP] angehörige Personen“7 im KV. P. Johann Heinrich Wicke (amt. 1935–1943) wurde 1937 aus der SA ausgeschlossen. Die führenden Nationalsozialisten am Ort traten 1938 aus der Kirche aus.8 Bei der ersten Visitation der Gemeinde nach dem Wechsel zur Landeskirche Hannovers merkte der Visitator 1950 an: „Die Arbeitergemeinde Grünenplan ist stark durchsetzt von Freidenkern und ehemaligen Nationalsozialisten.“9 Ein gutes Jahrzehnt später zeigte sich der Sup. zufrieden mit der Entwicklung: in der „sehr stark von Industriearbeitern durchsetzten Gemeinde“ sei ein „verhältnismäßig gutes kirchliches Leben“ enstanden.10
Das alte Pfarrhaus verkaufte die Gemeinde 1964 an die Deutsche Spiegelglas AG (DESAG) und ließ einen Neubau mit Gemeinderäumen errichten. 1987 erwarb die KG ein ehemaliges Glasbläserhaus und baute es bis 1989 zum Gemeindehaus um. Bereits 1987 gründeten die KG Grünenplan und Eschershausen sowie die kath. Gemeinde Eschershausen und die politische Gemeinde Delligsen eine gemeinsame Sozialstation. Anfang der 1990er Jahre beeinträchtigten Konflikte zwischen Pfarramt und KV das Gemeindeleben. Seit 2003 fördert die „Kirchenstiftung miteinander füreinander“ die Arbeit der Kirchengemeinden im ehemaligen KK Alfeld.

Aufsichtsbezirk

Bei Errichtung der KG zur Insp. Stadtoldendorf der Braunschweigischen Landeskirche. Nach deren Aufhebung im April 1914 zur Insp. Halle, Sitz der Suptur seit 1920 in Heyen. 1935 zur neuen Propstei Eschershausen mit Sitz in Bisperode. Mit dieser am 1. Oktober 1942 in die hannoversche Landeskirche umgegliedert (KK Eschershausen)11, am 1. April 1943 aus dem KK Eschershausen in den KK Alfeld.12 Seit 1. Januar 2011 KK Hildesheimer Land-Alfeld, Amtsbereich Alfeld.13

Patronat

Der Landesherr (bis 1871). Auguste Koch verzichtete bei der Abtretung des Kirchengebäudes auf das angebotene Patronat.

Kirchenbau
Kirche, Blick zum Altar, um 1960

Kirche, Blick zum Altar, um 1960

Rechteckiger Backsteinbau auf Sockel aus Bruchsteinquadern, niedrigerer, leicht eingezogener, polygonaler Chor im Westen, erbaut 1851–56 (Bauleitung seit 1852 Prof. Alburg, Braunschweig). Satteldach, Walmdach über Chor, hohe Spitzbogenfenster, hervortretende Strebepfeiler. Im Innern Kreuzgratgewölbe, Westempore. Renovierung 1916 (Sakristei eingebaut), 1919 Neuausmalung (u. a. Wand hinter Altar von Maler Kostmann, Braunschweig, gestaltet).14 Renovierung 1961/62 (Sakristei entfernt, Kanzel niedriger, Schalldeckel entfernt, neuer Altar, helle Ausmalung). Renovierung 1985.

Turm

Dachreiter im Osten, über die Fassade hinauskragend, verschieferter Helm. Ursprünglicher Turm durch Blitzeinschlag zerstört, in verkleinerter Form wieder aufgebaut.15

Ausstattung

Sandsteinaltar (1962, vorher Holzaltar). – Sandsteintaufe (1856). – Altarkreuz aus farbigem Glas. – Geschnitzte Kanzel (1856, Eichenholz).

Orgel

Auf der Empore über dem Eingang; 1875/76 Neubau durch Heinrich Faber (Salzhemmendorf), 8 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen. 1917 Prospektpfeifen zu Kriegszwecken abgegeben. 1956 Renovierung und Einbau neuer Prospektpfeifen durch Orgelbaumeister Lothar Wetzel (Hannover). Weitere Überholung 1982/83 (Firma Ott, Göttingen) und 2010.

Geläut

Zwei LG, I: cis’’, Inschriften: „Ehre sei Gott in der Höhe!“, „Den gefallenen, vermissten und heimgekehrten Vätern, Brüdern und Söhnen“, „Ich wurde im Jahre 1952 gegossen, um Gottes Lob zu verkünden“ (Eisenguss, Gj. 1952, J. F. Weule, Bockenem); II: e’’ (Bronze, Gj. 1913, Firma Schilling, Apolda). Zwei SG, I: a’’; II: c’’’ (beide Bronze, Gj. um 1900). Eine LG im Glockenturm vor Gemeindehaus, Betglocke, (Bronze, Gj. 1781, Johann Conrad Grete, Braunschweig)16, Anfang der 1860er Jahre von Familie Koch gestiftet, zunächst in Glockenstuhl bei Schule. – Früherer Bestand: Eine Lg, c’’, Inschrift: „Ein feste Burg ist unser Gott“ (Bronze, Gj. 1913, Firma Schilling, Apolda), 1917 zu Kriegszwecken abgegeben. Eine Lg (Bronze, Firma Wicke, Braunschweig) 1921 gekauft, zuvor in der Kirche von Groß-Brunsrode bei Fallersleben, im Zweiten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben.17

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. 1964, zweigeschossiger Massivbau; Vorgängerbau, Bj. 1862/63, 1964 verkauft). – Gemeindehaus (Bj. 1766, zweistöckiger Fachwerkbau mit Satteldach, ehemaliges Glasbläserhaus, 1987 gekauft, bis 1989 zu Gemeindehaus umgebaut, davor hölzerner Glockenstuhl mit LG).

Friedhof

Alter Friedhof in Eigentum der KG, 1918 erweitert. Neuer Friedhof Eigentum der politischen Gemeinde, FKap (Bj. 1949).

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 12f Spec.Grü 145Digitalisat(Visitation); D 43 (EphA Alfeld); S 11a Nr. 7139 (Findbuch PfA).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1815
Trauungen: ab 1815
Begräbnisse: ab 1815
Kommunikanten: ab 1794 (Lücken: 1890–1917)
Konfirmationen: ab 1815

Früher in den Kirchenbüchern von Dellingsen.

Literatur

A: Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 575; Kleinau, Ortsverzeichnis Land Braunschweig I, S. 233; Steinacker, BKD Kr. Holzminden, S. 276–277.
B: 125 Jahre Kirche in Grünenplan, hrsg. von Erich Hinterthür u. a., Alfeld [1981]; 150 Jahre Kirche in Grünenplan, hrsg. von Anna Bertram u. a., [Grünenplan 2006]; Horst Nolte: Die Grünenplaner Kirche, in: 250 Jahre Grünenplan. Beiträge zur Ortsgeschichte, hrsg. von der Ortschaft Grünenplan, Alfeld 1994, S. 79–98; Lore Wegener: Geschichte der Delligser Kirche mit ihren früheren Filialen Grünenplan, Hohenbüchen, Kaierde und Varrigsen, in: Geschichte der Delligser Kirche, hrsg. von der Kirchengemeinde Delligsen, Delligsen 1990, S. 51–142, bes. S. 115–121.

GND

16079895-4, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde (Grünenplan).


Fußnoten

  1. Kleinau, Ortsverzeichnis Land Braunschweig I, S. 4.
  2. Vgl. zum Folgenden 125 Jahre, S. 6 ff.; Wegener, S. 115 ff.
  3. Wegener, S. 120.
  4. 125 Jahre, S. 91.
  5. 125 Jahre, S. 94.
  6. 150 Jahre, S. 11.
  7. 150 Jahre, S. 56.
  8. 150 Jahre, S. 69 und 78.
  9. LkAH, L 5h, unverz., Grünenplan, Visitation 1950.
  10. LkAH, L 5h, unverz., Grünenplan, Visitation 1962.
  11. KABl. 1943, S. 1 ff.
  12. KABl. 1944, S. 7.
  13. KABl. 2011, S. 70 ff.
  14. 125 Jahre, S. 80 f.
  15. Bei Nolte, S. 89 Gemälde abgebildet, das den ursprünglichen Zustand zeigt.
  16. Steinacker, BKD Kr. Holzminden, S. 277.
  17. 125 Jahre, S. 89 f.