Frühere Gemeinde | Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Leine-Solling | Patrozinium: – | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Das frühere Waldarbeiterdorf am Nordrand des Bramwalds entstand wohl Ende des 12. Jh. als Rodungssiedlung und wird 1470 als Vorstenhagen erstmals urkundlich erwähnt.1 Ein älterer Beleg von 1312 bezieht sich vermutlich auf Fürstenhagen bei Hofgeismar. Fürstenhagen war zeitweilig an die von Bardeleben verpfändet, kam 1654 zum Amt Münden des Fsm. Göttingen, 1833 an das Amt Uslar. Seit 1974 Ortsteil der Stadt Uslar.

Kirche, Ansicht von Nordwesten, Teilansicht, 1962

Kirche, Ansicht von Nordwesten, Teilansicht, 1962

Die Kirche war vielleicht grundherrschaftliche Eigenkirche auf dem Areal eines Herrenhofes und zunächst dem hessischen Heisebeck zugeordnet, dessen Kirche mit dem Dorf dem Haus Braunschweig verpfändet war. Da „die Dorfschaft […] keinen pharhern armuts halber erhalten kann“, wurde die seelsorgerliche Betreuung 1542 dem Abt zu Bursfelde übertragen.2 Landdrost Curd von Bardeleben betrieb die Verselbständigung der Gemeinde und setzte 1564 Volkmar Finger aus Brakel als ersten luth. P. ein (amt. bis 1606). Fürstenhagen war im Folgenden mater combinata von Offensen. 1588 fand eine Visitation für das Kloster Bursfelde mit seinen Tochtergemeinden Fürstenhagen und Offensen statt. 1607 wurde der von den Calvinisten aus Oedelsheim vertriebene Abraham Schenckelberg P. in Fürstenhagen. Der von 1842 bis 1852 amtierende P. Hieronymus Lüdecke soll ein unehelicher Sohn des westphälischen Kg. Jérôme Bonaparte gewesen sein. Bedeutend war auch P. Karl Wilhelm Hugo Adam, der der Arbeiterbewegung nahe stand und 1912 die Festrede auf dem Stiftungsfest des Sollinger Arbeitervereins hielt. Er pflegte Kontakte zum Provinzialverband der Ev. Arbeiter- und Arbeiterinnenvereine und gründete 1913 einen ev. Arbeiterverein in Offensen.
Die regimekritische Haltung der Gemeinde in NS-Zeit belegt die Berufung des Vikars Winfried Feldmann (1939), der früher zwar NSDAP-Mitglied gewesen war, 1938 aber den Treueeid auf Hitler verweigert hatte und sich nach seinem Austritt aus der Partei der BK angeschlossen hatte. Er wurde bereits wenige Monate nach seinem Amtsantritt zur Wehrmacht eingezogen und fiel 1942 in Russland.
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich P. Rauterberg für die Vereinigung mit zwei benachbarten ref. Gemeinden der Landeskirche von Kurhessen-Waldeck ein (um 1962), die das LKA aber aus konfessionspolitischen Gründen ablehnte.3 Mit dem 1. Januar 2009 wurden die KG Schoningen, Fürstenhagen und Offensen sowie die KapG Ahlbershausen und Verliehausen zur Ev.-luth. Vitus-KG Am Solling vereinigt.4

Umfang

Das Dorf Fürstenhagen.

Aufsichtsbezirk

Archidiakonat Northeim der Erzdiözese Mainz. – 1588/89 zur General- und Spezialinspektion Münden; bei deren Teilung 1742 zur Insp. Münden I. Teils, 1801 zur Insp. Dransfeld (ab 1804 mit Sitz an St. Johannis in Dransfeld). 1834 in die Insp. (1924: KK) Uslar umgegliedert. Der KK Uslar ging am 1. Januar 2001 im KK Leine-Solling auf.

Patronat

Ursprünglich vielleicht die von Bardeleben, später der Landesherr (bis 1871).

Kirchenbau
Kirche, Ansicht von Nordosten, 1970, Zeichnung von E. Kühlhorn

Kirche, Ansicht von Nordosten, 1970, Zeichnung von E. Kühlhorn

Das Kirchengebäude geht im Kern auf eine wehrhafte quadratische Kapelle (Turmkirche) aus Bruchsteinen mit aufgesetztem, ursprünglich zwei- oder dreistöckigem Speicherbau zum Lagern von Vorräten aus der ersten Hälfte des 13. Jh. zurück. Wohl vor 1564 wurde es um einen Fachwerkanbau nach Osten erweitert. Die ältesten Balken des Glockenstuhls werden auf 1421 datiert, die meisten Holzteile auf das Jahr 1654. Grundlegende Renovierungen 1774 und 1829. Der Innenraum wurde 1967 neu gestaltet (u. a. die Emporen entfernt). Nach zeitweiliger Sperrung wegen Einsturzgefahr (2001) 2007/08 erneut saniert.

Turm

Achtseitiger verschieferter Turmaufsatz mit Spitzhelm über dem Westgiebel.

Ausstattung

Schlichter Blockaltar; darüber ein Altarbild mit der Kreuzigung (1667).

Orgel

1919 Neubau einer Multiplexorgel durch Faber & Greve (Salzhemmendorf), 6 I/P, pneumatische Traktur, Schleifladen. 1962 Neubau durch Friedrich Weißenborn (Braunschweig), 5 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen, geteilte Schleifen. Die Pfeifen des Subbass 16’ im Pedal wurden aus der alten Orgel übernommen.

Geläut

Eine LG in f’’ (Bronze, Gj. 1860, Gebrüder See, Creuzburg/Thüringen). – Früherer Bestand: Auf Bitten der Gemeinde wurde 1620 vom Kloster Bursfelde eine Glocke ausgeliehen; 1631 kam es zu Auseinandersetzungen mit dem Abt von Bursfelde wegen ihrer Rückführung.5

Weitere kirchliche Gebäude

Das 1611 erbaute alte Pfarrhaus wurde 1745 durch einen Brand zerstört und anschließend erneuert. Heutiges Pfarrhaus (zweigeschossiges Fachwerkhaus, Ahornallee 3) von 1834. – Das ehemalige Pfarrwitwenhaus wurde 1896 verkauft.

Friedhof

Ursprünglich auf dem Kirchhof, 1828 an den heutigen Standort (dem damaligen Ortseingang) verlegt und 1887 erweitert. Zur Hälfte Eigentum der KG und der Kommune, war bereits 1946 in Verwaltung der Kommune und ging 1995 in die Trägerschaft der Stadt Uslar über.

Liste der Pastoren (bis 1940)

1564–1607 Volkmar Finger. – 1607–1615 Abraham Schenkelberg. – 1615–1619 Heinrich Dobertus. – 1619–1622 Joachim Meyer. – 1622–1623 Georg Belius. – 1623–1628 Magister Andreas Pfeiffer. – 1628–1671 Christian Ningling. – 1671–1677 Johannes Castenius. – 1677–1692 Heinrich Brauns. – 1693–1712 Andreas Schimpf. – 1713–1746 Christian Andreas Erich Lüdemann. – 1746–1753 Magister Otto Kaspar Creller. – 1753–1763 Friedrich Konrad Gilden. – 1763–1768 Friedrich Wilhelm Block. – 1768–1792 Johann Heinrich Gotthard von Einem. – 1793–1798 Heinrich Ludwig Böttcher. – 1798–1804 Georg Heinrich Jordan. – 1804–1818 Dietrich Georg Gottfried Hoffmann. – 1818–1826 Johann Christian Friedrich Ernst Bein. – 1827–1828 Heinrich Georg Ludwig Schmidt. – 1828–1834 August Ludwig Achmed Quantz. – 1834–1842 Johann August Rudolf Gollmart. – 1842–1852 Hieronymus Lüdecke. – 1852–1865 Heinrich David Ebeling. – 1866–1886 Friedrich Heinrich Harries. – 1888–1893 Friedrich Julius August Wilhelm Jatho. – 1893–1896 Ernst August Hermann Kahle. – 1897–1905 Albert Ferdinand Christian Ludwig Scharfe. – 1905–1911 Friedrich Wilhelm August Schierwater. – 1911–1922 Karl Wilhelm Hugo Adam. – 1923–1929 Fritz Maximilian Otto Uhde. – 1931–1937 Friedrich Georg Gottlieb Frerichs.

Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 297–298, ebd. III, S. 20

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 3488–3491 (Pfarroffizialsachen); A 5 Nr. 881 und 884 (Spec. Landeskons.); A 6 Nr. 2541–2557 (Pfarrbestallungsakten); A 9 Nr. 740Digitalisat, 741Digitalisat, 742Digitalisat, 743Digitalisat (Visitationen); D 45 a (EphA Hardegsen-Uslar). – NLA HA, Hann 81 Nr. 4914 (Übergang der Pfarrei Fürstenhagen mit Offensen und Bursfelde von der Insp. Dransfeld an die Insp. Uslar).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1639 (Lücken: 1648– Nov. 1651, 1665–1670, 1676, 1711–1745; unvollständig: 1753–1763)
Trauungen: ab 1639 (Lücken: 1648– Nov. 1651, 1665–1670, 1676, 1711–1745, 1753– Okt. 1763, 1763, 1822–1826)
Begräbnisse: ab 1639 (Lücken: 1648– Nov. 1651, 1665–1670, 1676, 1753– Juni 1763, 1823–1826)
Kommunikanten: ab 1827 (Lücken: 1942–1952; Zahlenregister: 1794–1806, 1942–1951)
Konfirmationen: ab 1775 (Lücken: 1869–1875)

Literatur

A: Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 482; Kämmerer/Lufen, Denkmaltopographie Lkr. Northeim, S. 343.

B: 500 Jahre Kirche zu Fürstenhagen. Festschrift zum Jubiläumsjahr, o. O. 1989; Klaus Kunze: Fürstenhagen im Bramwald. Quellen und Darstellungen zur Ortsgeschichte, Uslar 1997.


Fußnoten

  1. Casemir/Menzel/Ohainski, Ortsnamen Lkr. Northeim, S. 143.
  2. Kayser, Kirchenvisitationen, S. 294.
  3. LkAH, B 2 G 1/Fürstenhagen, Bl. 1 (Auszug aus dem Sitzungsprotokoll des LKA, Geistliche Abt., 27.02.1962).
  4. KABl. 2009, S. 100 f.
  5. LkAH, D 45a, Spec. A Fürstenhagen 51301.