Sprengel Hannover, Stadtkirchenverband Hannover, Amtsbereich Süd-Ost | Patrozinium: Martin (seit 1963) | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Anderten (seit 1974 Stadtteil von Hannover) entstand wohl in karolingischer Zeit (um 785/800) als genossenschaftliche Ansiedlung fränkischer Bauern, die als Militärkolonisten zur Pazifizierung der unterworfenen Sachsen beitragen sollten. Urkundlich erscheint es erstmals zwischen 983 und 993 bei der Neufestlegung der Diözesangrenze zwischen Minden und Hildesheim (bzw. Ostfalen und Engern) durch Otto III., als unter den Zeugen Bernhard Bidonis filius Ondertunum genannt wird.1 Der Ort war später hildesheimisches Lehen. Mit dem Verkauf der sogenannten Großen Grafschaft (Großes Freie) durch Gf. Heinrich von Lauenrode kam es in den Besitz Hzg. Ottos von Braunschweig und Lüneburg, bei den Teilungen des Hzm. 1252 an Braunschweig, später zu Lüneburg. Die tatsächliche Herrschaft konnten Welfen indessen erst 1523 mit dem Ende der Hildesheimer Stiftsfehde durchsetzen. Als Teil des Großen Freien unterstand Anderten der Verwaltung der Amtsvogtei Ilten.

Kirche, Ansicht von Südosten, Postkarte, um 1966

Kirche, Ansicht von Südosten, Postkarte, um 1966

Anderten war ursprünglich der Parochie Kirchrode zugewiesen (Archidiakonat Sarstedt der Diözese Hildesheim) und wird in einem Güterverzeichnis der Freien vor dem Walde (1529)2 sowie im Lüneburgischen Pfründenverzeichnis von 1534 als KapG erwähnt.3 Ernst der Bekenner führte ab 1527 die Reformation im Fsm. Lüneburg ein, doch blieb die Muttergemeinde Kirchrode als Besitz des Klosters Marienrode vielleicht noch bis 1548 kath. Damit mag auch zusammenhängen, dass Anderten im Pfründeregister von 1534 der Parochie Döhren (Hannover-Döhren, Petri) zugeordnet wird. Zeitweilig unterstand es wohl auch dem Ksp. Ilten, wobei Art und Dauer dieser Verbindung umstritten sind. 1543 hatten jedenfalls die Einwohner von Anderten das Vierzeitengeld an den Geistlichen von Ilten zu entrichten.4 Auch die Kapellenrechnungen wurden seit 1554 vom Iltener Pfarrer geführt. 1597 ist wieder Kirchrode als Muttergemeinde belegt. Nach Übergriffen auf die Kirchgänger übernahm auf Wunsch des Iltener Amtsvogts der Iltener P. Jonas Rethberg (amt. 1600–1626) für einige Jahre Predigten in der Kapelle von Anderten, doch wurde eine Initiative des Amtsvogts Osthoff zur Umpfarrung nach Ilten 1662 von den Einwohner von Anderten abgelehnt. Sie erhielten stattdessen von Hzg. Georg Wilhelm die Genehmigung, weiterhin die Kirche in Kirchrode zu besuchen. Zusätzlich predigte um 1667 der Kirchröder Pfarrer zweimal jährlich zu Martini und Mitfasten in der Kapelle.5 1670 wurde Anderten mit seiner Kapelle als Filial von Kirchrode angegeben, doch nahm auf Anweisung des Konsistoriums auch der Iltener P. Joachim von Broitzem (amt. 1648–1683) in seiner Zeit gottesdienstliche Handlungen in der Kapelle vor. 1752 erfolgte formal die endgültige Eingliederung nach Kirchrode. Das Kapellenregister, das bislang noch bei den Visitationen in Ilten geprüft wurde, wurde jetzt bei der Visitation von Kirchrode abgenommen.
Mit dem 1. Oktober 1950 wurde Anderten unter Auspfarrung aus der KG Kirchrode verselbständigt.6 Die gotische Kapelle wurde, um den wachsenden räumlichen Bedürfnissen gerecht zu werden, nach Plänen des Architekten Peter Hübotter (Kirchrode) zur Kirche erweitert und am 28. November 1954 von LSup. Laasch eingeweiht. Seit 1963 führt sie den Namen St.-Martins-Kirche. 1970 konstituierte sich ein kirchlicher Bauverein zur Unterstützung des Ausbaus und der Unterhaltung des Gemeindezentrums sowie der Orgel. Ein neues Pfarrhaus konnte im März 1970 bezogen werden.7 Das starke Wachstum der Gemeinde erforderte 1973 die Errichtung einer zweiten Pfarrstelle. Im gleichen Jahr wurde ein KiGa eröffnet, 2001 ein neues Gemeindehaus. – Der diakonische Auftrag wurde u. a. durch das seit 1968 bestehende Altenwerk St. Martin mit Altenwohnungen und Tagesbegegnungsstätte wahrgenommen (seit 1999 in der Trägerschaft des Diakoniewerke St. Aegidien). Zur finanziellen Unterstützung der kirchengemeindlichen Arbeit besteht seit 2007 die St.-Martin-Stiftung. Partner-Gemeinde von St. Martin ist die Erlöser-KG Bärenstein im Erzgebirge (Sachsen).

Pfarrstellen

I: 1. Oktober 1950. – II: 1. Januar 19738; 15. Januar 1999 aufgehoben.9

Umfang

Der Stadtteil Anderten der Stadt Hannover.

Aufsichtsbezirk

Bei Errichtung der KG zum KK Hannover II, 1. September 1961 in den neu errichteten KK Hannover-Ost umgegliedert.10 1. Juli 1999 KK Stadtkirchenverband Hannover und dort ab 1. Januar 2001 zum Amtsbereich Ost11; seit 1. Januar 2013 Amtsbereich Süd-Ost.12

Kirchenbau

Ursprünglich gotische Backsteinkapelle (vor 1450), nach einem Brand (1661), bei dem der Innenraum zerstört wurde, 1663 renoviert. 1884 Anbau eines neugotischen Glockenturms im Westen. Im Zuge der Erweiterung zur Kirche wurden 1954 Turm und Westwand der Kapelle abgebrochen. Neubau als einschiffiger Saalbau aus Verblendmauerwerk. Verschalte Holzbalkendecke. Orgelempore. Der östliche Teil der Kapelle wurde Chorraum der Kirche. 1977 Anbau einer Sakristei und eines Gemeindesaals, der Kirchenschiff und Turm miteinander verbindet.

Fenster

Im Chorraum bleiverglaste Fenster von Hans Matschinski, Braunschweig (1960), davon drei mit figürlichen Darstellungen (Geburt Jesu, Kreuzigung, Pfingsten).

Turm

Turm aus Verblendmauerwerk; Bekrönung mit Stahlkreuz.

Ausstattung

Altarunterbau und mensa aus Waschbeton. – Hölzerner Taufständer (20. Jh., Stiftung der Ev. Frauenhilfe). – Zwölf den Aposteln zugeordnete Wandkerzenhalter aus Gelbguss (Siegfried Zimmermann, 1955). – Altes Altarretabel mit Abendmahlszene (17. Jh.).

Orgel

1895 Neubau durch Becker, 6 I/P, mechanische Traktur, Kegellade. Für die vergrößerte Kirche wurde das alte Werk nicht übernommen. Sie erhielt 1958 einen Neubau der Firma Hermann Hillebrand (Altwarmbüchen); 17 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen. 1969 Renovierung durch Wilfried Müller (Arpke). 1986 Renovierung durch Firma Emil Hammer (Arnum). 1998 Ankauf einer elektronischen Orgel der Firma Ahlborn (Ditzingen), 27 II/P. Die abgängige Hillebrand-Orgel wurde stillgelegt.

Geläut

Drei LG, I: b’; II: des’’; III: es’’’ (alle Bronze, Gj. 1955, Friedrich Wilhelm Schilling, Heidelberg), gestiftet durch die politische Gemeinde. – Früherer Bestand: Eine Bronzeglocke in d’’ aus der früheren Kapelle (Gj. 1884, Friedrich Dreyer, Linden/Hannover) wurde 1977 per Leihvertrag an die St.-Marien-Kapelle des Ev.-luth. Diakoniewerks St. Ägidien in Anderten abgegeben.13

Friedhof

Ursprünglich unmittelbar bei der Kapelle. Nach dessen Vollbelegung fanden Beisetzungen je nach Zugehörigkeit der KapG in Ilten oder Kirchrode statt. 1876 erwarben Andertener Bürger einen abgegrenzten Teil des Kirchröder Friedhofs an der Ostfeldstraße, der bis 1954 durch die St.-Martins-KG, danach von der politischen Gemeinde Anderten und ab 1974/81 von der Stadt Hannover verwaltet wurde. 1948 und 1979 erweitert. FKap St. Salvator, Bj. 1877, 1967 nach Entwurf von Hans-Albert Ahrens vergrößert.

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 4533–4535 (Pfarroffizialsachen).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1950
Trauungen: ab 1950
Begräbnisse: ab 1951
Kommunikanten: ab 1950
Konfirmationen: ab 1950

Früher siehe Hannover, Jacobi Kirchrode

Literatur

A: Wolff, KD Kr. Burgdorf und Fallingbostel, S. 8–10.
B: Anton Scholand: Anderten und die Freien vor dem Nordwalde, Hildesheim 1970.


Fußnoten

  1. UB HS Hildesheim I, Nr. 35. Die Urkunde ist nur in einer Abschrift des 11. Jahrhunderts überliefert.
  2. Werner, Register Amtsvogtei Ilten, S. 31.
  3. Salfeld, Pfründenregister, S. 102.
  4. Kayser, Kirchenvisitationen, S. 485.
  5. Werner, Register Amtsvogtei Ilten, S. 382.
  6. KABl. 1950, S. 114.
  7. LkAH, L 5d, unverz., Anderten, Visitation 1971.
  8. KABl. 1973, S. 11.
  9. KABl. 1999, S. 90.
  10. KABl. 1961, S. 145.
  11. KABl. 2000, S. 261.
  12. KABl. 2013, S. 30.
  13. LKA, G 9 B/Anderten.