Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Hildesheim-Sarstedt | Patrozinium: Matthäus | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Die 1971 gegründete Matthäusgemeinde umfasst einen Teil der Hildesheimer Südstadt, der erst im 20. Jh. entstand. Die ältesten Wohnbauten stammen aus den späten 30er und frühen 40er Jahren, zu einem Ausbau des Stadtteils kam es erst seit den 60er Jahren und 1970 zog die Pädagogische Hochschule von Alfeld hierher (seit 1989 Universität, seit 2003 Stiftungsuniversität). Der Akademikeranteil in der Gemeinde ist recht hoch, schon im Visitationsbericht 1974 heißt es jedoch: „Daneben aber darf nicht übersehen werden, daß zur Gemeinde genauso viele andere Leute gehören, akademisch nicht gebildet, alt, einsam, arm.“1 Insgesamt ist die Gemeinde mittelständisch geprägt und das Wohngebiet gelte „als eins der besseren und auf jeden Fall bevorzugten unserer Stadt“2 mit einem hohen Anteil an Eigenheimen und entsprechend niedriger Fluktuation der Bevölkerung.

Bereits 1964 erwarb die Timotheusgemeinde (Hildesheim, St. Timotheus) ein Grundstück auf dem Gebiet des neuen Stadtteils, um dort ein Gemeindezentrum zu errichten. Die Planung gestaltete sich schwierig, da das Stadtbauamt Hildesheim den ersten Entwurf ablehnte.3 Die Neuplanung übernahm der Hannoveraner Architekt Dieter Oesterlen, der ein Ensemble aus Kirche, Gemeinde- und Pfarrhaus entwarf. Auf den Bau der Kirche verzichtete die Gemeinde, das Gemeindehaus – ein eingeschossiger Flachbau aus Sichtbeton – konnte sie im August 1970 einweihen. Die Hildesheimer Allgemeine Zeitung nannte den Neubau einen Torso, vermisste den städtebaulichen Akzent und stellte fest, die ev. Kirche sei anscheinend „im Stadium des Bunkerbaus“ angelangt.4 Zum 1. Januar 1971 konstituierte sich die eigenständige Matthäusgemeinde und übernahm von der Muttergemeinde St. Timotheus die zweite Pfarrstelle.5 Zu den Aufgaben des Ortspfarrers gehörte auch die Betreuung der Studentengemeinde. Nach der Gemeindegründung entwickelte ein Kreis von Gemeindegliedern zusammen mit dem Ortspastor eine eigene Gottesdienstordnung und Liturgie (eine reduzierte und in Teilen umgestellte Version der Agende I). Dies sei „ein Unikum, eine singuläre Erscheinung“ merkte der zuständige Sup. bei der ersten Visitation der Gemeinde 1974 durchaus kritisch an.6 Sechs Jahre später bezeichnete der LSup. die Gottesdienstordnung als „seit jeher fragwürdig“7 und 1986 konnte sich der visitierende Sup. schließlich darüber freuen, dass die mittlerweile eingeführte Liturgie sich von „absonderlichen, elitären (?) Vorstellungen“8 verabschiedet habe. Die Matthäus-Gottesdienste behielten jedoch einen eigenen Charakter.
1974 hatte die Gemeinde gut 1.750 Mitglieder, nachdem ein Teil der KG Lechstedt 1984 nach Matthäus umgepfarrt worden war, stieg die Zahl bis 1986 auf rund. 3.300. Gleichzeitig mit der Vergrößerung des Gemeindegebiets hatte das Landeskirchenamt 1984 eine zweite Pfarrstelle eingerichtet.9 Seit 1986 ist die Gemeinde Trägerin eines ev. Kindergartens. 1987 erweiterte die KG ihr Gemeindezentrum um einen Kirchsaal, der als eigenständiger Baukörper mit sechseckigem Grundriss und Zeltdach einen deutlich sakralen Charakter erhielt. „Dieses Projekt hat die ganze Gemeinde in Bewegung gebracht“10, urteilte der Visitator bereits 1986. Neben der Landeskirche und der Matthäusgemeinde selbst trugen auch die übrigen Gemeinden des Kirchenkreises zur Finanzierung des Neubaus bei. Um die Kosten zu senken, musste die Gemeinde auf den geplanten Glockenträger verzichten. Seit 2004 war eine der beiden Pfarrstellen der Gemeinde vakant, 2008 hob das Landeskirchenamt sie auf.11 Im Jahr 2006 gründete sich der „Förderverein der ev.-luth. Matthäusgemeinde e. V.“ zu dessen Zielen es zählt, Personalstellen zu erhalten, Baumaßnahmen zu unterstützen und mit Veranstaltungen und Projekten das Gemeindeleben zu fördern.
Zum 1. Januar 2012 schloss sich die Matthäusgemeinde mit der Paul-Gerhardt-Gemeinde (Hildesheim, Paul Gerhardt) und der Katharina-von-Bora-Gemeinde (Itzum) zum Kirchengemeindeverband Hildesheim-Ost zusammen.12 Ziel ist es, bei gemeinsamen Aufgaben finanziell und personell stärker zu kooperieren.

Pfarrstellen

I: 1971–2008 (seit 2004 vakant), 2008.13 – II: 1984–2008 (dann I).

Umfang

Südstadt Hildesheim (östliche Teile der Marienburger Höhe).

Aufsichtsbezirk

Mit Gründung zum KK Hildesheim, seit 1. Januar 1999 KK Hildesheim-Sarstedt.14

Kirchenbau

Kirchensaal mit sechseckigem Grundriss, Zeltdach mit bekrönendem Kreuz, erbaut 1987, Entwurf Dieter Oesterlen (Hannover), Entwurfsbearbeitung und Ausführung Jürgen Hamann und Dieter Hoerschelmann, (Hildesheim). Vertikale Fensterbänder in West- und Nordostwand. Im Innern spitz zulaufende Holzdecke, Altarraum im Norden.

Ausstattung

Schlichter Altartisch. – Hölzernes Wandkreuz.

Orgel

1970 Kauf einer elektronischen Orgel (Lipp, Type Cantate LP 11).

Geläut

Keine Glocken. Glockenträger 1985 zur Kostenersparnis aus Bauplanung gestrichen.15

Weitere kirchliche Gebäude

Gemeindezentrum mit Gemeindehaus und Pfarrhaus (Bj. 1969/70, eingeschossige Sichtbetonbauten mit Flachdach, Architekt Dieter Oesterlen).

Literatur

A: Pape, Organographia Historica Hildesiensis, S. 345.


Fußnoten

  1. LkAH, L 5h, Hildesheim, Matthäus, Visitation 1974.
  2. LkAH, L 5h, Hildesheim, Matthäus, Visitation 1980.
  3. LkAH, B 2 G 9/Hildesheim, Matthäus Bd. I, Bl. 74 ff.
  4. LkAH, S 9, Hildesheim, Matthäus.
  5. KABl. 1971, S. 13.
  6. LkAH, L 5h, Hildesheim, Matthäus, Visitation 1974.
  7. LkAH, L 5h, Hildesheim, Matthäus, Visitation 1980.
  8. LkAH, L 5h, Hildesheim, Matthäus, Visitation 1986.
  9. KABl. 1984, S. 1 f.
  10. LkAH, L 5h, Hildesheim, Matthäus, Visitation 1986.
  11. KABl. 2008, S. 155 f.
  12. KABl. 2012, S. 21.
  13. KABl. 2008, S. 155 f.
  14. KABl. 1998, S. 211 f.
  15. LkAH, B 2 G 9/Hildesheim, Matthäus Bd. II, Bl. 67.