Sprengel Osnabrück, KK Grafschaft Diepholz | Patrozinium: Maria | KO: Lüneburger KO von 1643

Orts- und Kirchengeschichte
Kirche, Blick zum Altar, Foto: Ernst Witt, Hannover, April 1956

Kirche, Blick zum Altar, Foto: Ernst Witt, Hannover, April 1956

Ortsteil der Gemeinde Hüde an der Ostseite des Dümmersees, 1140/53 in der Regierungszeit des Bf. Heinrich I. von Minden mit einer cellula in Burlage erstmals urkundlich erwähnt. Dabei handelte es sich wohl um eine um 1100 gegründete Missionszelle, die später in ein Benediktinerinnenkloster umgewandelt wurde. Eine Gründungsurkunde ist nicht überliefert. Um 1350 lebten im Kloster 24 Nonnen, die überwiegend dem Diepholzer, Mindener und Osnabrücker Landadel entstammten. Burlage gehörte ursprünglich zum Parochialverband Dielingen. Das Ksp. entstand Mitte des 12. Jh. im Zuge der Reformierung des Klosters durch Bf. Heinrich I. von Minden. Zur Hebung ihrer Einkünfte wurde der Klosterkirche die Seelsorge in den Dörfern Marl (1206/09) und wohl auch Hüde (teilweise) übertragen. Das Ksp. Marl, das gelegentlich in den Quellen erscheint, war vermutlich mit dem in Burlage identisch. Hinweise auf eine selbständige Parochie gibt es nicht. Marl verfügte über eine mittelalterliche Kapelle (1234: Conradus capellanus noster de Merla), die bald nach Einführung der Reformation in der Gft. Diepholz (1528/30) untergegangen sein wird. Das Kloster in Burlage blieb vorläufig erhalten, seine Konventualinnen nahmen das ev. Bekenntnis an. Gf. Johann von Diepholz hob das Kloster 1538 auf, gründete am 29. November 1538 eine luth. Pfarrstelle und dotierte sie aus den ehemaligen Klostergütern.1 Die Propsteieinkünfte wurden nach dem Tod des letzten geistlichen Klostervorstehers dem Advokaten Reinhold vom Sande überwiesen. Nach dessen Verzicht kamen sie an den Gf. Friedrich II., der die Erträge größtenteils für herrschaftliche Zwecke verwendete. Noch über das Ende der Gft. (1585) hinaus blieben einige Pfründestellen für die Versorgung unverheirateter Töchter des Diepholzer Adels erhalten. Erst 1662 wurde das Stift endgültig aufgehoben. Die Klostergebäude wurden zu einem Vorwerk des Amts Lemförde.
Die auf einer Anhöhe gelegene Kirche entstand in ihrer heutigen Form im 16. Jh. unter Verwendung älterer Bauteile und Einbeziehung der asymmetrisch vor der Ostwand sich anschließenden kleinen spätgotischen Kapelle mit Kreuzrippengewölbe (heute Sakristei). Nord- und Ostwand stammen noch aus einer älteren Bauphase, vielleicht von 1436. Die Südwand wurde 1889 erneuert. Der Innenraum erfuhr unter P. Friderici 1713 eine vollständige Erneuerung.
1798/99 wurde das baufällige Pfarrhaus abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt. Nach dem Bau eines neuen Pfarrgemeindehauses nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es 1977 an die Landeskirche verkauft und dem CVJM Osnabrück als Freizeitheim übereignet.

Umfang

Ursprünglich Marl und Hüde sowie vermutlich Lemförde, das vor 1497 selbständige Parochie wurde. Im 12./13. Jh. wurde die Friesenkolonie am Dümmer einbezogen. Zur Reformationszeit umfasste das Ksp. die Dörfer der Vogtei Marl.2 Stand 1823: Burlage, Hagewede, Hüde, Lembruch, Marl und Sandbrink sowie die Höfe Evershorst, Eickhöpen, Haßling und Kuhlhorst. Mit dem 1. Januar 1974 wurde die bereits seit 1933 mit Burlage pfarramtlich verbundene KG Düversbruch eingegliedert.3

Aufsichtsbezirk

Archidiakonat Lübbecke der Diözese Minden. – 1538 zur Insp. Diepholz (1530 gegründet, 1924 KK, ab 1. Januar 1969 unter der Bezeichnung KK Grafschaft Diepholz).

Patronat

Der Landesherr (bis 1871).

Kirchenbau

Vierachsiger verputzter Bruchsteinbau unter Satteldach. Ostgiebel aus Fachwerk. An der Ostseite zur Mittelachse nach Süden versetzt schließt sich die alte Kapelle des Klosters Burlage als Sakristeianbau an. Brauthaus im Norden. Der Innenraum wird durch eine dreiseitig umlaufende Empore (an der Südseite von 1595, Nordseite 1687) gegliedert. Innenrenovierung 1955.

Turm

Gedrungener viereckiger Westturm (dat. über dem Eingang 1792) mit einer ins Achteck überführten Spitze. Die Turmhalle wurde 1959 durch den Kirchenmaler Oetken (Delmenhorst) als Gedenkstätte für die Kriegsgefallenen ausgestaltet. Der Dachstuhl des Turms wurde im September 1990 durch einen Brandanschlag zerstört.

Kirche, Blick zur Empore, Foto: Ernst Witt, Hannover, April 1956

Kirche, Blick zur Empore, Foto: Ernst Witt, Hannover, April 1956

Ausstattung

Barocker Kanzelaltar aus der Werkstatt des Bildhauers Hunderdosse, Quakenbrück (1713); auf der Kanzelbrüstung des fünfseitigen Kanzelkorbs mittig Christus mit der Weltkugel, zu seinen Seiten je zwei Evangelisten. Darunter auf der Predella zwei Inschriftenkartuschen. – Farbig gefasster ovaler Taufständer aus Holz mit Darstellung der Taufe Christi auf dem Schaft, ebenfalls aus der Werkstatt Hunderdosse (1713). – Holzskulptur der Anna Selbdritt (Ende 14./Anfang 15. Jh.). – zwei frühbarocke Heroldsengel. – An der Brüstung der Orgelempore drei Bilder des Malers Hinrich Jacob Kramer (David mit der Harfe, zwei Posaune blasende Engel, 1737). – Zwölfarmiger Gelbgussleuchter (gestiftet 1725). – In der Sakristei (ehemalig Kapelle): Sakramentsschränkchen (um 1310). – Elf Apostelfiguren und eine Muttergottesstatue aus Stein (zweite Hälfte 15. Jh.). – Im Fußboden Grabplatten der P. Heinrich Meinecke († 1696) und Gustav Andreas Cassius († 1712). – An der Westwand des Schiffs neben dem Turm zwei Grabplatten, u. a. der Agnes von Kanne, geb. Ahedemann († 1591). An der Südseite der Kirche weitere Grabsteine des 18. Jh.

Orgel

Die erste Orgel wurde auf einer Orgelprieche in der Südostecke des Schiffs rechts hinter dem Altar durch Johann Bernhard Classing (Herford) erbaut; 9 I/aP. 1763 durch Heinrich Wilhelm Eckmann (Quakenbrück) instandgesetzt4, 1813 durch den Orgelbauer Quellhorst innerhalb der Kirche an den jetzigen Standort verlegt. 1897 Neubau durch Gebrüder Rohlfing (Osnabrück) unter Verwendung des alten Prospekts, 10 I/P, pneumatische Traktur, Bälgchenladen. 1896 erneute Instandsetzung.5 1917 Ausbau der Prospektpfeifen. 1955 durch die Firma Haupt (Osnabrück) in der Disposition verändert. 1970 Neubau durch Hans Wolf (Verden) hinter dem denkmalgeschützten Prospekt von 17176, die Pfeifen teilweise von 1905, 9 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen.

Geläut

Drei LG in fis’, gis’ und h’ (alle Bronze, Gj. 1991, Gebrüder Rincker, Sinn). – Früherer Bestand: Bekannt sind aus dem alten Geläut eine kleine LG von 1485 (Margaretha) und eine große LG, die 1773 und 1776 von Friedrich Moritz Rincker (Osnabrück)7 umgegossen wurde. Beide wurden 1890 in Zahlung gegeben, als die KG zwei neue LG von J. J. Radler & Söhne (Hildesheim) erhielt. Von diesen wurde die größere 1917 zu Rüstungszwecken abgeliefert, 1935 durch eine neue LG der Firma Radler & Söhne ersetzt und auch diese 1942 angegeben. Zur verbliebenen Radler-Glocke (g’/gis’) kaufte die Gemeinde 1978 von der Karlsruher Glockengießerei eine Gebrauchtglocke in fis’ (Bronze, Gj. 1912, Ulrich Kortler, München; ursprünglich für die kath. Kirche in Mitteleschenbach). Beide Glocken wurden beim Brand des Turmes 1990 beschädigt.

Friedhof

Eigentum der KG. Auf dem Kirchhof, 1830 erweitert. Bedeutender Bestand an historischen Grabdenkmälern. FKap (Bj. 1967/68).

Liste der Pastoren (bis 1940)

1538–1557 Cordt Flos. – 1558–1577 (?) Hermann Major. – 1618–1643 Magister Johann Dreier. – 1643–1667 Bernhard Dreier. – 1667–1696 Henricus Meinike. – 1696–1708 Johan Elvers. – 1711–1712 Gustav Andreas Cassius. – 1712–1744 Johann Heinrich Friederici. – 1744–1750 Magister Daniel Gerhard Lüllmann. – 1751–1767 Caspar Elias Christian Gaschitz. – 1767–1795 Magister Wilhelm Ludwig Schmidt. – 1796–1831 Georg Friedrich Oldendorp. – 1831–1835 Georg Friedrich Wilhelm Gottfried Reusch. – 1835–1840 Georg Ludwig Friedrich Denkert. – 1840–1848 Heinrich Christoph Christian Karl Müller. – 1849–1850 Rudolph Wolde. – 1850–1860 Johann Karl Friedrich Wegener. – I860–1880 Eduard Wiecker. – 1882–1890 Gustav Karl Otto Wiesen. – 1891–1899 Georg Julius Anthon Heinrich Elster. – 1900–1928 Ernst EmilWöhrmann. – 1929–1935 Hermann Bertus Karl Bourbeck. – 1936–1976 Martin Storkebaum.

Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 155

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 1699–1710 (Pfarroffizialsachen), A 6 Nr. 1363–1374 (Pfarrbestallungsakten); A 8 Nr. 87Digitalisat (CB); A 9 Nr. 376Digitalisat, 377Digitalisat, 378Digitalisat, 379Digitalisat (Visitationen); D 31 (EphA Diepholz).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1667 (Lücken: 1708, 1710; unvollständig: 1711, 1712)
Trauungen: ab 1667 (Lücken: 1708– Juni 1712)
Begräbnisse: ab 1667 (Lücken: 1708– Juni 1712)
Kommunikanten: ab 1824 (Lücken: 1849–1853, 1932; unvollständig: 1839–1841, 1931, 1933)
Konfirmationen: ab 1768 (Lücken: 1795, 1796)

Literatur & Links

A: Aye/Kronenberg, Taufbecken, S. 90 f., Nr. 71; Dienwiebel, Ortsverzeichnis Hoya/Diepholz I, S. 108; Gade, Hoya und Diepholz II, S. 556–562; Weichsler, Hdb. Sprengel Osnabrück, S. 153 f.

B: Ludger von Husen (Red.): Geschichte der Gemeinde Marl 1140–1990. Festschrift zur 850-Jahrfeier der Gemeinde Marl und der Kirche zu Burlage, Marl, 1990; Emil Johannes Guttzeit: Die Kirche Burlage und ihre barocken Grabsteine, in: Heimat-Blätter für die Grafschaft Diepholz, 21. September 1960; Hans-Christoph Hoffmann: Evang.-luth. St. Marienkirche Burlage/Dümmer, [München/Zürich 1988].

Internet: Familienkunde Niedersachsen: Pastorenliste (.pdf)


Fußnoten

  1. Kinghorst, Diepholz, S. 153; Moormeyer, Diepholz, S. 23.
  2. Kinghorst, Diepholz, S. 98.
  3. KABl. 1974, S. 33.
  4. Dobelmann, Orgelbauer, S. 91.
  5. LkAH, L 5g, Nr. 90 (KMD Prenzler, Bericht über die Revision der Orgel der ev.-luth. Kirche in Burlage, 04.10.1946).
  6. LKA G 9 B/Barkhausen (Liste der denkmalgeschützten Orgelprospekte im Sprengel Osnabrück, Stand Februar 1991).
  7. LkAH, D 96 Spec. Colnrade 513-2 (Schreiben von Rincker vom 14.10.1774).