Sprengel Ostfriesland-Ems, KK Aurich | Patrozinium: Zum Guten Hirten (seit 1982)1 | KO: Ostfriesische KO von 1716

Orts- und Kirchengeschichte

Die beiden Moorkolonien entstanden in der zweiten Hälfte des 18. Jh.: Münkeboe ist 1771 erwähnt und Moorhusen 1787.2 Münkeboe und Moorhusen gehörten zum Amt Aurich in der Gft. Ostfriesland, die seit 1744 Teil des Kgr. Preußen war. In den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jh. erlebte Ostfriesland mehrere Herrschaftswechsel: Ab 1807 zählten die beiden Moordörfer zum Kgr. Holland, ab 1810 zum Kaiserreich Frankreich (Département Ems-Oriental, Arrondissement Aurich, Kanton Aurich), ab 1813 wieder zum Kgr. Preußen und ab 1815 zum Kgr. Hannover. Mit der Annexion Hannovers 1866 kehrte Ostfriesland erneut zurück unter preußische Herrschaft. Bei Einführung der Kreisverfassung 1885 kamen Münkeboe und Moorhusen zum Kr. Aurich. Seit 1972 gehören die beiden Orte zur neuen Gemeinde Südbrookmerland. Zur Sozialstruktur der Gemeinde schrieb der Ortspfarrer 1963, sie bestehe aus „Kleinbauern, Kolonisten, Arbeitern, einigen Kaufleuten, den Lehrern der Gemeinde“.3 Im Jahr 1821 lebten jeweils rund 165 Menschen in Moorhusen und Münkeboe, 1925 gut 700 in Moorhusen und etwa 915 in Münkeboe, 1939 knapp 400 und 1.090, 1950 gut 840 und 1.335 und 2023 rund 1.305 und gut 1.730.

Münkeboe, Kirche, evangelisch-lutherisch, Außenansicht

Kirche, Blick von Südosten, 2017, Foto: fentjer, CC BY-NC-ND 4.0

Kirchlich gehörten die beiden Moorkolonien Münkeboe und Moorhusen bis ins späte 19. Jh. zur Kirchengemeinde Engerhafe.4 Bereits seit 1850 bemühten sich die Kolonistenfamilien um einen eigenen Geistlichen und die Einrichtung eines eigenständigen Kirchspiels; entsprechende Anträge aus den Jahren 1850, 1866 und 1872 blieben jedoch erfolglos. Seit 1877 kam der Engerhafer P. Johann Friedrich Wilhelm Remmers (amt. 1877–1895) regelmäßig sonntags nachmittags abwechselnd nach Münkeboe und Moorhusen und hielt einen Gottesdienst in der Schule. Die neuerrichteten Schulen in Moorhusen (1883) und Münkeboe (1885) besaßen jeweils einen Kapellenraum.
In den 1880er Jahren setzte das Auricher Konsistorium die Gründung einer KG für die beiden Moorkolonien wieder auf die Tagesordnung. 1894 wurde ein eigener Friedhof angelegt und zum 1. August 1896 errichtete das Konsistorium die eigenständige ev.-luth. KG Münkeboe-Moorhusen. Die beiden bisherigen Pfarrstellen der KG Engerhafe legte das Konsistorium zusammen und das Gesamtpfarrvermögen teilten die beiden Gemeinden so auf, dass auch in Münkeboe-Moorhusen eine Pfarrstelle eingerichtet werden konnte.5 P. Wilko Heinrich Buss (amt. 1896–1921) war der erste Geistliche der neuen Gemeinde. Die Gottesdienste fanden weiterhin im wöchentlichen Wechsel in den Schulen der beiden Moorkolonien statt.
Im Jahr 1897 konnte P. Buss das neue Pfarrhaus beziehen. Im gleichen Jahr gründete sich ein Posaunenchor. Zur Finanzierung des geplanten Kirchenbaus organisierte die Gemeinde eine Haussammlung in der Provinz Hannover: „Mehr als 30 Leute machten sich auf den Weg […] und brachten nahezu 45.000 Mark zusammen“.6 Die Bauarbeiten begannen Ende 1899 und am zweiten Advent 1900 weihte die Gemeinde ihre neue Kirche ein.7 Die Linden entlang der Allee südöstlich der Kirche wurden 1901 gepflanzt. Etwa gleichzeitig mit der ev.-luth. Gemeinde weihte auch die freikirchliche Baptistengemeinde ein neues Gotteshaus ein. Bis zum Bau der Kapelle in Moorhusen hatte ihr eine 1851 umgebaute Scheune als Bethaus gedient. Seit 1908 ist die Baptistengemeinde Moorhusen eigenständig.8

Münkeboe, Kirche, evangelisch-lutherisch, Außenansicht

Allee zur Kirche, 2017, Foto: fentjer, CC BY-NC-ND 4.0

Während der NS-Zeit hatte P. Enno Janssen (amt. 1933–1952) das Pfarramt der ev.-luth. KG Münkeboe-Moorhusen inne. Er war kein Mitglied der NSDAP und gehörte kirchenpolitisch zur Hannoverschen Bekenntnisgemeinschaft, wie er im „Fragebogen zur Geschichte der Landeskirche von 1933 bis Kriegsende“ angab.9 Im Jahr 1935 lud P. Janssen „eine Woche hindurch“ zu Bekenntnisgottesdiensten ein, um die Gemeinde „in ihrem Widerstandswillen gegen die D.C.“ zu stärken.10 Bei der KV-Wahl 1933 sei es gelungen, den „bisherigen Kirchenvorstand zu erhalten“; ein „den D.C. zuneigendes Mitglied“ sei nach einigen Jahren ausgetreten (vor Juni 1941).11 Nach der Visitation 1935 merkte Sup. Theodor Elster an, der Einfluss der DC in Münkeboe-Moorhusen würde daniederliegen, „wenn sie nicht ständig wieder von Aurich aus An- und Auftrieb bekämen“.12
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs stieg die Zahl der Gemeindeglieder von rund 1.855 im Jahr 1941 auf etwa 2.075 im Jahr 1951.13 In der Nachkriegszeit richtete die Gemeinde Münkeboe-Moorhusen zusammen mit der KG Engerhafe eine gemeinsam Gemeindeschwesternstation ein.14 Im Rahmen der Partnerschaft zwischen der hannoverschen und der sächsischen Landeskirche knüpfte die KG Münkeboe-Moorhusen Kontakte zur Kirchgemeinde Wiesa im Erzgebirge.15 Wesentliche Träger der Partnerschaft sind heute (2023) die Posaunenchöre der beiden Gemeinden, die sich seit 1998 regelmäßig einmal im Jahr treffen.
Im Jahr 1982 erhielt die Kirche der KG Münkeboe-Moorhusen den Namen „Zum Guten Hirten“.16

Umfang

Münkeboe und Moorhusen.

Aufsichtsbezirk

Mit Gründung der KG 1896 zur 1. luth. Insp. in Ostfriesland; ab 1924 KK Aurich.

Kirchenbau
Münkeboe, Kirche, evangelisch-lutherisch, Außenansicht

Kirche, Teilansicht von Südosten, 2017, Foto: fentjer, CC BY-NC-ND 4.0

Neugotischer, dreischiffiger Bau mit dreiseitigem Chorschluss und Anbauten am Chor, ausgerichtet nach Nordosten, erbaut 1899–1900 (Architekt: Friedrich Jacob, Hannover). Walmdächer über Schiff und Chor, je drei Querwalmdächer über den schmalen Seitenschiffen, Anbauten in Verlängerung der Seitenschiffe mit Pultdächern. Backsteinmauerwerk, gestufte Strebepfeiler, Fries unterhalb der Traufe. An den Längsseiten zweigeschossige Fenstergliederung: zwischen den Strebepfeilern je drei schmale, hohe Spitzbogenfenster, darunter je zwei niedrige, schmale Spitzbogenfenster bzw. im Südwestjoch drei; im Nordosten der Seitenschiffe oben fünf schmale Spitzbogenfenster, darunter je ein flachbogiger Nebeneingang, im Südwesten des Schiffs an den Längsseiten je ein flachbogiger Nebeneingang, darüber ein hohes Spitzbogenfenster. An den drei Seiten des Chors je drei gestufte Spitzbogenfenster. Im Innern Kreuzrippengewölbe im Chor, trapezförmige, holzverkleidete Decke im Mittelschiff, flache Holzdecken in den schmalen Seitenschiffen, spitzbogige Arkaden zwischen Mittel- und Seitenschiffen; spitzer Triumphbogen zwischen Chor und Schiff mit Inschrift: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden“; dreiseitige umlaufende Empore, im Südwesten doppelt; stilisierte Vorhangmalerei im unteren Bereich der Chorwände. 1961/62 Instandsetzung Dach. 1972 Neudeckung Dach. 1975–77 Innenrenovierung.

Fenster

Buntglasfenster im Chor (um 1900), im mittleren Fenster Christus als guter Hirte mit Inschrift: „Ich bin der gute Hirte“, die übrigen Fenster ornamental gestaltet.

Turm

Querrechteckiger Turm vor der Südwestfassade, teilweise umbaut. Walmdach, bekrönt mit Schwan. Backsteinmauerwerk, gegliedert mit Ecklisenen und Gesimsen, vor den Ecken je zwei gestufte Strebepfeiler bis zur Traufhöhe des Schiffs. Im Glockengeschoss an den Breitseiten je zwei Spitzbogennischen mit Schallfenstern, an den Schmalseiten je eine. Nach Südwesten flachbogiges Hauptportal, darüber Spitzbogennische mit drei gestuften Spitzbogenfenstern, darüber Backsteinrosette mit Kreisfenster. 1905 Turmhelm bei Sturm beschädigt. 1927 Turmhelm bei Blitzeinschlag beschädigt, in veränderter Form neu errichtet (ursprünglich Satteldach mit hohem, sechsseitigem Dachreiter).17 1970 Instandsetzung Kirchturm.

Ausstattung

Gemauerter, holzverkleideter Altar mit hölzerner Mensa und neugotischem Holzretabel (um 1900, Werkstatt Wallheimer & Schubach, Hannover), Retabel verziert mit Wimpergen und Fialen, bekrönt mit Kruzifix (Kreuzarme abgestützt und mit Fialen bekrönt); unter den beiden Wimpergen Bildfelder mit Ähren und Wein. – Hohe Holzkanzel (um 1900, Werkstatt Wallheimer & Schubach, Hannover), an den Wandungen des polygonalen Kanzelkorbs Blendnischen mit Dreipassbögen und stilisierter Vorhangmalerei. – Schlichter, dreibeiniger Taufständer (1971, Assmann, Lüdenscheid), Bronze. – Hölzerner Taufständer (20./21. Jh.), flaches, rundes Becken; gedrehter, balusterförmiger Schaft; flacher, runder Fuß. – Holzskulptur eines Engels (20./21. Jh.). – Lutherbüste (um 1900, P. Breuer), Gips.

Orgel

Bau der ersten Orgel 1902, ausgeführt von P. Furtwängler & Hammer (Hannover), 11 II/P, pneumatische Traktur, Kegelladen (Opus 463).18 Zinnerne Pfeifen im Ersten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben. 1978–80 Neubau des Orgelwerks, ausgeführt von G. Christian Lobback (Wedel bei Hamburg), 10 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen, ein Register vakant (Trompete 8’ im Manual); Großteil der Pfeifen sowie das Gehäuse der Vorgängerorgel übernommen.

Geläut

Zwei LG, I: fis’ (Bronze, Gj. 1957, Firma Rincker, Sinn); II: a’ (Bronze, Gj. 1900, Firma Radler, Hildesheim), Inschriften: „Der Meister ist da und rufet dich. Joh 11,28“ und „Gegossen von J. J. Radler in Hildesheim 1900“, Bild: Der gute Hirte (zweimal). – Früherer Bestand: Eine große LG (Bronze, Gj. 1900, Firma Radler, Hildesheim), Inschrift: „Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren“, im Ersten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben (1917). Eine LG (Bronze), im Zweiten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben.19

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. 1897) mit Gemeindesaal (ehemalige Pfarrscheune, umgebaut 1968). – Gemeindehaus (Bj. 2003).

Friedhof

Kirchlicher Friedhof südwestlich der Kirche, angelegt 1894, erste Beerdigung 1897, Eigentum der Kirchengemeinde, FKap (Bj. 2004).

Liste der Pastoren (bis 1940)

1896–1921 Wilko Heinrich Buss. – 1922–1932 Hayo Friedrich Eilers. – 1933–1952 Enno Gerhard Janssen.

Angaben nach: Meyer, Pastoren II, S. 160

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 5 Nr. 22, 33 (Spec. Landeskons.); A 6 Nr. 5738 (Pfarrbestallungsakten); A 8 Nr. 296Digitalisat (CB); A 12d, Nr. 89/2, 392Digitalisat, 546, 619, 883 (GSuptur. Aurich); D 80 (EphA Aurich); E 5 Nr. 754 (Konsistorialbaumeister); L 5i Nr. 41, 260, 616 (LSuptur. Aurich); S 09 rep Nr. 1716 (Presseausschnittsammlung); S 11a Nr. 7830 (Findbuch PfA).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1897
Trauungen: ab 1897
Begräbnisse: ab 1897
Kommunikanten: ab 1897
Konfirmationen: ab 1897
Früher siehe Engerhafe.

Literatur & Links

A: Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 960; Meyer, Pastoren II, S. 160; Otte/Rohde, Ostfriesland II, S. 446–447; Rauchheld, Glockenkunde, S. 131; Schoolmann, Kirchen, S. 98–101.

B: Anna Riese (Hg.): 100 Jahre Ev.-Luth. Kirchengemeinde Münkeboe-Moorhusen. 1896–1996, Münkeboe-Moorhusen [1996].

Internet: Bildindex der Kunst & Architektur: Kirche; Historische Ortsdatenbank für Ostfriesland (https://bibliothek.ostfriesischelandschaft.de/hoo/): Ortsartikel Moorhusen (.pdf), Ortsartikel Münkeboe (.pdf).

GND

1036549100, Ev.-Luth. Kirchengemeinde Münkeboe-Moorhusen


Fußnoten

  1. Riese, S. 30.
  2. Vgl. HOO, Ortsartikel Moorhusen und Münkeboe.
  3. LkAH, L 5i, Nr. 260 (Visitation 1963).
  4. Vgl. zum Folgenden: Riese, S. 20 ff.
  5. KABl. 1896, S. 54.
  6. Riese, S. 25.
  7. Die Kirchenstühle waren während der ersten Jahrzehnte noch vermietet, 1934 führte die Gemeinde Freiplätze ein.
  8. Joseph Lehmann: Geschichte der deutschen Baptisten, 2 Bde., Hamburg 1896, Bd. 2, S. 57 [.pdf online (beide Bände)]. Vgl. auch Festschrift. 100 Jahre Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde (Baptisten) Moorhusen. 1908–2008, hrsg. von der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Moorhusen, Südbrookmerland-Moorhusen 2008.
  9. LkAH, S 1 H III, Nr. 1011 Bl. 34. Allgemein zum Fragebogen vgl. Kück, Ausgefüllt, S. 341 ff.
  10. LkAH, S 1 H III, Nr. 1011 Bl. 34.
  11. LkAH, S 1 H III, Nr. 1011 Bl. 34v; LkAH, L 5i, Nr. 41 (Visitation 1941).
  12. LkAH, A 12d, Nr. 392 (Aufnahme 403).
  13. LkAH, L 5i, Nr. 41 (Visitationen 1941 und 1951).
  14. LkAH, L 5i, Nr. 41 (Visitation 1951).
  15. Riese, S. 29. Allgemein: Cordes, Gemeindepartnerschaften, S. 38 ff.
  16. Riese, S. 30.
  17. Abbildung bei Riese, S. 45.
  18. Pape/Schloetmann, Hammer, S. 112.
  19. Riese, S. 27 und S. 48.