Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Hildesheim-Sarstedt | Patrozinium: Paulus | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Schriftlich wird das Dorf erstmals als Hemmitesdurie in einer Urkunde aus dem Jahr 1022 genannt, mit der Ks. Heinrich II. das Hildesheimer Kloster St. Michael und dessen Besitzungen in seinen Schutz nahm.1 Der Ort, seit 1974 Ortsteil der Stadt Hildesheim, gehörte zum Amt Steuerwald des Hochstifts Hildesheim (1523: Kleines Stift) und blieb bis zum Ende des 19. Jh. überwiegend kath. Das 1888 nach Himmelsthür verlegte Frauenheim (Himmelsthür, Frauenheim) ließ die ev. Bevölkerung wachsen und um 1910 waren von gut 1.700 Einwohnern knapp 600 ev. Glaubens. Der Zuzug von Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg vergrößerte die Gemeinde weiter; 1957 zählte sie rund 6.000 Einwohner, die sich gleichmäßig auf beide Konfessionen verteilten (einschließlich des Personals und der Patienten des Frauenheims): „Teils sind evangelische Flüchtlinge in das alte – auch heute noch überwiegend katholische – Dorf eingewiesen worden, ein größerer Teil aber ist in einem neu entstandenen Ortsteil in eigenen Häusern angesiedelt worden.“2 Himmelsthür ist eher mittelständisch geprägt und war bis Anfang der 1990er Jahre ein beliebter Wohnort der Soldaten des Bundeswehrstandorts Hildesheim und ihrer Familien. Von 1978 bis 2015 war Himmelsthür Sitz eines serbisch-orthodoxen Bischofs (zunächst Eparchie für Westeuropa, seit 1990 für Mitteleuropa, 2015 Sitz nach Frankfurt am Main verlegt und Name geändert zu Eparchie für Frankfurt und ganz Deutschland).

Himmelsthür Paulus

Kirche, Blick von Südwesten, 2021, Foto: Wolfram Kändler, CC BY-SA 3.0 de

Die wenigen ev. Familien in Himmelsthür waren seit 1848 in die Hildesheimer Martinigemeinde eingepfarrt. 1857 schloss diese Gemeinde ihre Kirche, bezog die wiederhergestellte Michaeliskirche und übernahm auch deren Namen (Hildesheim, St. Michaelis). Mit der Gründung der Christusgemeinde auf dem Moritzberg kam das Dorf Himmelsthür 1899 zu dieser neuen Gemeinde (Hildesheim, Christus), obwohl sich die Einwohner des Ortes mehrheitlich gegen den Wechsel ausgesprochen hatten.3 Eine eigenständige ev. Kirchengemeinde gründete sich in Himmelsthür zum 1. Oktober 1956 – formal gehörte auch das Frauenheim dazu, die Betreuung der Bewohnerinnen und des Personals lag jedoch in den Händen der Anstaltsgeistlichen (Himmelsthür, Frauenheim).4 Ihre Gottesdienste feierte die neue Gemeinde zunächst im Vorraum der Schule, der wochentags als Turnhalle diente.5 Im Jahre 1958 legte Lbf. Hanns Lilje den Grundstein für die Kirche, 1959 kehrte er zur Weihe zurück. Die Baupläne hatte Konsistorialbaumeister Ernst Witt (1898–1971) entworfen, das Gustav-Adolf- Werk unterstützte den Bau finanziell und in Erinnerung an die 1810 geschlossene Kirche St. Paul in Hildesheim (bis zur Reformation Dominikanerkloster, dann Pfarrkirche) erhielt das neue Gotteshaus den Namen Pauluskirche. Der „schlichte Gestaltungswille“ zeichne das Gebäude aus; er sei im Innern „ebenso konsequent ausgeführt wie bei der Kubatur des Äußeren“6.

Grundsteinlegung, 1958

Grundsteinlegung, 1958

Das Urteil der Visitatoren über die junge Gemeinde fiel regelmäßig sehr positiv aus: der Gottesdienst bilde „bewußt und spürbar die Mitte aller kirchengemeindlichen Bemühungen“7 heißt es etwa 1969, die Arbeit sei „erfreulich vielschichtig“ 1990. Und „großgeschrieben wird in der Paulus-Kirchengemeinde die ökumenische Zusammenarbeit mit der röm.-kath. Kirchengemeinde und mit dem serb.-orth. Zentrum.“8 Seit 1973 unterhält die Gemeinde einen Kinderspielkreis, 1993 zählte sie etwa 4.000 Gemeindeglieder, 2017 rund 3.000. Seit Mai 1990 heißt die Gemeinde „Ev.-luth. Paulus-Kirchengemeinde Himmelsthür in Hildesheim“. Im Jahr 2007 gründete sich die „Paulus Stiftung“, deren Ziel die Unterstützung der kirchlichen Arbeit in der Gemeinde ist; sie fördert die Kinder- und Jugendarbeit und trägt bei zu Personalkosten sowie zum Unterhalt der kirchlichen Gebäude. Wegen der engen Verbindungen zum früheren Frauenheim und zu den heutigen Diakonischen Werken Himmelsthür überreichte der LSup der KG 2007 das Siegel „Diakonische Gemeinde“.9
Seit Gründung der Paulusgemeinde besteht eine Partnerschaft mit der KG Böhlen bei Leipzig.

Umfang

Der Hildesheimer Ortsteil Himmelsthür.

Aufsichtsbezirk

Mit der Gründung der KG zum KK Hildesheim, seit 1. Januar 1999 KK Hildesheim-Sarstedt.10

Kirchenbau
Kirche, Ansicht von Nordosten, Foto: Ernst Witt, Hannover, August 1961

Himmelsthür, Nordansicht, August 1961

Rechteckbau mit Satteldach und angeschlossenem Gemeindesaal im Westen, erbaut 1958/59 (Architekt: Ernst Witt, Bremen). Außenwände teilweise verklinkert, teilweise verputzt; hochgelegene, hochrechteckige Fenster an Längsseiten; am Chor weit herabreichendes, südliches Fensterband, von Klinkerbändern flankiert; Haupteingang im Südwesten, darüber kleiner verkupferter Dachreiter mit Kreuz und Messingkugel, an Nordostecke Anbau mit Verbindungstrakt zum Turm. Südliche Dachflächen mit Solaranlage (seit 2010). Im Innern verschalte, zeltdachartig gestaltete Decke, Westempore.

Turm

Freistehender, schlanker Turm mit verkupfertem Satteldach (quer zum Kirchendach), 42 Meter hoch, nordöstlich der Kirche, Stahlskelettbau, Ost- und Westseite mit Klinkern verblendet, Süd- und Nordseite verputzt. Glockengeschoss mit hochrechteckigen Schallluken, davor Uhrziffernblätter. Kugel, Wetterfahne und Kreuz als Bekrönung.

Kirche, Blick zum Altar, Foto: Ernst Witt, Hannover, Mai 1965

Himmelsthür, Altarraum, Mai 1965

Ausstattung

Schlichter Steinaltar. – Sandsteinkruzifix an Wand hinter Altar (Kurt Lettow, Bremen). – Pastellfarbene Wandteppiche zu Texten des Alten und Neuen Testaments im Altarraum (entworfen von Ursula Ahrens, Hildesheim, gefertigt von Erika Arndt, Hildesheim). – Steintaufe, viereckiger zu Kelch erweiterter Pfeiler. – Kanzel und Lesepult aus Holz. – Fünfteiliges Relief über Haupteingang, Darstellung der Pauluslegende (1961, Erich Brüggemann, Winsen an der Luhe).

Orgel

1956–59 Harmonium, dann Leihpositiv als Interimsorgel, 1959 gebaut von Emil Hammer (Hannover), 4 I, mechanische Traktur Schleifladen (Opus 1466), 1963 abgebaut. 1962-66 Orgelneubau durch Emil Hammer (Hannover) in mehreren Bauabschnitten, 21 II/P mechanische Traktur, Schleifladen (Opus 1514). Prospekt entworfen von Ernst Witt, links im Altarraum aufgestellt. Generalinstandsetzung 1990 durch Firma Johannes Klais (Bonn), u. a. neue Prospektpfeifen. 2003 Dispositionsänderung durch Franz Rietzsch (Hiddestorf), 21 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen.

Geläut

Fünf LG, I: f’, Inschrift: „Gott, dem ewigen König, dem Unvergänglichen und Unsichtbaren, der allein Gott ist, sei Ehre und Preis in Ewigkeit. Amen.“, (Bronze, Gj. 1967, Friedrich Wilhelm Schilling, Heidelberg); II: as’, Inschrift: „Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn; darum wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“; III: b’, Inschrift: „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet.“; IV: des’’, Inschrift: „Freuet euch in dem Herrn alle Wege.“; V: es’’, Inschrift: „Ist jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur, das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden.“, (alle Bronze, Gj. 1959, Friedrich Wilhelm Schilling, Heidelberg).

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. 1966). – Gemeindehaus (Bj. 1959/60, schließt sich an Kirche an). – Küsterhaus (Bj. 1956, ehemaliges Pfarrhaus, kleines Reihenhaus).

Friedhof

Kommunaler Friedhof, 1954 eröffnet, FKap (1988 umgebaut und erweitert).

Liste der Pastoren (bis 1940)

1543–1544 Kornelius Völcker. – 1544–1545 Lüder Gravius (Graf). – 1545–1584 Johannes Zwicker. – 1548–1566 Joachim Bollbrugius (Bollbruge). – 1566–1588 Heinrich Bovius (Bove). – 1587–1603 Heinrich Eberhard. – 1603–1609 Henning Dys(ius) oder Dieß. – 1610–1625 Magister Zacharias Ossenkopp. – 1625–1635 Magister Engelbert Schumacher. – 1636–1649 Magister Johannes Rüden. – 1649–1667 Magister Kaspar Julius Rüden. – 1668–1689 Magister Johannes Albrecht. – 1689–1694 Magister Ludwig Hansen. – 1694–1706 Johannes Justus Hilpert. – 1707–1712 Henning Bernhard Witter. – 1712–1730 Johann Ludwig Maurer. – 1731–1745 Erasmus Schultze. – 1746–1749 Johann Justus Ebeling. – 1749–1759 Heinrich Moritz Weipken. – 1759–1773 Konrad Christoph Keller. – 1773–1787 Friedrich Samuel Sander. – 1787–1789 August Jakob Pätzel. – 1790–1805 Gustav Ernst Wilhelm Dedekind.
Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 512–513

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

D 24 Nr. 94 und 841 (Gustav-Adolf-Werk); S 2 Witt Nr. 15 (Fotosammlung).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1957
Trauungen: ab 1957
Begräbnisse: ab 1957
Kommunikanten: ab 1957
Konfirmationen: ab 1958

Vorher siehe Hildesheim, Christus.

Literatur

A: Pape, Organographia Historica Hildesiensis, S. 273–277; Twachtmann-Schlichter, Stadt Hildesheim, S. 251.
B: Himmelsthür. Beiträge zur Geschichte, hrsg. von der Hildesheimer Volkshochschule e. V., Hildesheim 1999; Margarete Drömann, Hannelore Pinkepank, Ulrike Blanke: Die Pauluskirche Himmelsthür. Chronik und Kirchenführer, Hildesheim 2009.

GND

1100085254, Evangelisch-lutherische Paulusgemeinde Himmelsthür; 1100085572, Pauluskirche (Hildesheim).


Fußnoten

  1. MGH DD H II 479 [Digitalisat]; UB HS Hildesheim I, Nr. 68. Zur echten Stiftungsurkunde und den beiden gefälschten vgl.: Casemir, Krueger, Ohainski & Peters, 1022, S. 54.
  2. LkAH, B 2 G 9/Himmelsthür Bd. I, Bl. 50.
  3. Drömann u. a., S. 7.
  4. KABl. 1956, S. 145; LkAH, L 5h, unverz., Himmelsthür, Visitation 1963: „Die Gemeinde umfaßt ca. 4.000 Seelen, von denen etwa 1.500 Seelen zu dem Frauenheim Himmelsthür gehören und von den dortigen Pastoren betreut werden.“
  5. LkAH, B 2 G 9/Himmelsthür Bd. I, Bl. 50 f.
  6. Twachtmann-Schlichter, Stadt Hildesheim, S. 251.
  7. LkAH, L 5h, unverz., Himmelsthür, Visitation 1969.
  8. LkAH, L 5h, unverz., Himmelsthür, Visitation 1990.
  9. Drömann u. a., S. 24.
  10. KABl. 1998, S. 211 f.