Sprengel Ostfriesland-Ems, KK Emsland-Bentheim | Patrozinium: Christophorus (1992) | KO: Keine Kirchenordnung
Orts- und Kirchengeschichte
Urkundlich ist die spätere Stadt in der Obergrafschaft Bentheim erstmals im Jahr 1154 als Scutthorp belegt.1 Bereits 1288 findet sich in einer Urkunde die Formulierung in opido Scottorpe (in der Stadt Schüttorf).2 Im Jahr 1295 verlieh Gf. Egbert von Bentheim († vor 1311) dem Ort Stadtrechte, mit Zustimmung seiner Frau Hadewig, seines Sohns Otto, seiner weiteren Kinder und seiner Miterben.3 Schüttorf ist die älteste Stadt in der Gft. Bentheim; Räte und Schöffen (consules et scabini) sind erstmals um 1299 nachweisbar.4 1465 bestätigten Gf. Bernhard von Bentheim († 1473) und sein Sohn Eberwein die Stadtrechte.5 Von 1752/53 bis 1804 war die Gft. Bentheim im Pfandbesitz des Kfsm. Braunschweig-Lüneburg (Kurhannover), ab 1806 zählte die Grafschaft zum Ghzm. Berg. Von 1810 bis 1813 gehörte Schüttorf zum Kaiserreich Frankreich (Kanton Bentheim, Arrondissement Neuenhaus, 1811 Département de l’Ems-Occidental, ab Ende April 1811 Département Lippe). Seit 1815 waren Schüttorf und die gesamte Gft. Bentheim Teil des neuen Kgr. Hannover und ab 1823 bestand die Gft. Bentheim innerhalb des Kgr. Hannover als Standesherrschaft der Fs. von Bentheim-Steinfurth; Schüttorf gehörte zum Mediatamt Bentheim. Aus finanziellen Gründen verzichtete Schüttorf 1851/52 auf die Annahme der neuen hannoverschen Städteordnung und zählte daher ab 1852 als Landgemeinde.6 Mit der Annexion des Kgr. Hannover fiel die Schüttorf 1866 an das Kgr. Preußen. Seit Einführung der Kreisverfassung 1885 gehört Schüttorf zum Lkr. Grafschaft Bentheim, im Jahr 1924 erhielt der Ort erneut Stadtrechte. Seit 1970 ist Schüttorf Sitz der gleichnamigen Samtgemeinde; 2011 wurde Suddendorf in die Stadt eingemeindet. Im Jahr 1823 lebten gut 1.040 Menschen in Schüttorf, 1925 knapp 4.840, 1946 etwa 6.770 und 2019 rund 12.875.
„Schüttorf gilt als Urpfarrei im Gau Bursibant“.7 Angeblich soll Bf. Liudger von Münster (amt. 805–809) die Schüttorfer Kirche um 800 gegründet haben. Sie war ursprünglich dem hl. Laurentius geweiht und gehörte zum Bm. Münster. Mit Rutgero et Bertrammo sacerdotibus in Schuttorpe, genannt in der Zeugenliste einer Urkunde des Münsteraners Bischofs aus dem Jahr 1205, sind erstmals Namen Schüttorfer Geistlicher überliefert.8 Die parrochia Scuttorpe (Parochie Schüttorf) ist zuerst im Jahr 1209 genannt.9 Im Jahr 1246, als dominus Godescalus Pleban in Schüttorf war, schenkte Gf. Balduin von Bentheim († 1246/48) die Schüttorfer Laurentiuskirche dem Kloster Wietmarschen.10 In einer Urkunde aus dem Jahr 1285 erscheint der Schüttorfer Pleban Johannes als Zeuge.11 Im Jahr 1394 sind vier Geistliche in Schüttorf belegt: Pfarrer her Hynrike Krulle, die Altaristen her Nycolaus Brunswyc und her Wessel Rolves sowie der Kaplan her Albert Twentine.12 Mindestens von 1474 bis 1498 war Hermann Langenhorst Pfarrer in Schüttorf, ihm folgten sein Neffe Reinold Langenhorst (amt. 1501–1524) und P. Bernhard von Bentheim (amt. 1524/25–1529). Die Laurentiuskirche besaß in spätmittelalterlicher. Zeit mindestens sieben Altäre und Vikarien.13 Seit dem frühen 14. Jh. lässt sich ein Beginenhaus in Schüttorf nachweisen, das 1418 als Schwesternhaus Mariengraden neu gegründet wurde und 1463 die Augustinerregel annahm.14 Eine Schule ist in Schüttorf erstmals im Jahr 1316 belegt.15
Gf. Arnold I. von Bentheim († 1553) rief 1544 die Geistlichen der Grafschaft zu einem Konvent zusammen, bekannte sich öffentlich zum Augsburger Bekenntnis und führte die Reformation in seinem Herrschaftsgebiet ein.16 Das Pfarramt in Schüttorf soll seinerzeit ein P. Heinrich Wull innegehabt haben.17 Das Augsburger Interim von 1548 bedeutete für die Gemeinden der Obergrafschaft zunächst eine Rückkehr zum kath. Ritus; 1554 führte Gf. Everwin III. († 1562) erneut das luth. Bekenntnis ein.18 Die Pfarrstelle in Schüttorf übernahm der aus dem westfälischen Hamm stammende P. Heinrich Wullen (amt. ab etwa 1557), der anscheinend zum ref. Bekenntnis tendierte: Schüttorf gilt als „Quellenort reformierter Überzeugungen“ in der Gft. Bentheim.19 Der Schüttorfer P. Johannes Holstein (amt. 1586–1625), ebenfalls aus Hamm, zählte zu jenen Geistlichen, mit denen sich der 1575 zur ref. Lehre übergetreten Gf. Arnold II. von Bentheim († 1606) im Jahr 1587 über die neue, ref. Kirchenordnung beriet, die er im folgenden Jahr in seiner Grafschaft einführte.20 Im Jahr 1668 schließlich trat Gf. Ernst Wilhelm von Bentheim († 1693) auf Druck des Münsteraner Bf. Christoph Bernhard von Galen (amt. 1650–1678) zur kath. Konfession über.21 Auf dem Gelände der Burg Altena bei Schüttorf fand 1669 erstmals seit der Reformation wieder ein öffentlicher kath. Gottesdienst statt.22 Ab 1670 diente das ehemalige Augustinerinnenklosters in Schüttorf als kath. Kirche. Eine Gegenreformation gelang jedoch nicht und die alte Laurentiuskirche blieb reformiert. Das Laudum regium von 1701 regelte das Nebeneinander von kath. Landesherrn und ev.-ref. Kirche in der Gft. Bentheim und die kath. Messen für die kath. Gemeinde Schüttorf fanden ab 1702 wieder auf der Burg Altena statt. Erst 1867 erhielt Schüttorf eine eigene kath. Kirche.23
Nachdem die Gft. Bentheim 1753 in den Pfandbesitz Kurhannovers gekommen war, zogen einzelne ev.-luth. Beamten- und Soldatenfamilien in die Grafschaft. Für diese kleine luth. Bevölkerung war zunächst das Pfarramt Lingen zuständig. Zum 1. Oktober 1924 errichtete das Hannoveraner Konsistorium zwei neue ev.-luth. Kirchengemeinden: Die KG Bentheim für die Obergrafschaft – also auch für Schüttorf – und die KG Nordhorn für die Niedergrafschaft Bentheim.24 Die Zahl der luth. Familien in Schüttorf blieb jedoch gering und 1945 lebten hier etwa 200 ev.-luth. Gemeindeglieder.25 Mit dem Zuzug Geflüchteter nach Ende des Zweiten Weltkriegs stieg ihre Zahl stark an.
Ab 1947 hielt der Bad Bentheimer Hilfsgeistliche P. Helmut Habenicht (amt. 1945–1981, ab 1950 Pfarrer) monatlich einen luth. Gottesdienst in der Schüttorfer ref. Kirche. Am 14. August 1955 weihte die Gemeinde zusammen mit P. Habenicht und LSup. Adolf Wischmann (amt. 1955–1956) die neue Kirche in Schüttorf ein. Mit P. Helmut Lessing (amt. 1957/59–1970) erhielt Schüttorf einen eigenen ev.-luth. Geistlichen; P. Lessing war zunächst „landeskirchlicher Gemeindepfarrer in Bentheim mit Dienstsitz in Schüttorf“.26 Nach Gründung der eigenständigen „Ev.-luth. KG Schüttorf“ zum 1. Januar 1959 übernahm er die neu errichtete Pfarrstelle der Gemeinde.27 Im Jahr 1960 zählte die neue Gemeinde rund 1.630 Gemeindeglieder, sie bestand „fast ausschließlich aus Heimatvertriebenen und Flüchtlingen“.28 Sie arbeiteten weit überwiegend „in der hiesigen Textil- und Metallindustrie“.
Schon in den Unterlagen zur ersten Visitation der Gemeinde im Jahr 1960 schrieb P. Lessing, Schüttorf brauche ein Gemeindehaus. Gut zwei Jahrzehnte, im Jahr 1981, später konnte das Jugend- und Gemeindezentrum schließlich eröffnet werden. In seinem Bescheid zur Visitation 1987 schrieb der Osnabrücker LSup.: „Beeindruckend ist die Zahl der Kreise und Gruppen“.29 Im Rahmen der Partnerschaft zwischen der hannoverschen und der sächsischen Landeskirche knüpfte die KG Schüttorf Kontakte zur Kirchgemeinde Lauterbach im Erzgebirge (Ephorie Marienberg).30 Nach einer umfassenden Renovierung und Neugestaltung des Altarraums erhielt die Kirche 1992 den Namen Christophoruskirche.
Mitte der 1990er Jahre war die KG Schüttorf eine wachsende Gemeinde, in erster Linie aufgrund des Zuzugs luth. Familien aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion (1994: rund 1.800 Gemeindeglieder).31 Seit März 2012 ist die KG Schüttorf pfarramtlich verbunden mit den KG Emsbüren-Salzbergen und Spelle (Pfarramt Westliches Emsland/Obergrafschaft, zwei Pfarrstellen. Sitz in Salzbergen und Spelle). Zum 1. Januar 2021 kam die KG Bad Bentheim zum verbundenen Pfarramt hinzu (Pfarramt Südliches Emsland/Obergrafschaft, drei Pfarrstellen).
Umfang
Schüttorf sowie Isterberg, Neerlage, Ohne, Samern, Suddendorf, Quendorf und Wengsel.
Aufsichtsbezirk
Mit Gründung der KG 1959 zum KK Emsland-Bentheim.
Kirchenbau
Rechteckbau mit rechteckigem Anbau im Nordwesten, ausgerichtet nach Nordwesten, erbaut 1954/55 (Architekt: Werner Zobel, Nordhorn). Hohe Satteldächer über Schiff und Anbau. Helles Ziegelmauerwerk. An den Längsseiten des Schiffs je fünf hochrechteckige Fenster, dazwischen geböschte Betonstrebepfeiler, die die Dachkonstruktion tragen (Beton). Rechteckiges Hauptportal nach Südosten, darüber schmales, hochrechteckiges Fenster. Im Innern zeltartige Decke, Empore im Südosten, darunter abtrennbarer Gemeinderaum. 1992 Renovierung und Umgestaltung Altarraum.
Turm
Dachreiter über dem Südostgiebel. – Glockenträger neben der Kirche, erbaut 1968. Stahlgerüst, Glockenstube mit Holz verkleidet.
Ausstattung
Altartisch aus Sandsteinblöcken (1992, Michel Fronterré, Uelsen).32 – An der Altarwand dreiteiliger Flügelaltar „Das Licht in der Finsternis“ (1992, Friedrich Hartmann, Gildehaus), Öl auf Holz, in der Gemälde nach Joh 1,5: „Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen“, auf dem linken Flügel Christopherus, auf dem rechten Flügel Gemälde nach Jes 9,1: „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell“; Außenseiten der Flügel nicht bemalt.33 – Kreuz oberhalb des Flügelaltars. – Leicht erhöhte Kanzel aus Sandsteinblöcken (1992, Michel Fronterré, Uelsen). – Taufe aus Sandstein (1992, Michel Fronterré, Uelsen), rundes Becken, vierseitiger Schaft.
Orgel
Orgelneubau 1956, ausgeführt von Alfred Führer (Wilhelmshaven), 5½ I/P, mechanische Traktur, Schleifladen (Emslandpositiv).
Geläut
Drei LG, I: c’’, Inschrift: „Den Menschen ein Wohlgefallen“; II: d’’, „Friede auf Erden“; III: f’’, „Ehre sei Gott in der Höhe“ (alle Bronze, Gj. 1967, F. Otto, Bremen-Hemelingen). – Früherer Bestand: Eine LG, f’’ (Bronze, Gj. 1955, Firma Rincker, Sinn), die Glocke hing im Dachreiter, 1979 verkaufte sie die Gemeinde an die KG Beedenbostel, sie dient dort als SG.
Weitere kirchliche Gebäude
Pfarrhaus (Bj. 1962).
Friedhof
Kein gemeindeeigener Friedhof.
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
E 9 Nr. 799–801 (AfBuK); L 5f Nr. 127, 984 (LSuptur. Osnabrück); S 9 rep. Nr. 2080 (Presseausschnittsammlung).
Literatur
A: Stieglitz, Handbuch, S. 332–333; Weichsler, Hdb. Sprengel Osnabrück, S. 107.
B: 700 Jahre Stadtrechte Schüttorf. 1295–1995. Beiträge zur Geschichte, hrsg. von der Stadt Schüttorf (= Das Bentheimer Land 134), Bad Bentheim 1995; 1955–1995. Die ev.-luth. Kirchengemeinde Schüttorf feiert den 40. Geburtstag ihrer Christophorus-Kirche vom 30.8.–3.9.1995, hrsg. von der Ev.-luth. Kirchengemeinde, Schüttorf, Schüttorf 1995; Wilhelm Berge: Aus der Chronik der Stadt Schüttorf, hrsg. vom Heimatverein der Samtgemeinde Schüttorf (= Schüttorfer Schriftenreihe 4), Bad Bentheim 2020.
GND
2112428-0, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde (Schüttorf).
Website der Kirchengemeinde (10.01.2024)
Fußnoten
- NLA OS Rep 24 c Nr. 1. Jung, Historiae, Codex, S. 19, Nr. VIII [Digitalisat]. Zur Geschichte Schüttorfs vgl. die einzelnen Beiträge in 700 Jahre, S. 9 ff.
- Westfälisches UB III, Nr. 1343.
- Jung, Historiae, Codex, S. 97, Nr. XLVII [Digitalisat]. Zum Schüttorfer Stadtrecht vgl. 700 Jahre, S. 10 ff.
- 700 Jahre, S. 14.
- 700 Jahre, S. 25.
- 700 Jahre, S. 72.
- Stieglitz, Handbuch, S. 332. Vgl. zur vorref. Zeit zudem Goeters, Reformation Bentheim, S. 71 ff., sowie Möller, Bentheim, S. 89 ff.
- Digitale Westfälische Urkundendatenbank (DWUD), http://www.westfaelische-geschichte.de/que52978. Die Liste der „Leitenden Geistlichen“ bei Stieglitz, Handbuch, S. 333, scheint unvollständig.
- Westfälisches UB III, Nr. 57.
- Jung, Historiae, Codex, S. 61, Nr. XXV [Digitalisat]. Zum Kloster Wietmarschen vgl. Dolle, Klosterbuch III, S. 1529 ff., siehe auch Niedersächsische Klosterkarte.
- Jung, Historiae, Codex, S. 89, Nr. XLII [Digitalisat].
- Digitale Westfälische Urkundendatenbank (DWUD), http://www.westfaelische-geschichte.de/que21208.
- Goeters, Reformation Bentheim, S. 72 f.
- Vgl. Dolle, Klosterbuch III, S. 1360 ff., siehe auch Niedersächsische Klosterkarte.
- 700 Jahre, S. 269 ff.
- Zur Reformation in der Gft. Bentheim vgl. knapp Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 22, S. 225 ff. [Digitalisat], sowie Goeters, Reformation Bentheim, bes. S. 87 ff., sowie Möller, Bentheim, S. 284 ff.
- Möller, Bentheim, S. 282. Siehe auch Goeters, Reformation, S. 89, Anm. 145.
- Goeters, Reformation Bentheim, S. 94 ff.
- Goeters, Reformation Bentheim, S. 98 und S. 103 (Zitat).
- Goeters, Reformation Bentheim, S. 101 ff. Die KO wurde „nur in Tecklenburg amtlich eingeführt“, war jedoch „offensichtlich für die bentheimischen Lande insgesamt bestimmt (ebd., S. 106). Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 22, S. 230 ff. [Digitalisat], Text der KO S. 249 ff. [Digitalisat].
- Ausführlich: Wilhelm Kohl: Der Übertritt des Grafen Ernst Wilhelm von Bentheim zur katholischen Kirche (1668), in: Jahrbuch des Vereins für Westfälische Kirchengeschichte 48 (1955), S. 47–96.
- Stieglitz, Handbuch, S. 332 f.
- Stieglitz, Handbuch, S. 332 f.
- KABl. 1924, S. 74 f.
- 1955–1995, [S. 7].
- KABl. 1957, S. 184.
- KABl. 1959, S. 7.
- Dies und das folgende Zitat: LkAH, L 5f, Nr. 127 (Visitation 1960).
- LkAH, L 5f, Nr. 127 (Visitation 1987).
- LkAH, L 5f, Nr. 127 (Visitation 1987). Allgemein: Cordes, Gemeindepartnerschaften, S. 38 ff.
- 1955–1995, [S. 16]; LkAH, L 5f, Nr. 127 (Visitation 1994).
- 700 Jahre, S. 265.
- 700 Jahre, S. 264 f.