Sprengel Stade, KK Rotenburg | Patrozinium: Michael | KO: Keine Kirchenordnung

Orts- und Kirchengeschichte

Im Süden der Stadt Rotenburg hatte sich nach 1945 „ein fast völlig neuer Stadtteil gebildet“, begrenzt durch Wümme, Mühlenstreek und Rodau. 1961 lebten etwa 5.000 Menschen im Mühlenende; nach Einschätzung des Sup. zählte die Bevölkerung 1981 überwiegend zum „gehobenen Mittelstand“.1
Das neue Stadtviertel lasse sich, so formulierte der KV Rotenburg Anfang der 1960er Jahre, „mit seiner bunten Struktur in die etwas konservative alte Stadtkirchengemeinde nur schwer eingliedern“2 und brauche ein eigenes kirchliches Zentrum. Dessen Bau hatte der KV 1960 beschlossen.3 Das Bauprogramm umfasste neben der Kirche mit Glockenturm auch Gemeindehaus, Pfarrhaus und Freifläche. Das Ensemble sollte eine „würdige, auch der neuzeitlichen Umgebung angepaßte, aber möglichst zeitlose Gestaltung erhalten“, wie es der KV in der Ausschreibung des Architektenwettbewerbs schrieb.4
Den Bauplatz erwarb die KG Rotenburg 1961, am 29. September 1963 konnte der Grundstein gelegt werden, am 28. November 1964 weihte der Stader LSup. Hans Hoyer (amt. 1950–1970) die neue Michaelskirche ein und zum 1. Januar 1965 trennte das Landeskirchenamt das Gemeindegebiet von der KG Rotenburg ab und errichtete die „Ev.-luth. Michaels-Kirchengemeinde in Rotenburg“.5 Das Pfarramt der neuen Gemeinde übernahm P. Georg Sundermann (amt. 1964–1987). Im Jahr 1966 eröffnete die KG einen ev. Kindergarten.
Nach der ersten Visitation der KG im Jahre 1969 nannte der Sup. des KK Rotenburg die Michaelsgemeinde „neben Schneverdingen-Heber die erfreulichste Gemeindegründung der letzten Jahre“, bei der mehrere „glückliche Umstände“ zusammenwirkten. Die Gemeinde besitze u. a. „ein modernes, zweckmäßiges, ‚anheimelndes‘ Gemeindezentrum“, verfüge über einen recht „großen Kreis von aufgeschlossenen, interessierten Menschen, die bereit sind, aus den äußeren Gegebenheiten etwas zu machen“, habe „Kirchenvorsteher, die sich etwas einfallen lassen“ und einen Pastor, der „die Gabe hat, sie alle zusammen zuhalten und zu koordinieren“.6 1975 heißt es, dass sich ein Gemeindeleben entwickelt habe, das „im weiten Umkreise Beachtung gefunden hat“.7
Im Jahr 1987 erhielt die Michaelsgemeinde eine zweite Pfarrstelle. Seit 2004 kooperiert die Michaelsgemeinde im Bereich der Jugendarbeit mit der Auferstehungs- und der Stadtkirchengemeinde. Zur „Förderung des kirchlichen Lebens und der diakonischen Arbeit“ gründeten die drei Rotenburger Gemeinden 2006 gemeinsam die Stiftung „Kirche für Rotenburg“.8 2010 intensivierten sie ihre Kooperation mit der Gründung des „Ev.-luth. Kirchengemeindeverbands Rotenburg (Wümme)“. Der Verband bildete die Grundlage einer verlässlichen und verbindlichen Zusammenarbeit, um gemeinsam kirchengemeindliche Aufgaben zu erfüllen; die drei Gemeinden kooperieren inhaltlich, personell und finanzielle (u. a. gemeinsame Pfarrstellenbesetzung).9 Die Trägerschaft des ev. Kindergartens ging 2012 von der Michaelsgemeinde über auf den neugegründeten „Ev.-luth. Kindertagesstättenverband Rotenburg-Verden“.10

Pfarrstellen

I: 1965.11 – II: 1987–2013.12

Umfang

Der südliche Teil Rotenburgs jenseits der Flussläufe Wümme–Wiedau.

Aufsichtsbezirk

Mit Gründung der KG 1965 zum KK Rotenburg.

Kirchenbau

Rechteckbau mit Flachdach, im Süden schließt sich die Pfarrwohnung, im Westen das Gemeindehaus an, Gemeindezentrum erbaut 1963–65 (Architekten: Bernhard Hopp und Rudolf Jäger, Hamburg). Rotbraun verklinkerte Außenwände; große Fensterfläche nach Süden (Glasbausteine), die übrigen Wände fensterlos; Eingang in Südwestecke des nördlichen Vorplatzes, durch gemeinsames Foyer von Kirche und Gemeindehaus. Im Innern flache Holzbalkendecke, rotbraun verklinkerte Wände, niedriges Seitenschiff im Süden, Westempore; am Ostende des Seitenschiffs Taufkapelle mit Oberlicht. 2002 Solaranlage auf dem Dach der Pfarrwohnung installiert.

Turm

Freistehender, querrechteckiger Turm nördlich vor der Kirche, Außenwände verklinkert, im Glockengeschoss hochrechteckige, lanzettartige Schallöffnungen in Betonrahmen.

Ausstattung

Schlichter Altartisch, mächtige Muschelkalkplatte auf zwei Betonblöcken. – An der Altarwand dreiteiliges Relief aus Muschelkalk (1964, Elmar Lindner, Stuttgart), in der Mitte der gekreuzigte Christus, Figuren links und rechts „bewußt nicht näher bestimmt“ (rechts Johannes der Täufer oder römischer Hauptmann, links Maria und Jünger Johannes oder Adam und Eva).13 – Niedrige Kanzel, an der Frontseite Betonrelief „Brennender Dornbusch“ (2. Mos 3,2). – Taufe aus zwei gekreuzten Betonscheiben und Bronzebecken. – Wandmosaik „Die Schöpfung“ in der Eingangshalle. – Außen an der Nordwand: Großplastik „Erzengel Michael“ (etwa 1965, Elmar Lindner, Stuttgart).

Orgel

Orgelpositiv, 5 I/–, mechanische Traktur, Schleiflade, erbaut von Hermann Hillebrand (Altwarmbüchen), 1962/63 von der Stadtkirchengemeinde Rotenburg erworben und 1965 an die Michaelisgemeinde weitergegeben. 1973 erweitert auf 6 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen, Arbeiten ausgeführt von Hermann Hillebrand (Altwarmbüchen). 1982/83 erweitert auf 7 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen, Arbeiten ausgeführt von Hermann Hillebrand (Altwarmbüchen); Orgel 1990 verkauft an die ev.-luth. KG Hermutshausen in Belsenberg. 1990/91 Orgelneubau, ausgeführt von Rudolf Janke (Bovenden), 14 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen.14

Geläut

Fünf LG, I: h’, Friedensglocke, Inschrift: „Uns, Herr, wirst du Frieden schaffen“; II: cis’’, Betglocke, Inschrift: „Herr, lehre uns beten“; III: fis’’, Taufglocke, Inschrift: „Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige“; IV: gis’’, Lobglocke, Inschrift: „Herr, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen“; V: a’’, Glaubensglocke, Inschrift: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht“ (alle Bronze, Gj. 1967, Firma Rincker, Sinn). – Früherer Bestand: Eine LG hʼ (Bronze, Firma Rincker, Sinn), Leihglocke der Firma Rincker, Sinn, 1964–67 im Glockenturm.15

Weitere kirchliche Gebäude

Kindergarten am Lönsweg (Bj. 1966)

Friedhof

Kein kircheneigener Friedhof. Städtische Friedhöfe an der Lindenstraße und an der Freudenthalstraße (Waldfriedhof), beide bis 1973 in Verwaltung der Stadtkirchengemeinde.

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

L 5g Nr. 281, 898 (LSuptur. Stade); S 09 rep Nr. 1963 (Presseausschnittsammlung).

Literatur & Links

A: Heyken, Kirchen II, S. 68–69.

B: Festschrift anläßlich der Einweihung der Ev.-luth. Michaelskirche in Rotenburg, Rotenburg 1964; Dietmar Kohlrausch: 800 Jahre Rotenburg (Wümme). Von der bischöflichen Residenz zur modernen Kreisstadt, Rotenburg 1994.

Internet: Bildarchiv der Kunst & Architektur: Altarraum.

GND

2114048-0, Evangelisch-Lutherische Michaelsgemeinde (Rotenburg (Wümme))


Fußnoten

  1. LkAH, L 5g, Nr. 281 (Visitation 1981).
  2. LkAH, B 2 G 9/Rotenburg, Michael Bd. 1, Bl. 2c (Ausschreibung Architektenwettbewerb).
  3. Zum Bau des Gemeindezentrums vgl. Festschrift, [S. 8 ff.].
  4. LkAH, B 2 G 9/Rotenburg, Michael Bd. 1, Bl. 2d (Ausschreibung Architektenwettbewerb). Vgl. zum Wettbewerb auch LkAH, L 5g, Nr. 898 (Niederschrift Sitzung Preisgericht, 1962).
  5. KABl. 1965, S. 52 f.
  6. LkAH, L 5g, Nr. 281 (Visitation 1969).
  7. LkAH, L 5g, Nr. 281 (Visitation 1975).
  8. Satzung, § 2 (http://www.stiftung-kirche-fuer-rotenburg.de/satzung.php, 04.11.2020).
  9. KABl. 2010, S. 76 ff.
  10. KABl. 2012, S. 294 ff.
  11. KABl. 1965, S. 52 f.
  12. KABl. 1987, S. 52 (dort fälschlich als „St. Michaelis-Kirchengemeinde“ bezeichnet).
  13. Festschrift, [S. 14].
  14. Siehe https://www.orgel-information.de/Orgeln/r/rk-ro/Rotenburg_Michaelskirche.html, 02.12.2020.
  15. Festschrift, [S. 17].