Sprengel Stade, KK Bremerhaven | Patrozinium: Kreuz | KO: Keine Kirchenordnung

Orts- und Kirchengeschichte
zweite Kirche, Ansicht von Nordosten, vor 1944

Zweite Kirche, Ansicht von Nordosten, vor 1944

Der Kern der heutigen Stadt Bremerhaven (Stadtteil Mitte) geht auf die Anlage des neuen Bremer Hafens an der Nordseite der Geestemündung zurück, dessen Gelände die Stadt 1827 dem Kgr. Hannover abgekauft hatte. Durch die gezielte Ansiedlung von Kolonisten wuchs der zugehörige Wohnplatz rasch an und hatte 1871 bereits über 10.000 Einwohner. Gemäß eines Übereinkommens mit der hannoverschen Regierung waren die Einwohner zunächst je nach Bekenntnis der ref. und luth. KG in Lehe zugewiesen. Auf eine Initiative des Bürgermeisters Johann Smidt billigte der Senat 1842 die Bildung einer gemeinsamen KG für beide ev. Konfessionen. 1946 trat ein zwölfköpfiger Kirchenausschuss aus ref. und luth. Mitgliedern zusammen. 1852 wurde der Rationalist Theodor Wolf zum P. gewählt und 1853/54 wurde die heutige Bürgermeister-Smidt-Gedächtniskirche errichtet. 1854 wurde eine unierte KO für die „Vereinigte Evangelische Gemeinde“ erlassen.
Schon 1849 hatte der Senat der Stadt Bremen mit dem Erbauer des damaligen Auswandererhauses einen Vertrag über die Nutzung der dortigen Kapelle für Gemeindegottesdienste abgeschlossen. Als Prediger wurde der Rektor der ref. Knabenschule in Lehe, Dreier, angestellt, dem bis zum endgültigen Aufbau kirchlicher Einrichtungen in Bremerhaven auch die Vornahme von Amtshandlungen zugestanden wurde. Proteste von luth. Hausvätern gegen die Berufung von P. Wolf führten dazu, dass die GD in der Auswandererkapelle auch nach Gründung der Vereinigten Evangelischen Gemeinde weitergeführt wurden. Der dort noch immer amtierende P. Dreier legte sein Amt 1856 nieder. Zum Nachfolger wurde am 16. Februar 1857 der dem luth. Milieu nahestehende Kandidat Justus Ruperti ernannt, der von den ref. Kaufleuten in Bremen dem Senat empfohlen und von ihnen auch besoldet wurde. 1860 richteten 46 luth. Familienvorstände ein Gesuch auf Gründung einer luth. KG an den Bremer Senat und gründeten – nach dessen Ablehnung – einen eigenen luth. Verein zur Annahme und Unterhaltung eines luth. Predigers, dem der Senat am 13. Dezember 1861 die Erlaubnis zur Anstellung eines Geistlichen erteilte. Erster Pfarrstelleninhaber wurde Justus Ruperti. Der Tag seiner Ordination am 7. Januar 1862 in Stade gilt als Gründungsdatum der Ev.-luth. Kreuz-KG. Noch im gleichen Jahr errichtete die Gemeinde ein eigenes Pfarrhaus. Die Finanzierung der Stelle konnte nach dem Rückzug der Bremer Kaufleute, die sich letztlich gegen die strikte konfessionelle Trennung aussprachen, durch Beihilfen aus luth. Vereinen in Hannover und Mecklenburg sichergestellt werden.
Da die unierte Gemeinde die auch vom Senat favorisierte gemeinsame Nutzung der Stadtkirche ablehnte, bauten die Lutheraner ihre eigene Kirche (Kreuzkirche). Trotz der Spaltung wurde die Vereinsgemeinde zunächst noch als Teil der Unionsgemeinde betrachtet. 1865 erkannte der Senat ihre Selbständigkeit an. Als reine Personalgemeinde umfasste sie nur diejenigen luth. Einwohner von Bremerhaven, die ihren Beitritt schriftlich erklärten. Ruperti wurde als Pastor bestätigt und amtierte bis 1871. Er starb – nach zwischenzeitlicher Tätigkeit an der Marienkirche in Geestemünde und in New York – als Geheimer Kirchenrat und GSup. für Holstein in Neumünster. Sein Nachfolger in Bremerhaven war Friedrich Hashagen (amt. 1891–1879), der später Rupertis Tochter Caroline heiratete.
In den Jahren 1869/70 und 1874 fanden weitere Verhandlungen mit der unierten Gemeinde wegen der Mitnutzung der Kirche statt. Sie scheiterten aber gleichfalls, so dass die Lutheraner unter Hashagen einen Neubau errichteten. Mit jetzt 500 (statt vorher 340) Plätzen war sie immer noch vergleichsweise klein. Die Zahl der Gemeindeglieder betrug jedoch bereits rund 6.000. Planungen für einen größeren Neubau (1906) scheitern zunächst an der Finanzierung. 1910 erwarb die Gemeinde das Anrecht auf ein Grundstück am heutigen Bürgermeister-Martin-Donandt-Platz. Aus einem 1911 in der Deutschen Bauzeitung ausgeschriebenen Architektenwettbewerb ging der Architekt Fritz Usadel aus Hannover als Sieger hervor. Das Projekt wurde aber vor dem Ersten Weltkrieg nicht mehr realisiert. Mit dem Verlust der Baukasse durch die Inflation ist es endgültig gescheitert.
Unter P. Walter Paul Friedrich Kreusler (amt. 1879–1882) wurde die schon von Hashagen gegründete Sonntagsschule (damals die einzige im Unterwesergebiet) ausgebaut. Seinem Nachfolger, P. Jakob Schnackenberg (amt. 1882–1924), gelang es, das Profil der Gemeinde gegenüber der unierten „Großen Kirche“ zu schärfen.1 Er förderte missionarische Bestrebungen und bereicherte das Gemeindeleben durch die Gründung eines luth. Jünglingsvereins (1883, der älteste im Unterwesergebiet), der Gemeindepflege (1889) sowie des Jungfrauenvereins (1890). 1887 eröffnete er die Herberge zur Heimat als diakonische Einrichtung und 1888 eine Volksbücherei. Außerdem begründete er schon im Juni 1883 das Sonntagsblatt „Der Pilger zur Heimath“, das seinen Einfluss weit über die eigenen Gemeindegrenzen hinaus entfaltete und noch nach seinem Tod (1934) bis 1940 durch seine Witwe redigiert wurde.
In der NS-Zeit war die Gemeinde gespalten. Die Herberge zur Heimat musste während des Zweiten Weltkriegs an die Stadt Bremerhaven verkauft werden. Im Zuge der Gebietsveränderung in der NS-Zeit wurde das bisher bremische Gebiet mit dem 1. November 1939 dem Gau Ost-Hannover zugeschlagen und mit der Stadt Wesermünde vereinigt. Mit Vertrag vom 28. Januar 1941 schied die KG rückwirkend zum 1. April 1940 aus der BEK aus, wurde Teil der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers und in den ev.-luth. Gesamtverband Wesermünde eingegliedert.2 Liturgische Ordnungen und Bücher (Agende, Lektionar und Gesangbuch) bleiben bis auf weiteres in Gebrauch.

Richtfest der dritten Kirche, 1952

Richtfest der dritten Kirche, 1952

Nach dem Krieg sammelte P. Koch die zerstreuten Gemeindeglieder. KGb und Pfarrhaus waren 1944 zerstört worden. GD fanden zunächst in der Alten Kirche in Lehe, dann in verschiedenen Schulgebäuden, zuletzt in der Aula der wiederaufgebauten Bürgermeister-Smidt-Schule in der Zeppelinstraße, statt, ehe ein neues Gotteshaus auf dem Bürgermeister-Martin-Donandt-Platz errichtet wurde. 1955 baute die Gemeinde am Donandtplatz ein Pfarrhaus mit Gemeindeschwesternstation. 1962 entstand auch ein Gemeindehaus mit Saal, Büro- und Gruppenräumen und 1973 auf dem Gelände des ehemaligen Gasometers eine Kita. Für den zweiten Pastor, der seit 1959 in der Gemeinde wirkte, war zunächst eine Eigentumswohnung und 1964 ein weiteres Pfarrhaus in der Wiener Straße 6 angekauft worden.
Partnergemeinde der Kreuz-KG ist die Taborgemeinde in Leipzig.

Pfarrstellen

I: 1862. – II: 1. Juli 1959.3

Umfang

Zum Pfarrsprengel gehörten beim Übergang in die hannoversche Landeskirche die luth. Einwohner der früheren Stadt Bremerhaven (dann Stadtteil von Wesermünde, ab 1947 wieder Bremerhaven).

Aufsichtsbezirk

Mit Eingliederung in die hannoversche Landeskirche am 1. April 1940 zum KK Wesermünde-Stadt (1948 umbenannt in KK Bremerhaven).

Kirchenbau
dritte Kirche, Modell, vor 1950

Dritte Kirche, Modell, vor 1950

Das erste KGb von 1862/63 war ein einfacher dreiachsiger turmloser Saalbau mit eingezogenem 5/8-Chor an der Ecke Rampenstraße/Keilstraße (Einweihung am 15. Februar 1863). An seine Stelle trat nur wenige Jahre später ein dreischiffiger gotisierenden Backsteinbau mit hoch aufragendem oktogonalem Dachreiter (Architekt: Baurat Hotzen; Einweihung am 18. Februar 1877), der am 18./19. September 1944 bei einem alliierten Luftangriff zerstört wurde. 1950/52 entstand auf den Fundamenten des alten Museumsbaus auf dem Bürgermeister-Martin-Donandt-Platz die dritte Kirche als schlichter verputzter Saalbau mit hölzernem Tonnengewölbe und Orgelempore im Westen (Architekten: Fritz Berg und Hans Siegers. Einweihung am 21. Dezember 1952 durch Lbf. Hanns Lilje).

Fenster

In der Altarwand befinden sich vier vom Magistrat der Stadt und zwei Gemeindegliedern gestiftete Buntglasfenster von Heinz Lilienthal (Blumenthal): Verkündigung an die Hirten; Maria mit dem Kind; außen die Berufung des Petrus (Lk 5,1–11) und der sinkende Petrus (Mt 14,22–32).

Turm

Mit dem Bau des freistehenden Glockenturms aus rotem Ziegelmauerwerk unter kupfergedecktem Satteldach (Architekt: Hans Siegers) wurde der Kirchenbau 1962 vollendet. Vorgesehen war der schon beim Bau der Kirche 1950. Nach dem Widerspruch des Stadtplanungsamts wegen der äußeren Gestaltung war der Bau aber zurückgestellt worden.

zweite Kirche, Blick zum Altar, vor 1944

Zweite Kirche, Blick zum Altar, vor 1944

Ausstattung

Holzverkleideter Blockaltar. – Hölzerne Rundtaufe mit Reliefs der Taufe Jesu, einer Mutter mit Täufling und dem heilige Christophorus mit dem Jesuskind (geschnitzt von Gerhard Hoefa, Bremerhaven, nach einem Entwurf von Alfred Schiebold; gestiftet von Kirchenvorsteher August Eschemann, 1947). Taufschale aus Messing. – Zwei Wandteppiche nach Entwurf von Ute Ellmers: Traum Jakobs von der Himmelsleiter (1 Mos 28,12); Jakob ringt am Ufer des Flusses Jabbok mit dem Engel Gottes (1 Mos 32,23–30). – Osterleuchter von Harald Buknakowski (1987).

Orgel

1937 Neubau durch W. Sauer (Frankfurt an der Oder), 32 III/P (HW, BW, OW), elektrische Traktur, Disposition von Domorganist Richard Liesche (Bremen). Die Sauer-Orgel wurde 1944 vollständig zerstört. 1952 Neubau durch Firma Emanuel Kemper & Sohn (Lübeck), 25 II/P (HW, OW), mechanische Traktur, Schleifladen.

Geläut

Vier LG, I: d’; II: g’; III: a’ (alle Bronze, Gj. 1961, Gebrüder Rincker, Sinn); IV: b’ (Taufglocke, Bronze, Gj. 1744, Gottfried Schnellradt, Breslau; Patenglocke aus der Pfarrkirche „Zu der Heiligen Dreieinigkeit“ in Groß Weigelsdorf, Kreis Oels).4

Friedhof

Kein kirchlicher Friedhof.
Taufen: ab 1933
Trauungen: ab 1921
Begräbnisse: ab 1930
Kommunikanten: ab 1947
Konfirmationen: ab 1876

Die älteren Kirchenbücher sind durch Kriegseinwirkung vernichtet. Vorhanden sind jedoch Generalregister seit 1862 und Gemeindegliederverzeichnisse seit 1876.

Militärgemeinde

Taufen: ab 1957
Trauungen: ab 1957
Begräbnisse: ab 1957
Kommunikanten: ab 1957 (Zahlenregister)
Konfirmationen: ab 1957

Literatur

B: Christa Kraemer (Hg.): 1862–1987. Ev.-luth. Gemeinde zur Kreuzkirche Bremerhaven, [Bremerhaven 1987]; Hans Otte: Freiheit oder Bekenntnisbindung? Das Profil der evangelischen Kirchengemeinden Bremerhavens und ihr Verhältnis zu den Landeskirchen Bremens und Hannovers, in: JbGNK 108 (2010), S. 123–150; Dieter Riemer: 1952–2002. 50 Jahre Ev.-luth. Kreuzkirche am Donandtplatz, 140 Jahre Gemeinde der Kreuzkirche in Bremerhaven-Mitte, [Bremerhaven 2002]; Dieter Riemer: 150 Jahre Evangelisch-Lutherische Gemeinde zur Kreuzkirche in Bremerhaven, Bremerhaven 2012; Justus Ruperti: Einweihung der evangelisch-luth. Kreuzkirche zu Bremerhaven, Bremen 1863; Jacob Schnackenberg: Fest-Feier, gehalten aus Anlass des 25jährigen Bestehens der Evang.-Luth. Gemeinde zur Kreuzkirche in Bremerhaven am 6. Februar 1887, Bremerhaven 1887; Jacob Schnackenberg: Kurze geschichtliche Entwicklung der „Evang.-luther. Gemeinde zur Kreuzkirche“ in Bremerhaven, in: Der Pilger zur Heimath 30 (1912), S. 43 f. und 53 f.; Jacob Schnackenberg: Das 50jährige Jubiläum unserer Evangel.-luth. Kreuzkirche zu Bremerhaven, in: Der Pilger zur Heimath 30 (1912), S. 67 f., 75 f., 83 f., 91 f. und 100; Joachim Scholz (Hg.): Festschrift zur Hundertjahrfeier der evangelisch-luth. Kreuzkirche in Bremerhaven-Mitte, [Bremerhaven 1962].


Fußnoten

  1. Bickelmann, Bremerhavener Persönlichkeiten, S. 302 f.
  2. KABl. 1941, S. 56 f.
  3. KABl. 1959, S. 104.
  4. Poettgen, Glockengießer, S. 55.