Sprengel Lüneburg, KK Lüneburg | Patrozinium: Vitus | KO: Lüneburger KO von 1643

Orts- und Kirchengeschichte

Seit 1974 Ortsteil von Bleckede. – Der am Geestrand gelegene Ort im Bardengau kam Anfang des 13. Jh. an das Hzm. Sachsen-Lauenburg. Vom 12. bis 16. Jh. ist das Ministerialen- und Burgmannengeschlecht von Barscampe belegt. Gf. Bernhard II. von Dannenberg gab den Zehnten über vier Höfe in Barskamp. 1281 an das Kloster Medingen. Barskamp war Go- und Holzgericht1 sowie Vogteisitz mit Marktrecht im Amt Bleckede, das, nachdem es lange zwischen Askaniern und Welfen umstritten war, um 1600 endgültig in den Besitz der Lüneburger Hzg. gelangte.

Kirche, Ansicht von Nordosten

Kirche, Ansicht von Nordosten

Das Gründungsjahr der Kirche ist unbekannt. Von den vorref. Geistlichen erscheinen 1271 der Priester Hermannus de Berscampe2, 1329 Johannes in Berscampe [rector ecclesie] als Zeugen.3 1449 präsentierte Hzg. Friedrich von Braunschweig und Lüneburg als Patronatsherr den Mindener Kleriker Rembert de Wynthem als Nachfolger des verstorbenen Priesters Ludolf.4 Vor 1456 wurde Jakob Oding (Odingk, † vor 29. September 14815) Pfarrer in Barskamp. Er war 1456/61 Vertreter des Klosters Scharnebeck und des Rats der Stadt Lüneburg in Rom6 und ab 1466 Inhaber einer Vikarie an der St.-Marien-Kirche in Uelzen.7 Die Einführung der Reformation erfolgte im Fsm. Lüneburg unter Ernst dem Bekenner (ab 1527). 1534 wird Johann Wignanth als erster luth. Geistlicher in Barskamp erwähnt. Zur Zeit der Visitation von 1543 amtierte Hermann Botz/Bost.8
Vermutlich bestand das erste KGb noch aus Holz oder Feldsteinen. Ältester Teil des heutigen Baus ist der auf etwa 950 datierte, ursprünglich als Wehrturm genutzte Rundturm, an den wohl Ende des 14. Jh. ein massives Kirchenschiff angebaut wurde. Nach Klagen der Hauswirte über den Mangel an Kirchenstühlen wurde 1753 zunächst Raum auf einer Prieche geschaffen9 und 1764/70 die Kirche zur heutigen barocken Saalkirche umgestaltet.10 Dabei wurden Kirchenschiff und Wehrturm zu einem Baukörper vereint. Vom gotischen Bau blieb der gewölbte Chor mit 5/10-Schluss erhalten.
Das Gemeindeleben in Barskamp wurde 1932 durch die Gründung eines Posaunenchors bereichert. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat ein Kirchenchor hinzu. Die Auswirkungen der NS-Zeit waren gering. Die versuchte Gründung einer DC-Ortsgruppe ist gescheitert. P. Wilhelm Mannes (amt. 1932–1953) war Mitglied der BK und des Volksmissionarischen Kreises. 1948 wurde in Barskamp ein kirchlicher KiGa eröffnet. Im Zuge der Auseinandersetzung zwischen Kirche und Schule wurde 1951 das unmittelbar an das Küsterhaus angebaute Schulhaus der KG übereignet. das Pfarrhaus wurde 1963 nach Abbruch des Vorgängerbaus (Bj. 1753) neu errichtet.

Blick zur Orgel, 1974

Blick zur Orgel, 1974

Im rechtselbischen Stiepelse gab es wohl seit dem 15. Jh. eine Marienkapelle, deren altes KapGb 1852/53 durch einen Neubau ersetzt wurde. 1897 erhielt Stiepelse eine Pfarrkollaboratur11, die seit 1923 nicht mehr ständig besetzt war. In den 1930er Jahren fanden dort noch achtmal jährlich GD statt. Eine weitere Predigtstätte entstand nach dem Zweiten Weltkrieg im Außendorf Alt Garge. Das Dorf verfügte zusammen mit dem jenseits der Elbe gelegenen, erst im 18. Jh. besiedelten Neu Garge, im Jahr 1858 erst über 27 pflichtige Hausstellen und ein Schulhaus.12 Noch bis Mitte des 20. Jh. dominierte Landwirtschaft das Wirtschaftsleben der Gemeinde, doch entwickelte sich das Dorf mit dem Bau des Kohlekraftwerks „Ost-Hannover“ der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) (ab 1940, 1974 stillgelegt), in dessen Gefolge sich weitere Betriebe ansiedelten, zu einem wichtigen Industriestandort. In den Baracken eines für den Bau des Kraftwerks errichteten Außenlagers des KZ Neuengamme wurden nach Kriegsende überwiegend Flüchtlinge aus Lettland untergebracht, für die in der Barskamper Kirche zeitweilig auch GD in lettischer Sprache gehalten wurden. Auf dem Friedhof wurde eine eigene lettische Abteilung eingerichtet.13 Neben dem Zuzug von Arbeitern und Angestellten sorgte der durch die Lage unmittelbar an der deutsch-deutschen Grenze begünstigte Flüchtlingsstrom nach dem Zweiten Weltkrieg für ein erhebliches Anwachsen der Einwohnerzahl. In den 1960er Jahren hatte Alt Garge die Muttergemeinde Barskamp an Bedeutung überflügelt. Nach einem Entwurf von Hans Rack wurde daher auf einer bewaldeten Anhöhe am nördlichen Ortsrand die Erlöserkirche (Erlöserkapelle) errichtet und am 22. Dezember 1957 von Lbf. Hanns Lilje eingeweiht.14 Im Gegenzug verlor die KG die rechtselbisch und damit im Bereich der SBZ gelegenen Außendörfer Stiepelse (mit der Kapelle), Neu Garge, Viehle und Gülstorf, die zunächst von Neuhaus aus versorgt und am 1. Januar 1974 mit dem Konsistorialbezirk Ilfeld zunächst in die Ev.-luth. Landeskirche Sachsens, zum 1. Januar 1982 in die Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs umgegliedert wurden. Wegen der schlechten Anbindung an den Kirchort waren die Konfirmanden aus den rechtselbischen Dörfern schon vor dem Krieg von Neuhaus aus betreut und dort konfirmiert worden. Die Anbindung an Neuhaus blieb auch nach der Wiedervereinigung und der Rückgliederung in die hannoversche Landeskirche zum 1. Januar 1992 bestehen. Zwischen 1982 und 1991 muss die KapG aufgehoben worden sein.
Mit dem 1. Januar 2013 wurden die KG Barskamp, St. Jacobi Bleckede und Garlstorf pfarramtlich verbunden, zum 1. Januar 2021 schlossen sich die drei Gemeinden zur neuen „Ev.-luth. KG Bleckede“ zusammen.15

Umfang

1823 zählten zur KG die Dörfer Barskamp, Bruchdorf, Katemin, Alt und Neu Garge, Göddingen, Harmstorf, Köhstorf, Köhlingen, Reeßeln, Stiepelse, Tosterglope, Viehle und Walmsburg, das Forsthaus Schieringen und das Dorf Gülsdorf. Stiepelse (KapG), Neu Garge, Viehle und Gülstorf nach 1945 von Neuhaus versorgt. Die in der politischen Gemeinde Katemin (ohne den Wohnplatz Reeßeln) wohnhaften Gemeindeglieder wurden zum 1. Januar 1964 in die neu gegründete KG Neu Darchau umgegliedert.16

Aufsichtsbezirk

Archidiakonat Modestorp der Diözese Verden. – Nach der Reformation zur Insp. Lüne, ab 1810 zur neu errichteten Insp. (1924: KK) Bleckede. KK Bleckede und KK Lüneburg zum 1. Januar 2017 zum neuen KK Lüneburg zusammengelegt.17

Patronat

Der Landesherr (bis 1871).

Kirchenbau – St.-Vitus-Kirche

Barocke Saalkirche aus Ziegelmauerwerk (1764/70); gewölbter Chor mit 5/10-Schluss und Strebepfeilern aus gotischer Zeit. 1896 Vorbau vor dem nördlichen Portal. Der Innenraum wird durch eine Emporenanlage in drei Schiffe gegliedert, über dem mittleren ein hölzernes Tonnengewölbe. 1979/82 saniert.

Turm

Romanischer Rundturm aus steinsichtig verfugtem Feldsteinmauerwerk (um 950; 1779 renoviert18).

Ausstattung

Spätbarocker Kanzelaltar von Nikolaus Hermann Themund aus Lauenburg (1769/70), mit Abendmahlsbild des Lüneburger Malers Heinrich Melchior Westphal (1770). Dahinter wurde 1874/75 die Sakristei eingebaut. Der Kanzelaltar ersetzte einen 1656 durch den Gutsbesitzer von Meding gestifteten Altar. – Mittelalterliches Taufbecken, getragen von einem Taufständer aus rötlichem Ulmenholz (von Bildhauer Otto Flath, Bad Segeberg, 1961 in der Kirche aufgestellt). Ein Anfang des 17. Jh. nachgewiesener Taufengel ist nicht mehr vorhanden.19

Orgel

Orgel

Orgel

1856 Neubau von Hoforgelbauer Eduard Meyer (Hannover), 16 II/P. Im Ersten Weltkrieg Ausbau der Prospektpfeifen aus Zinn/Blei (Ersatz durch Zinkpfeifen). 1939/40 Umbau durch Firma Paul Ott (Göttingen) nach neobarockem Klangideal, 17 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen. 1963 und 1985 Renovierung durch Firma Alfred Führer (Wilhelmshaven). Weitere Restaurierung und Wiederherstellung des ursprünglichen Klangbilds durch Martin ter Haseborg ab 2015. Denkmalorgel.

Geläut

Zwei LG, I: g’ (Bronze, Gj. um 1300/25); II: b’ (Bronze, Gj. 1735, M. Lorentz Oehmann, Lüneburg). – Zwei SG in a’’ und c’’’ (beide Bronze, Gj. 1967). – Früherer Bestand: Bis ins 19. Jh. hatte die Kirche ein dreiteiliges Geläut, dessen mittlere LG Anfang des 19. Jh. (Hochfeld: um 1860) gesprungen ist und nicht ersetzt wurde. Die 1735 gegossene kleine LG wurde im Ersten und Zweiten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben, in beiden Fällen aber an die KG zurückgegeben. Die Glocke der FKap wurde eingeschmolzen.20 Eine SG erhielt die Kirche erstmals 1870 mit der Beschaffung der Turmuhr.

Kirchenbau – Erlöserkirche Alt Garge

Schlichter, rechteckiger Saalbau aus verputztem Porenbetonstein (1957). Satteldach.

Turm

Turm mit Kreuzbekrönung, versetzt an der Nordseite.

Ausstattung

Verkündigungs-Altar aus Lindenholz von Otto Flath, Bad Segeberg (1955/57). – Altarleuchter, Kreuz und Taufschale von Prof. Zeitner (Lüneburg).

Orgel

1974 Neubau durch Orgelbauer Klaus Becker (Kupfermühle bei Hamburg), 8 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen.

Geläut

Drei LG, I: a’; II: b’; III: des’’ (alle Bronze, Gj. 1957, Gebrüder Rincker, Sinn).

Friedhof

Eigentum der KG. Der alte Friedhof auf dem Kirchhof in Barskamp wurde 1835 durch Versetzen des Küster- und Schulhauses vergrößert, 1864 geschlossen und 1895 eingeebnet. 1864 Anlage des Neuen Friedhofs an der Walmsburger Straße, der bis 1914 genutzt wurde. Danach wegen der ungünstigen Lage Verlegung an den Kaufmannskamp. 1962 Erweiterung der Fläche. FKap (Bj. 1914/15, 1971/72 vergrößert). Stiepelse verfügte über einen eigenen Friedhof. Für Alt Garge wurde am 1. November 1959 der neue Waldfriedhof eingeweiht (Eigentum der KG).21

Liste der Pastoren (bis 1940)

1534 Johann Wiganth. – 1543 Hermannus Botz (Bost). – 1568 Joachim Timmermann. – 1572–1612 Joachim Holste. – 1612–1624 Philippus Beneke. – 1625–1660 Dietericus Lotzmann. – 1660–1661 Franz Gockenholtz. – 1662–1710 Henricus Banse. – 1710–1737 Johann Wilhelm Banse. – 1738–1744 Otto Heinrich Pott. – 1745–1767 Johann Daniel Hahn. – 1767–1789 Levin Hinrich Seelhorst. – 1790–1810 Ernst Rudolf Schultz. – 1811–1823 August Konrad Münchmeyer. – 1823–1844 Heinrich Karl Stisser. – 1845–1867 Christian Friedrich Adolf Firnhaber. – 1868–1888 Andreas Friedrich Beer. – 1889–1900 Julius Albrecht Johannes Dittrich. – 1900–1931 Hermann Wilhelm Adolf Studtmann. – 1932–1953 Gustav Karl Hildebrand Wilhelm Mannes.

Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 64

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 584–598 (Pfarroffizialsachen); A 5 Nr. 78 und 82 (Spec. Landeskons.); A 6 Nr. 548–557 (Pfarrbestallungsakten); A 8 Nr. 35Digitalisat (CB); A 9 Nr. 139Digitalisat, 140Digitalisat, 141Digitalisat, 142Digitalisat (Visitationen); B 18 Nr. 139 (Orgelsachverständiger); D 78 (EphA Bleckede).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1662 (unvollständig: 1739–1744)
Trauungen: ab 1662 (Lücken: 1739–1744)
Begräbnisse: ab 1662 (Lücken:1 740–1744; unvollständig: 1739)
Kommunikanten: ab 1811 (Lücken: 1849–1853)
Konfirmationen: ab 1779 (Lücken: 1806–1812, 1865–1867)

Gülstorf

Taufen: 1860–1874
Trauungen: 1860–1874
Begräbnisse: 1860–1874

Literatur & Links

A: Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 194; Weiß, Denkmaltopographie Lkr. Lüneburg, S. 61 f.

B: Wilfried Hochfeld: Die Kirche in Barskamp. Kurze Übersicht und Renovierung 1979–1982 (Ms., 1982), Wilfried Hochfeld: Die St. Vitus-Kirche in Barskamp. Ein kurzer Führer, Barskamp 1983; Wilhelm Mannes: Erinnerungen an 21 Amtsjahre in unruhiger Zeit 1932–1953 (Ms., 1981).

Internet: Familienkunde Niedersachsen: Pastorenliste (.pdf)


Fußnoten

  1. Hammerstein-Loxten, Bardengau, S. 371.
  2. Lüneburger UB X, Medingen, Nr. 27.
  3. Lüneburger UB X, Medingen, Nr. 148.
  4. Lüneburger UB VI, Lüne, Nr. 557.
  5. NLA HSA, Dep. 2, Nr. 402.
  6. Schwarz, Papsturkunden, Nr. 1032 und 1974.
  7. NLA HA, Dep. 2, Nr. 324.
  8. Kayser, Kirchenvisitationen, S. 556.
  9. LkAH, D 78 Spec. Barskamp 51301.
  10. LkAH, D 78 Spec. Barskamp 511.
  11. KABl. 1897, S. 25.
  12. Manecke, Beschreibungen I, S. 353.
  13. Mannes, S. 28.
  14. LkAH, L 5e, unverz., Barskamp, Visitation 1960, Beantwortung der Visitationsfragen I.1.
  15. KABl. 2020, S. 194 ff.
  16. KABl. 1964, S. 6 f.
  17. KABl. 2016, S. 168 f.
  18. LkAH, D 78 Spec. Barskamp 5130.
  19. Hochfeld, Kirche Barskamp.
  20. Mannes, S. 18.
  21. LkAH, L 5e, unverz., Barskamp, Visitation 1960, Beantwortung der Visitationsfragen V.1.