Sprengel Ostfriesland-Ems, KK Aurich | Patrozinium: Martin Luther (seit 2010)1 | KO: Ostfriesische KO von 1716
Orts- und Kirchengeschichte
Die Geestsiedlung Bagband ist eine frühmittelalterliche Gründung, wird aber erst 1454 erstmals urkundlich erwähnt. Sie war seit dem Mittelalter in den Verwaltungsbereich von Aurich einbezogen und bildete bis ins 19. Jh. den Mittelpunkt einer der sechs Vogteien des Amts Aurich. Das bewohnte Gebiet dehnte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jh. mit der Besiedelung der Moorkolonie Neuemoor mit Südermoor und Heselerhörn (jetzt zur politischen Gemeinde Hesel) nach Süden aus. – Seit 1972 Ortsteil von Großefehn.
Die Parochie erscheint um 1475 als Beckbunt im münsterischen Pfarrregister.2 Um 1500 wird der Pfarrer Alardus auf einem Abendmahlskelch genannt. Als einziger weiterer vorref. Geistlicher ist der Priester Ulricus († 1560) belegt, der die luth. Lehre in Bagband einführte. Sein Todesjahr nahm die KG 2010 zum Anlass, das 450jährige Reformationsjubiläum zu begehen. Der genaue Zeitpunkt der Einführung der Reformation ist unbekannt.
Wohl bald nach der Reformation wurde in Bagband eine Küsterschule eingerichtet. 1593 wird im Kirchenbuch ein Küster erwähnt. Das westlich der Kirche gelegene alte Schulhaus (Küsterei) wurde 1761 erbaut und 1841 vergrößert3 und 1895 abgerissen. Ein neues Schulgebäude wurde 1894/95 am Harmsweg errichtet und 1921/22 um einen zweiten Schulsaal erweitert. Es blieb bei der Vermögensauseinandersetzung zwischen Kirche und Schule 1927 Eigentum der KG und wurde erst nach Aufgabe des Unterrichts (1978) veräußert (seit 1993 Sitz des Dorfvereins).
1934 bildete sich in Bagband eine Gruppe der luth. Freikirche in Bremen und spaltete sich als „Freie Ev.-luth. Kreuzgemeinde“ von der KG ab. Veranlasst wurde die Trennung von der Hinwendung des P. Franz Heinrich Johannes Herkens (amt. 1933–1934) zur Glaubensbewegung der DC. Die Freikirche hielt in Bagbander Häusern regelmäßig GD und verfügte seit 1938 über ein eigenes KGb. Zuspruch erhielt sie aber auch aus benachbarten Gemeinden. Auch wenn nach Kriegsende die meisten Mitglieder zur Landeskirche zurückkehrten, bestand die freikirchliche Gemeinde fort4, verlagerte ihren Schwerpunkt aber nach Hesel, wo sie 1987 ein neues KGb errichtet; das in Bagband wurde 1988 abgerissen.
Die DC-Betätigung bildete nur eine vorübergehende Phase. Herkens Nachfolger P. Hermann Bertus Bourbeck (ab 1935, † 1948) war Mitglied der BK. Noch 1934 wurde in Neuenmor ein Kirchenchor gegründet, 1949 in Bagband ein Posaunenchor.
Durch Umbau der 1808 erbauten Dorfschule (mit einem vorgebauten Glockenturm von 1850) entstand 1983 in Spetzerfehn eine eigene FKap. Kirchliche Veranstaltungen fanden auch in Neuemoor statt, für die die Samtgemeinde Hesel das Höster Dörphus (alte Schule) zur Verfügung stellte.
Am 31. Oktober 2010 erhielt die Gemeinde die Bezeichnung „Martin-Luther-KG“.
Umfang
Das Dorf Bagband und die Kolonien Neuemoor, Spetzerfehn (teilweise) und Südermoor. Die Kolonien Südermoor, Neuemoor und Bartherfeld wurden 1817 als Schulgemeinde der Parochie B. angegliedert.
Aufsichtsbezirk
Archidiakonat Friesland (Propstei Leer) der Diözese Münster. – Unterstand 1631 bis 1843 dem luth. Coetus in Aurich, danach unmittelbar dem luth. Konsistorium ebenda. Mit Erlass der Insp.-Ordnung von 1766 zur 1. luth. Insp. in Ostfriesland, 1866 zur neu gebildeten 9. luth. Insp. (Großefehn). Ab 1924 KK Großefehn (1. Januar 1974 aufgehoben und in den KK Aurich eingegliedert).
Patronat
Genossenschaftspatronat der Gemeinde (Interessentenwahlrecht).
Kirchenbau
Rechteckige, vierachsige romanische Backsteinsaalkirche aus dem zweiten Viertel des 13. Jh. Der Bau verfügte ursprünglich über eine Ostapsis, die nach Einsturz im 16. Jh. nicht wieder aufgebaut wurde. Rundbogige, an der Südseite nachträglich vergrößerte Fenster und Türen. Das alte Portal an der Südseite ist vermauert. Der Innenraum wurde nach Einsturz der steinernen Gewölbe durch eine flache Holzbalkendecke geschlossen. Ein steinerner Lettner aus dem 15. Jh., dessen Brüstung mit Bildern der zwölf Apostel bemalt war, wurde 1773 durch eine Ostempore ersetzt.5 Renovierung der Kirche 1968.
Turm
Bis Ende des 19. Jh. hing das Geläut in einem freistehenden Glockenträger, der 1890 wegen Baufälligkeit gesperrt und später abgetragen wurde. An seine Stelle trat 1895/96 ein viergeschossiger, gotisierender Westturm mit achtseitigem Spitzhelm (1895). Die Turmhalle wurde 1968/69 als Gedenkhalle für die Gefallenen der beiden Weltkriege ausgestaltet (Gedenktafel des Auricher Künstlers Büschelberger). Als Bekrönung erhielt der Turm, 2007 einen Wetterschwan.6
Ausstattung
Der Altarunterbau (Blockaltar) wurde 2009 aus Klosterformatziegeln neu aufgemauert. Kein Aufsatz. Teile des früheren Altars mit Abendmahlsgemälde und Stifterwappen (dat. 1639) befinden sich jetzt an der Südwand der Kirche, ein neueres Altarbild (der sinkende Petrus, 19. Jh.) an der Nordwand. – Spätrenaissancekanzel (dat. 1654) mit Flachreliefs der vier Evangelisten zwischen Ecksäulen. – Taufstein des Bentheimer Typs auf vier Löwen (erste Hälfte 13. Jh.), vom 17. bis zum 19. Jh. als Spülbecken genutzt, dann als Blumenkübel im Pfarrgarten, und 1983 wieder in die Kirche gebracht; Messingtaufschale von 1635, gestiftet von Anneke Hansen. Ein weiterer, zwischenzeitlich genutzter, achteckiger Taufstein aus Sandstein (17. Jh.). – Auf der Orgelempore Tafelbilder mit Darstellungen Jesu, der Apostel und der vier Evangelisten, 1968 wieder freigelegt. – Spätgotische Plastiken: Überlebensgroße Triumphkreuzgruppe (eventuell niederrheinisch, Ende 15. Jh., 1955 entstellend restauriert); Doppelmadonna im Strahlenkranz auf der Mondsichel (Eiche, Ende 15./Anfang 16. Jh.). Eine Kreuztragungsgruppe (Eichenholz, zweite Hälfte 15. Jh.) wurde 1896 an das Museum in Emden abgegeben.
Orgel
Erbaut 1774/75 von Heinrich Wilhelm Eckmann (Quakenbrück) auf der Orgelempore über dem Altar (Prospekt erhalten), 14 I/aP, mechanische Traktur, Schleifladen. Die Disposition wurde später mehrfach verändert. 1850 Instandsetzung durch den Orgelbauer Janssen (Aurich)7, 1927/28 durch den Orgelbauer Maucher (mit Änderung der Disposition). 1949 und 1968/75 durch die Firma Alfred Führer (Wilhelmshaven) restauriert und teilweise ergänzt. 1999/2000 Instandsetzung durch Martin ter Haseborg (Südgeorgsfehn). – Seit 1952 unter Denkmalschutz.8
Geläut
Drei LG, I: cis’ (Bronze, Gj. 1841, M. Fremy und Heero Andries van Bergen, Stiekelkamperfehn); II: dis’ (Bronze, Gj. 1934, Gebrüder Rincker, Sinn, Umguss einer Glocke von 17059); III: fis’ (Bronze, Ende 13. Jh., 2006 restauriert). – Eine SG in gis’’ (Bronze, Gj. 1969, F. Otto, Bremen-Hemelingen). – Früherer Bestand: Die SG von 1969 ersetzte eine Eisenglocke von 1897 in a’’. Eine zweite, kleinere SG wurde im Zweiten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgeliefert.
Heutiges Geläut anhören: #createsoundscape
Weitere kirchliche Gebäude
Pfarrhaus, 176410 und 1898 neu errichtet. – Gemeindehaus (Bj. 1981/82; seit 2013 „Ulricushaus“ nach dem ersten luth. Pfarrer in Bagband). – In Spetzerfehn Unterende FKap (Bj. 1792, nach Brand 1808 erneuert, 1830 erweitert, 1983 renoviert) mit Glockenturm (Bj. 1850), ehemalige Schule I in Spetzerfehn; 1993 gebrauchtes Orgelpositiv erworben, erbaut 1961 von Wilhelm Wagner (Grötzingen) 3/–, mechanische Traktur, Schleifladen (Opus 36); eine LG, d’’ (Bronze, Gj. 1850, Hero van Bergen & Claudius Fremy IV, Burhafe), Inschrift: „Spetzerfehn 1-ste Schulgemeinde 1850. Gegossen zu Burhafe durch H von Bergen und Claude Fremy“.11
Friedhof
Auf dem alten Kirchhof. 1851 an der Ostseite erweitert.12 Eigentum der KG. In Neumoor (1930/31 neu angelegt) und Spetzerfehn (1901) befinden sich kommunale Friedhöfe.
Liste der Pastoren (bis 1940)
15..–1560 Ulricus … – 1560–1563 Adrian Blaufelt. – 1563–1575 Diederich Soest. – 1575–1621 Bernhard Stanigerus. – 1621–1646 Gottfried Aetius. – 1646–1696 Johann Alberti Trauernicht. – 1697–1704 Christoph Heinrich Stamler. – 1704–1757 Matthias Matthiä. – 1758–1563 Gerhard Melle. – 1763–1776 Johann Connrad Janssen. – 1777–1835 Johann Tammen Büning. – 1835–1875 Johann Christian Meints. – 1876–1897 Wilhelm Jacobus Köhler. – 1897–1932 Hermann Bernhard Driever. – 1933–1934 Franz Heinrich Johannes Herkens. – 1935–1946 Hermann Bertus Carl Bourbeck.
Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 47 (mit Ergänzungen)
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
A 6 Nr. 379–380 (Pfarrbestallungsakten); A 8 Nr. 25, 400 (CB); A 12 d Nr. 453(GSuptur. Aurich); B 18 Nr. 137 (Orgelsachverständiger); D 80 (EphA Aurich).
Kirchenbücher
Taufen: ab 1696
Trauungen: ab 1696
Begräbnisse: ab 1696
Kommunikanten: ab 1696 (Zahlenregister bis 1720; Lücken: 1780–1833, 1932, 1936–1939, 1941, 1942, 1946)
Konfirmationen: ab 1696 (Lücken: 1720–1758, 1783–1823, 1875)
Literatur
A: Aye/Kronenberg, Taufbecken, S. 65, Nr. 23; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 179; Grote/van der Ploeg/Kellner, Wandmalerei, Katalogband, Nr. 115; Kaufmann, Orgeln Ostfrieslands, S. 69; Schoolmann, Kirchen, S. 39–44; Meinz, Sakralbau Ostfriesland, S. 120 f.; Müller-Jürgens, Vasa sacra, S. 42 f.; Robra, Holzplastik, passim; Rogge, Kirchen, S. 62 f.; Schild, Denkmal-Orgeln I, S. 23–41.
B: Ev.-luth. Martin-Luther-Kirchengemeinde Bagband in Großefehn (Hg.): 450 Jahre Reformation in der KG Bagband, Großefehn-Bagband 2010; Albert Kroon: Bagband. Die Geschichte eines ostfriesischen Bauerndorfes, o. O. [1995]; Albert Kroon: Kirchliche Bautätigkeit in Bagband, in: Heimatkunde und Heimatgeschichte 5/2001; Erhard Schulte (Bearb.): Die Familien der Kirchengemeinde Bagband (1696–1900) (= Ostfrieslands Ortssippenbücher 27), Aurich 1991.
Website der Kirchengemeinde (20.12.2018)
Fußnoten
- Nach Hennecke/Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien I, S. 216 (kein mittelalterliches Patrozinium bekannt, im Anschriftenverzeichnis der Landeskirche 2003: Barbara).
- Ostfriesisches UB II, Nr. 961.
- LkAH, A 8 Nr. 25, S. 67.
- Delbanco, Kirchenkampf, S. 92; Smid, Ostfriesische Kirchengeschichte, S. 536.
- Schild, Denkmal-Orgeln I, S. 30.
- Lübben, Wetterschwäne, S. 18.
- LkAH, A 8 Nr. 25, S. 3.
- KABl. 1952, S. 159; LkAH, B 1 A, Nr. 4587 (Verzeichnis der Denkmalsorgeln der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, Stand 01.10.1958).
- Kroon, Bagband, S. 21.
- LkAH, A 8 Nr. 25, S. 27.
- vgl. Hinrich Trauernicht: Das königliche Spetzerfehn. Ein Rückblick auf Spetzerfehns Geschichte (= Schriftenreihe des Arbeitskreises Fehnmuseum Eiland, Westgroßefehn, im Kultur- und Heimatverein Großefehn e. V. 2), Spetzerfehn 1995, S. 7 f.
- LkAH, A 8 Nr. 25, S. 5.