Sprengel Osnabrück, KK Grafschaft Diepholz | Patrozinium: – | KO: Lüneburger KO von 1643
Orts- und Kirchengeschichte
Als früheste Erwähnung des südöstlich des Dümmer gelegenen Orts gilt eine Schenkung des 969/996 regierenden Mindener Bf. Milo.1 Mit dem Gau Lidbeki kam er Ende des 10. Jh. unter die Hoheit der Billunger. Brockum war später Teil der Freigrafschaft Stemwede, die 1106 an Hzg. Lothar von Supplinburg und dann an die Welfen fiel. Nach der Ächtung Heinrichs des Löwen von den Hzg. von Sachsen-Lauenburg vereinnahmt, wurde die Freigrafschaft von Hzg. Albert 1253/61 an das Hochstift Minden abgetreten. Vor 1400 drangen auch die Edelherren von Diepholz in das Gebiet vor, das seither zwischen Minden und Diepholz (ab 1585 unter der Herrschaft der Welfen) umstritten blieb. Im Vertrag von Nienburg 1629 endgültig lüneburgisch.
Kirchlich gehörte Brockum früher zum mindenschen Ksp. Dielingen, das vermutlich eine Eigenkirchengründung der Freiengemeinde auf dem Stemwede war und Mitte des 12. Jh. erstmals erscheint. 1231 übertrug Bf. Konrad Dielingen mit Zustimmung des Gf. Adolf IV. von Holstein und Schaumburg als seinerzeitigem Inhaber der Freigrafschaft dem Kloster Levern. Nach Gründung der Kirche in Lemförde Ende des 15. Jh. hielten sich die Brockumer wohl wegen der geringeren Entfernung auch zu dieser.2 Die Reformation wurde im Ksp. Dielingen bald nach 1530 durchgeführt. Nach der Einigung den Grenzverlauf zwischen dem Hochstift Minden und der Gft. Diepholz (1629), wurden die Dörfer Brockum und Quernheim 1631 aus dem westfälischen Ksp. Dielingen herausgelöst und nach Lemförde umgepfarrt.
Seit wann Brockum eine eigene Kapelle hatte, ist unbekannt. Der Fund einer Reliquie im Altar um 1730 deutet jedenfalls auf ihre Entstehung schon in vorref. Zeit, wenn auch Gade ihre Gründung erst mit einem Streit um die Verteilung der Lemförder Kirchenstände 1639 in Verbindung bringt. Der Lemförder P. hielt in der Kapelle monatliche Abendmahlsgottesdienste. Als 1655 die Lemförder Kirche niederbrannte, wandten sich die Einwohner von Brockum mit der Bitte um die Bildung eines eigenen Ksp. an den Hzg. in Celle.3 Die Errichtungsurkunde datiert vom 14. Juli 1655. Am 21. März 1661 wurde die Bildung der KG durch das Konsistorium. genehmigt. Die Grenzen des neuen Ksp. waren identisch mit denen der Bauerschaft. Erster P. wurde der bisherige Lemförder Kantor Caspar Wellmann (amt. 1655–1667).
Haupteinnahmequelle der Pfarre bildete die Pfarrmühle (Bockwindmühle), die zunächst durch einen Müllerknecht bedient wurde. 1822 wurde sie in Erbpacht vergeben und nach Ablösung 1911 dem bisherigen Pächter als Eigentum übergeben.
Die mittelalterliche Kirche wurde 1712/14 erneuert und erweitert (Choranbau), fiel aber am 16. September 1822 einem Großbrand zum Opfer, bei dem auch die Schule und das Pfarrwitwenhaus zerstört wurden. Von den kirchlichen Gebäuden blieben nur Pfarrhaus und Pfarrmühle verschont. Das KGb, eine einfache fünfachsige Saalkirche im Empirestil mit hohen rundbogigen Sprossenfenster, klassizistischer Altarwand und Westempore (Entwurf von Friedrich August Ludwig Hellner) wurde erst 1831/33 neu errichtet und am 15. Dezember 1833 eingeweiht. 1894 erfolgte der Anbau des Turms nach Plänen des Architekten Bungenstock. Die Raumgestalt wurde vor 1955 durch Entfernung der Kanzel aus der Altarwand und Zusetzen der Fenster aus der Altarfront verändert. Wegen Baufälligkeit musste 1972 das Kirchenschiff abgebrochen werden. Der moderne Neubau (Architekt: Sievers, Barnstorf), der auch als FKap dient, wurde durch die politische Gemeinde mitfinanziert. Vom alten Bau blieb nur der Turm erhalten. 2002 wurde der zunächst provisorisch angelegte Verbindungsteil zwischen Kirche und Turm erneuert und für die Nutzung als Gemeindebücherei und Gemeindehaus erweitert.
1965/66 wurde nach Abbruch des alten Pfarrwitwenhauses ein neues Pfarrhaus errichtet und das alte Pfarrhaus (18. Jh.) als Gemeindeschwesternstation hergerichtet.
Umfang
Das Dorf Brockum.
Aufsichtsbezirk
Insp. (1924: KK) Diepholz (seit 1. Januar 1969 KK Grafschaft Diepholz).
Patronat
Der Landesherr (bis 1871).
Kirchenbau
Eingeschossiger Saalbau auf kreuzförmigem Grundriss, mit zeltförmigem, auf die Erde heruntergezogenem Dach und Betonwaben in bunter Verglasung.
Turm
Viergeschossiger Westturm aus Bruchsteinmauerwerk mit ins Achteck überführtem verschiefertem Helm (1894).
Orgel
1800 Ankauf der von Berendt Hus erbauten Orgel aus der abgebrochenen Kirche zu Diepholz. 1834 Neubau durch Firma Meyer (Hannover). 1910 Erweiterung um drei Reg. und Ausbau eines Reg. Im Ersten Weltkrieg Ausbau der Prospektpfeifen. 1931/32 Ersatz der Prospektpfeifen und Generalüberholung durch Firma E. Schindler (Bremen), 11 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen. 1952/53 Instandsetzung durch Georg Niemeyer (Hannover) und Firma Rohlfing (Osnabrück). 1966 Instandsetzung und durch Firma Hans Wolf (Verden) auf 16 II/P (HW, RP), mechanische Traktur, Schleifladen. Nach dem Abbruch des alten Kirchenschiffs wurde die Orgel 1971 an die Kirche in Scholen abgegeben. 1974 Neubau durch Firma Gustav Steinmann (Vlotho), 5 I/aP, geteilte Schleifen, mechanische Traktur, Schleifladen.
Geläut
Drei LG, I: g’/fis’4 (Bronze, Gj. 1894, J. J. Radler, Hildesheim); II: b’/a’ (Stahl, Gj. 1953, Bochumer Verein); III: h’ (Bronze, Gj. 1994, Firma Bachert). – Früherer Bestand: Eine ältere Glocke wurde beim Brand 1822 zerstört. Neues Geläut nach Bau des Kirchturms 1894. Hiervon wurde eine LG wohl zu Rüstungszwecken abgeliefert.
Friedhof
Ursprünglich auf dem Kirchhof; um 1460 erwähnt. Der heutige Friedhof befindet sich südlich außerhalb der Ortslage (Straße „Zum Berge“) und wird durch die Kommune verwaltet.
Liste der Pastoren (bis 1940)
1655–1667 Caspar Wellmann. – 1668–1702 Dietrich Müller. – 1703–1744 Arnold Christoph Oldendorp. – 1744–1751 Johann Henrich Oldendorp. – 1751–1758 Johann Hermann Hartje. – 1759–1794 Philipp Wilhelm Uchtländer. – 1794–1796 Ernst Philipp Firnhaber. – 1796–1814 Conrad Wilhelm Gustav König. – 1815–1818 Henricus Arnold Florenz Cramer. –1819–1823 Johann Justus Hering. – 1833–1837 Georg Friedrich Christian Ferdinand Hünecken. – 1837–1846 Johann Heinrich August Christian Schomburg. – 1847–1875 Johann August Ludwig Stendel. – 1875–1877 Ernst August Niemack. – 1878–1882 Georg August Conrad Claus Robert Lauenstein. – 1884–1904 Heinrich Friedrich Adolf Brandt. – 1904 Johann Friedrich Taaks. – 1905–1913 Karl Ernst Hermann Bütefisch. – 1914–1931 Wilhelm Christian Funke. – 1932–1937 Heinrich Friedrich Philipp Ranft. – 1938–1953 Walter Paul Knipping.
Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 131, ebd. III, S. 16
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
A 1 Nr. 1490–1495 (Pfarroffizialsachen); A 6 Nr. 1203–1216 (Pfarrbestallungsakten); A 8 Nr. 75 (CB); A 9 Nr. 328, 329, 330 (Visitationen); D 31 (EphA Diepholz); D 67 (PfA Brockum).
Kirchenbücher
Taufen: ab 1686 (unvollständig: 1707)
Trauungen: ab 1686 (unvollständig: 1707)
Begräbnisse: ab 1708
Kommunikanten: ab 1710 (Lücken: 1711–21 p. Trin. 1799)
Konfirmationen: ab 1701 (Lücken: 1707, 1708, 1721, 1723–1751, 1869–1874)
Literatur & Links
A: Dienwiebel, Ortsverzeichnis Hoya/Diepholz I, S. 80 f.; Gade, Hoya und Diepholz II, S. 553–556; Müller, Kirchenbauten, S. 88 f.; Weichsler, Hdb. Sprengel Osnabrück, S. 151 f.
B: Hans Gerke: 1000 Jahre Brockum. Der Ort und seine Bewohner und Geschichte und Gegenwart, Diepholz 1969; Die Stiftungsurkunde der Pfarre Brockum, in: Heimatblätter für die Grafschaft Diepholz 2 (1926), S. 77.
Internet: Familienkunde Niedersachsen: Pastorenliste (.pdf)