Sprengel Osnabrück, KK Syke-Hoya | Patrozinium: Maternianus und Nikolaus1 | Lüneburger KO von 1643

Orts- und Kirchengeschichte
Kirche, Ansicht von Südosten, um 1900, Postkarte

Kirche, Ansicht von Südosten, um 1900, Postkarte

Der südlich von Hoya gelegene Flecken Bücken entstand wohl rund um das 882 gegründete Stift und muss schon im 13. Jh. von einiger Bedeutung gewesen sein. Seit dem 14. Jh. ist Bücken auch als Gerichtsort belegt. Die Landesherrschaft lag bei den Gf. von Hoya. – Das Kollegiatstift Bücken wurde durch die Bremer Domkirche unter der Leitung des Ebf. Remberg als Missionszentrum für die Region gegründet. Ausgangspunkt war möglicherweise ein Herrenhof in dem schon früher belegten Ort Altenbücken an der Weser. Kg. Otto I. bestätigte dem Stift 937 die Immunität2, Ebf. Aldag 987 den Besitz der der Kirche zu Bücken verliehenen Zehnten.3 1222 bestätigt Papst Honorius dem Bremer Domkapitel den Besitz der Kirche in Bücken.4 In seiner Blütezeit gehörten dem Stift bis zu 15 Kanoniker an. Der Propst war zugleich Mitglied des Bremer Domkapitels und seit dem 12. Jh. Archidiakon für den südlichen Teil der Bremer Erzdiözese. Gemäß einer Anordnung des päpstlichen Legaten Otto (1230) bildeten die Propsteien der Kirchen St. Alexander in Wildeshausen, St. Willehad in Bremen und St. Maternian in Bücken einen Kirchenbann oder Gerichtsbezirk und wurden nur an Domherren der bremischen Domkirche durch den Ebf. vergeben.5 Die ausschließliche Wahl des Propstes aus dem bremischen Domkapitel wurde 1243 von Ebf. Gerhard II. noch einmal bekräftigt.6 Die Verbindung mit dem Archidiakonat bestand bis ins 14. Jh., offenbar auch noch um das Jahr 1420.7
Die Vogteirechte übten die Gf. von Hoya aus, die auch verhinderten, dass das Stift eine geschlossene Territorialherrschaft aufbauen konnte. Angehörige des Geschlechts besetzten wichtige Positionen im Stift, darunter mehrfach die Propstei. Bücken diente zeitweilig als Hausstift der Gf. von Hoya.

Kirche, Blick zum Altar

Kirche, Blick zum Altar

In der zweiten Hälfte der 1520er Jahre führte Gf. Jobst II. die Reformation in der Gft. Hoya ein.8 Mit Albert Kock, den der Gf. zunächst 1527 nur als Inhaber der Allerheiligen-Vikarie präsentierte, ist der erste ev. Geistliche in Bücken nachweisbar.9 Bald darauf wurde das Stift reformiert. 1532 wird bereits ein Stiftsdechant mit Kindern erwähnt. Gf. Otto von Hoya (1563–1582) zog die Stiftsgüter schließlich ein. Das Kapitel trat 1568 bei der Einsetzung des Propstes Dr. Johann Hincke letztmalig in Erscheinung. Letzter Propst war der Celler Hzg. Friedrich. Nach seinem Tod 1648 wurde die Propstei nicht mehr besetzt. Eine formale Aufhebung fand nicht statt. Das Stift ist mit dem Aussterben seiner Mitglieder erloschen. Der größte Teil der Stiftsgebäude wurde im 16./17. Jh. abgebrochen. Die Stiftskirche diente seither nur noch als Pfarrkirche der Ortsgemeinde.
In vorref. Zeit gab es neben dem Hauptaltar mindestens zwölf Nebenaltäre mit Vikarien/Lehen der Heiligen Johannes, Katharina, Marien (älter), Stephanus, Philipp, Allerheiligen und Dreieinigkeit, Marien (jünger), Andreas; Bartholomäus; Rembert; Felix, Michael und alle Engel; Barbara. Für den Unterhalt der Kirche belehnte Gf. Erich von Hoya dieselbe 1570 mit dem St.-Petri-Lehen und 1573 mit dem St.-Andreae-Lehen. Die Einkünfte daraus bildeten wohl das Haupteinkommen der Pfarrei, das ab 1623 wohl um Teile des Johannes- und des Bartholomäuslehens vermehrt wurde. Unter den P. ragt M. Severin Schlüter heraus, der um 1614 allerdings nur kurz in der Gemeinde wirkte und 1615 Pfarrer in Winsen (Aller), 1617 Hauptpastor an der Jakobikirche in Hamburg wurde. P. Schlüter galt als einer der bedeutenderen Theologen seiner Zeit und veröffentlichte mehrere theol. Schriften.10 Um die Geschichtsschreibung machte sich P. Karl August Wilhelm Wöbking (amt. 1902–1918) verdient, der sich nicht nur mit der Geschichte des Fleckens Bücken beschäftigte, sondern auch eine Chronik der Martinikirche in Bramsche veröffentlichte.
Die Gemeindestruktur dominierten (1959) im Kirchort Bücken Beamte, Handwerker, Pensionäre, Kaufleute bei nur geringem Anteil der Landwirtschaft. Dagegen waren die Außendörfer fast ausschließlich von Bauern bewohnt.11 Letztere hatten jedoch einen wesentlichen Einfluss auf das Gemeindeleben.

Umfang

Der Flecken Bücken, die Dörfer Altbücken (mit zum Sande), Burdorf, Calle, Dedendorf, Duddenhausen, Helzendorf, Holtrup (mit zum Leiding), Mahlenstorf, Nordholz, Stendern, Warpe und Windhorst, das Landgut Ovelgünne, die Bündekemühle sowie die Höfe Wulzen und Wüstenei. Mit dem 1. Januar 1981 wurden die in der Siedlung Wienhof der Stadt Hoya wohnenden Gemeindeglieder in die Martin-Luther-KG Hoya umgegliedert.12

Aufsichtsbezirk

Bücken war Sitz eines Archidiakonats (des Stiftspropsts). – Nach der Reformation zur Insp. der Gft. Hoya; bei deren Teilung in den 1580er Jahren zur Insp. Nienburg; um 1805 zur Insp. (1924: KK) Hoya. Seit 1. Januar 2001 KK Syke-Hoya.

Patronat

Der Landesherr (bis 1871).

Kirchenbau
Kirche, Grundriss, Lithographie: August Curtze, Hannover, vor 1878

Kirche, Grundriss, Lithographie: August Curtze, Hannover, vor 1878

Das erste KGb des 9. Jh. war aus Holz und wurde Mitte des 10. Jh. wohl ebenfalls in Holz erneuert. Von der heutigen dreischiffigen, kreuzförmigen Pfeilerbasilika mit halbrunder Apsis im Osten stammen die ältesten Teilen aus dem 12. Jh. bzw. von Mitte/Ende des 13. Jh. (Bau der großen Vorhalle, Giebel mit großem Radfenster zwischen den Türmen. Innen Vergrößerung der Empore, Erhöhung der Seitenwände und Einwölbung mit einem Kreuzgratgewölbe aus Ziegeln. Querschiffarme in ihrer heutigen Form). Nach der Säkularisierung des Stifts fanden nur noch notdürftige Unterhaltungsmaßnahmen statt. Der Architekt Adelbert Hotzen und der Historiker Onno Klopp setzten sich seit Mitte des 19. Jh. für die Sicherung und Wiederherstellung der Bausubstanz ein. Hotzen führte im Auftrag der Klosterkammer bis 1868 die Restaurierung und Wiederherstellung des vorref. Zustands durch. 1867 neoromanische Ausmalung der Gewölbe und des Chorraums durch den Maler Heinrich Ludger Schröer aus Köln (das Himmlische Jerusalem, Szenen aus AT und NT, in den Kuppeln die Schöpfung sowie der thronende und der wiederkehrende Christus). Polychrome Bemalung der Gipsfußböden in Chor und Apsis durch Theodor Maßler (Hannover). Umfassende Renovierung in den 1960er Jahren.

Fenster

Im Chor drei farbige Glasfenster (zweites Drittel des 13. Jh., 1867 durch Michael Welter ergänzt): links die Legende des heilige Maternian; rechts die des heiligen Nikolaus, in den Seitenbahnen die fünf klugen und die fünf törichten Jungfrauen. Das Mittelfenster zeigt Szenen aus dem Leben Christi. Die Fenster gehören zu den bedeutendsten Glasmalereien des 13. Jh. in Norddeutschland.

Turm

Die beiden Türme wurden Mitte des 12. Jh. errichtet und im 14. Jh. in Ziegelmauerwerk aufgestockt. Der nördliche Turm wurde 1802 abgebrochen und im Zuge der Restaurierung von 1863/68 wiederaufgebaut. Sanierung der Türme 1997/98.

Kirche, Blick in den Chorraum

Kirche, Blick in den Chorraum

Ausstattung

Gotischer Flügelaltar (Lübisch, um 1510), im Mittelfeld Kreuztragung (mit Schweißtuch der Veronika) und Kreuzigung, flankiert von den Heiligen Maternian und Nikolaus. Über dem Schrein eine Madonna im Strahlenkranz. In den zweireihig angeordneten Seitenflügeln die zwölf Apostel; darüber aufgesetzt die Heiligen Katharina und Barbara. In der Predella Gottvater als Weltenrichter, zu seinen Seiten die vier lateinischen Kirchenväter Ambrosius, Gregor der Große, Augustinus und Hieronymus. – Spätromanische/frühgotische Kanzel aus rötlichem Sandstein, darunter die von Arkaden umgebene Figur Moses mit den Geboten (13. Jh., Münsterländer Schule; einzige steinerne Kanzel des Mittelalters in der Region). – Taufe aus Sandstein mit Reliefbildern aus dem Leben des heiligen Bonifatius und aus der Hermannsburger Mission (1867, von Bildhauer Maßler nach einem Entwurf von A. Hotzen). Eine ältere Barocktaufe von 1677 mit aufwendiger Deckelkrone befindet sich im nördlichen Seitenschiff. – Triumphkreuzgruppe (1260/70). – Chorgestühl (um 1340/50, 1867 teilweise ergänzt). – Turmartiges Sakramentshaus (westfälisch, um 1500).13 – Mehrere Grabplatten und Epitaphe. – Kreuzweg aus 14 Tafeln, nach 1998 geschaffen durch den Künstler Holger Hirndorf (Warpe) auf Kupferblechen der ehemalig Turmeindeckung.

Kirche, Blick zur Orgel ,vor 1976

Kirche, Blick zur Orgel, vor 1976

Orgel

Die heutige Orgel enthält noch Pfeifenmaterial eines unbekannten Orgelbauers aus dem 16. oder frühen 17. Jh., vielleicht von Harmen Kröger (Nienburg), der 1655/58 mit Arbeiten in Bücken nachgewiesen ist. Das zweimanualige Werk (OW, BW) mit Pedal galt in den 1760er Jahren als reparaturbedürftig. 1770 nahm der Orgelbauer Georg Stein (Lüneburg) eine (mangelhafte) Instandsetzung vor.14 1867/71 Neubau durch F. Meyer & Söhne (Hannover) unter Verwendung des älteren Pfeifenmaterials, 18 II/P (HW, OW), mechanische Traktur, Schleifladen. 1917 Ausbau der Prospektpfeifen (durch Zinkprospekt ersetzt). 1976 Neubau durch die Firma Hermann Hillebrand (Altwarmbüchen) unter Verwendung historischen Pfeifenmaterials, 18 II/P (HW, BW), mechanische Traktur, Schleifladen. 1999/2000 und 2014/15 Instandsetzung durch Gebrüder Hillebrand. – Denkmalorgel.15

Geläut

Drei LG, I: f’; II: g’; III: b’ (alle Bronze, Gj. 1979, Glockengießerei Heidelberg). – Eine SG (Bronze). – Früherer Bestand: zwei geborstene Glocken wurden 1776 durch den Stück- und Glockengießer Weidemann (Hannover) umgegossen.16 Der Bestand von 1917 umfasste eine LG von Friedrich Dreyer, Linden/Hannover (Gj. 1856) und eine LG von J. B. Bartels, Bremen (Gj. 1812). 1942 war nur noch die letztere vorhanden. Als Ersatz für die Abgabe des Ersten Weltkriegs erhielt die Kirche 1924 drei Eisenhartgussglocken der Firma Schilling/Lattermann (Apolda) in e’, gis’ und h’. Sie wurden 1979 durch das heutige Bronzegeläut ersetzt. Eine frühere SG in b’ aus Stahl war 1827 beim Bochumer Verein gegossen worden.17

Friedhof

Der Kirchhof wurde 1832 als Begräbnisplatz aufgegeben. 1834/41 Neuanlage nördlich vor dem Ort, 1841 eingeweiht.18 FKap (1969).

Liste der Pastoren (bis 1940)

1527 (1530) Albert Kock (Coquius). – 1545 Johannes Reinerus. – 1570–1579 Wernerus Hartmann. – 1580–1590 Engelbarth Brandes. – 1590–1614 Johann Reinart. – 1614–1664 Theodor Dammann. – 1656–1664 Caspar Wellmann. – 1664–1685 Johannes Brinkmann. – 1685–1694 Gabriel Meyer. – 1694–1732 Petrus Owenus. – 1732–1761 Peter Friedrich Owenus. – 1762–1776 Andreas Wilhelm Reusch. – 1777–1788 Johann Daniel Mirow. – 1789–1795 Julius Dietrich Schröter. – 1796–1837 Johann Georg Schlötke. – 1839–1869 Johann Georg Heinrich Schlötke. – 1870–1902 Carl Friedrich RudolfWunder. –1902–1918 Karl August Wilhelm Wöbking. – 1919–1925 Otto Ernst Fritz Trautmann. – 1926–1930 Wilhelm Rudolf Richard Siebel. – 1931 Rudolf Ino Buschmann.

Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 140

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 1512–1539 (Pfarroffizialsachen); A 6 Nr. 1250–1257 (Pfarrbestallungsakten); A 8 Nr. 79Digitalisat (CB); A 9 Nr. 341Digitalisat, 342Digitalisat (Visitationen); D 7 (EphA Hoya).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1664
Trauungen: ab 1664
Begräbnisse: ab 1664
Kommunikanten: ab 1762, Erstkommunikanten: 1809–1829
Konfirmationen: ab 1762

Literatur

A: Aye/Kronenberg, Taufbecken, S. 88 f., Nr. 68; Dienwiebel, Ortsverzeichnis Hoya/Diepholz I, S. 98; Gade, Hoya und Diepholz I, S. 248–260; Rödiger, Kirchen Hoyaer Land, S. 21–25.
B: Onno Klopp und Adelbert Hotzen: Geschichte und Beschreibung der Stiftskirche St. Materniani zu Bücken, Hannover 1860; Hans-Herbert Möller und Cord Meyer: Die Stiftskirche zu Bücken, München, Berlin 2008, 8. Aufl.; Dietrich Studer: Die Darstellung der Schutzpatrone in der Bücker Stiftskirche, in: Heimatblätter des Landkreises Grafschaft Hoya 4 (1975), S. 21–25; Wilhelm Wöbking: Flecken und Kirchspiel Bücken in den Jahren 1635–1650, Hoya 1907; Heinz Wolff: Zur Restaurierung der Bücker Stiftskirche und ihrer historischen Ausmalung, in: Niedersächsische Denkmalpflege 6 (1970), S. 133–138.


Fußnoten

  1. Mittelalterliches Patrozinium: Willehad und Maternian, später auch Nikolaus (?). Materian war Bf. von Reims († 369).
  2. Hoyer UB II, Nr. 2, III, Nr. 2; MGH DD O I 11 [Digitalisat].
  3. Hodenberger UB, Nr. 2.
  4. Hoyer UB III, Nr. 178.
  5. Hodenberg, Stader Copiar, S. 102.
  6. Hoyer UB III, Nr. 25.
  7. Dienwiebel, Ortsverzeichnis Hoya/Diepholz I, S. 103.
  8. Vgl. zur Reformation in der Gft. Hoya zuletzt Bösche, Holste, bes. S. 75 ff. Vgl. zudem Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,2, S. 1122 ff.
  9. Hoyer UB III, Nr. 186.
  10. ADB 31 (1890), S. 616 (https://www.deutsche-biographie.de/pnd121710939.html#adbcontent).
  11. LkAH, L 5a, Nr. 64 (Bücken, Visitation 1958).
  12. KABl. 1981, S. 4.
  13. Müller, Sakramentsnischen, E 84.
  14. LkAH, D 7, Spec. Bücken 5131.
  15. KABl. 1952, S. 160; LkAH, B 1 A, Nr. 4587 (Verzeichnis der Denkmalsorgeln der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, Stand 01.10.1958); Müller, Orgeldenkmalpflege, S. 71 und 100 f.
  16. LkAH, D 7, Spec. Bücken 51301.
  17. LkAH, L 5a, Nr. 65 (Bücken, Visitation 1982).
  18. LkAH, D 7, Spec. Bücken 590.