Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Peine | Patrozinium: Heilig Geist (seit 2005) | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Das Dorf Groß Bülten entstand wohl als fränkische Siedlung im Zuge der Christianisierung des Fuhsetals. Es wird 1131 in einer (gefälschten) Urkunde Lothars III. für das Kloster Riechenberg bei Goslar erstmals erwähnt1, in den mittelalterlichen Quellen wird der Ort auch Sutbultem (Südbülten) genannt. Seit 1971 ist Groß Bülten OT der Gemeinde Ilsede. Der Zuzug von Berg- und Hüttenarbeitern nach der Gründung der Ilseder Hütte (1858) ließ die Bevölkerung des Ortes schnell stark wachsen: 1858 lag die Einwohnerzahl bei 320, 1895 bei knapp 730, 1905 bei gut 1.200 und 1961 bei knapp 2.200. Groß Bülten hatte sich zu einer Industriegemeinde entwickelt, die fast ausschließlich vom Betrieb der Hütte abhängig war. Die Ilseder Hütte wurde 1983/95 geschlossen, 2016 hatte der Ort knapp 1.400 Einwohner.

Kirche, Ansicht von Südwesten

Kirche, Ansicht von Südwesten

Kirchlich gehörte Groß Bülten bis 1903 zu Groß Solschen. Seit der ersten Hälfte des 13. Jh. besaß der Ort eine Kapelle, die vermutlich St. Martin von Tours geweiht war, Details zu ihrer Geschichte sind jedoch nicht bekannt. Die kirchliche Verselbständigung war eine Folge der Industrialisierung und des Bevölkerungszuwachses seit Mitte des 19. Jh. Auf Drängen der Bezirkssynode der Insp. Groß Solschen wurde 1899 – gegen den Widerstand des KV Groß Solschen, der zusätzliche finanzielle Belastungen fürchtete, – eine ständige Pfarrkollaboratur für Groß Bülten errichtet.2 Das Landeskonsistorium setzte sich kurze Zeit später für die Verselbständigung der Gemeinde ein und am 1. September 1903 wurde der Parochialverband zwischen der KapG Groß Bülten und der KG Groß Solschen aufgelöst. Groß Bülten wurde eigenständige KG und die ständige Pfarrkollaboratur wurde in eine Pfarrstelle umgewandelt.3 Die Ilseder Hütte hatte sich zum Bau von Pfarrhaus und Kirche verpflichtet. Sie erwarb eine ehemalige Hofanlage, ließ das zweigeschossige Fachwerkwohnhaus zum Pfarrhaus umbauen und errichtete auf dem Gelände der abgerissenen Stallungen die neue Kirche. Im Oktober 1905 schenkte sie Grundstück und Gebäude der KG. Die alte Kapelle wurde 1904–06 abgebrochen. Die KG besaß zudem ein Küsterhaus (Bj. 1861, Fachwerk), das 1967 zum Gemeindehaus umgebaut wurde.

ehem. Kapelle, 1904 abgebrochen, Ansicht von Südosten

Ehemalige Kapelle, 1904 abgebrochen, Ansicht von Südosten

Der erste Pastor der Gemeinde, Theodor Blome (amt. 1903–1935), blieb bis zu seiner Emeritierung in Groß Bülten. Sein Nachfolger P. Werner Albers (amt. 1936–1954) charakterisierte Groß Bülten für die ersten Jahrzehnte des 20. Jh. rückblickend als „Industriegemeinde“, in der „der Sozialismus in marxistischer Prägung die massgebende Weltanschauung“ war. „Das kirchliche Leben wurde dadurch nicht gefördert“, konstatierte er.4 Die Mitglieder des 1933 gewählten KV gehörten alle der NSDAP an, P. Blome stand anfangs den DC nahe. Bei der Neubesetzung der Pfarrstelle 1935 waren Kommune und KV um die Berufung eines DC-Pfarrers oder eines Mitglieds der NSDAP bemüht. Der berufene P. Albers war zwar Mitglied der SA5, gehörte aber kurzzeitig auch der BK an und schätzte sich selbst rückblickend als unpolitisch ein.6 Besonders im Bereich der Jugendarbeit geriet P. Albers wiederholt in Konflikt mit HJ und NSDAP.7 Die Mitglieder des 1933 gewählten KV traten mit der Zeit zurück und wurden durch berufene Mitglieder ersetzt. 1937 wurden der KG die in Groß Bülten bis dahin üblichen Zuschüsse der Kommune zum Haushalt gestrichen, die ev. Volksschule wurde 1942/43 in eine Gemeinschaftsschule umgewandelt. Der Gottesdienstbesuch stieg nach Ende des Zweiten Weltkrieges an, war jedoch bald wieder rückläufig. Pläne zum Bau eines kirchlichen Kindergartens Ende der 1950er Jahre konnten zunächst nicht verwirklicht werden.8 Der in den 1970er Jahren eingerichtete ev. Kindergarten Regenbogenland in Groß Bülten wurde 2014 geschlossen.

Kirche, Blick zum Altar

Kirche, Blick zum Altar

Zum 1. Februar 1994 wurden die KG Groß Bülten und die Pancratii-KG Solschen mit der Trinitatis-KG Ölsburg pfarramtlich verbunden.9 Diese Verbindung wurde zum 1. April 1997 wieder aufgehoben. Seitdem ist die KG Groß Bülten pfarramtlich mit der Pancratii-KG Solschen verbunden, Sitz des Pfarramts ist Solschen.10 Die KG wählt weiterhin einen eigenen KV. Anlässlich der 100-Jahrfeier der KG erhielt die Kirche 2005 den Namen Heilig-Geist Kirche. Das Gemeindehaus wurde 2005 verkauft, das Pfarrhaus 2012.

Umfang

Nur die politische Gemeinde bzw. der OT Groß Bülten.

Aufsichtsbezirk

Mit Errichtung der KG zur Insp. (1924: KK) Groß Solschen, zum 1. Oktober 1965 umbenannt in KK Ölsburg.11 Dieser KK ging zum 1. Januar 1999 im KK Peine auf.12

Kirchenbau

Romanisierender Bau mit Mittel- und südlichem Seitenschiff aus gefugten Bruchsteinen, mit Eckquaderung, 1905 vollendet; 5/8-Chorabschluss, Sakristeianbau im Nordosten, Turm an Südwestecke. Innen ursprünglich reich ausgemalt; flache Balkendecke sowie Emporen an West- und Südwand. Bei neuer Innenausmalung 1936 wurden Malereien, abgesehen vom Sternenhimmel im Altarraum, übermalt, 1955 auch dieser übertüncht. 1978–80 grundlegende Renovierung: Kirchenraum verkleinert, indem der Bereich unter den Emporen mit Glaswänden abgetrennt wurde, zudem Malereien teilweise wieder freigelegt (Fenster Nordwand, Himmel im Altarraum). 1988 Außensanierung.

Turm

Westturm unter Satteldach, seitlich versetzt zur Raumachse.

Ehemalige Kapelle, 1904 abgebrochen, Grundriss, H. Siebern, Hannover, 1904

Ehemalige Kapelle, 1904 abgebrochen, Grundriss, H. Siebern, Hannover, 1904

Vorgängerkapelle

Die ehemalige Kapelle stand etwa 100 Meter östlich der Kirche. Rechteckiger Bruchsteinsaalbau (etwa erste Hälfte 13. Jh.) mit einem wohl um 1400 angebauten eingezogenen Rechteckchor und quadratischem Westturm; Turm 1904 abgetragen und Material für Fundament der neuen Kirche verwendet, Rest 1906 abgebrochen. Beim Abbruch wurden Malereien entdeckt, die vermutlich aus der ersten Hälfte des 13. Jh. stammten. In der Kapelle befand sich das 1690 erworbene Erbbegräbnis des Majors von Bessel.

Ausstattung

Altarmensa aus Sandstein, hölzerner Aufsatz mit Kruzifix (1905). – Hölzerne Kanzel auf Sandsteinsäule (1905, Säule 1980 gekürzt, Kanzel leicht versetzt). – Taufe aus Sandstein mit Messingschale (1905). – Zwölfeckiger Leuchter im Kirchenschiff (1980).

Kirche, Blick zur Orgel, 1974

Kirche, Blick zur Orgel, 1974

Orgel

1905 Neubau durch P. Furtwängler & Hammer (Hannover), 10 II/P, pneumatische Traktur, Kegelladen. 1936 elektrisches Gebläse. 1962 Instandsetzung durch Firma Schmidt & Thiemann (Hannover). 1993 Neubau des Werks hinter dem Prospekt von 1905 durch Friedrich Schmidt (Hannover), 16 II/P. Die ehemalige Kapelle hatte keine Orgel.

Geläut

Drei LG, I: f’ (Eisenguss, Gj. 1946, Firma Weule, Bockenem, Inschrift: O Land, Land höre); II: as’ (Bronze, Gj. 1927, Firma J. J. Radler, Hildesheim); III: b’ (Eisenguss, Gj. 1946, Firma Weule, Bockenem, Inschrift: Ehre sei Gott in der Höhe). – Früherer Bestand: Zur Einweihung erhielt die Kirche zwei Bronzeglocken, eine wurde im Ersten Weltkrig eingeschmolzen, das Material der zweiten 1927 beim Guss zweier neuer Glocken mitverwendet. 1942 wiederum Abgabe einer Glocke.

Friedhof

Kommunaler Friedhof an der Angerstraße/Klosterstraße. FKap (Anfang 20. Jh. gebaut, Anfang 1970er Jahre an Kommune).

Liste der Pastoren (bis 1940)

1903–1935 Johannes Heinrich Otto Theodor Blome. – 1935– Werner Christfried Albers.

Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 354

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 5 Nr. 818 (Spec. Landeskonsistorium); A 6 Nr. 2888–2889 (Pfarrbestallungsakten); A 9 Nr. 356Digitalisat (Visitationen); D 21 (EphA Ölsburg/Groß Solschen); S 1 H III Nr. 315 und Nr. 317 (Anhang) (Kirchenkampfdokumentation); S 11a Nr. 7849 (Findbuch PfA).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1903
Trauungen: ab 1903
Begräbnisse: ab 1903
Kommunikanten: ab 1903
Konfirmationen: ab 1904

Früher: siehe Groß Solschen.

Literatur

A: Ahrens, KK Ölsburg, S. 34–36; Boetticher, Ortsverzeichnis Lkr. Peine, S. 94–97; Jürgens u. a., KD Kr. Peine, S. 67–68; Meyer, Pastoren I, S. 354; Pape, Orgeln Kr. Peine, S. 17 f.; Rose, Kirchenkampf.

B: 75 Jahre – Kirche Groß Bülten, 1905–1980, [Bülten] 1980.

GND

7852310-2, Evangelische Heilig-Geist-Kirche, Groß Bülten.


Fußnoten

  1. MGH DD Lo III 128 [Digitalisat].
  2. KABl. 1899, S. 39.
  3. KABl. 1903, S. 41.
  4. Auszug aus der Pfarrchronik, in: LkAH, S 1 H III Nr. 317 (Anhang), S. 1152 f.
  5. LkAH, L 5h, unverz., Groß Bülten, Visitation 1937.
  6. LkAH, S 1 H III Nr. 315, Bl. 8.
  7. LkAH, S 1 H III Nr. 315, Bl. 16 ff.
  8. LkAH, B 2 G 9/Groß Bülten Bd. I, Bl. 44 ff.
  9. KABl. 1994, S. 71.
  10. KABl. 1997, S. 130.
  11. KABl. 1965, S. 258.
  12. KABl. 1998, S. 212.