Frühere Gemeinde | KapG Wülfinghausen | Sprengel Hannover, KK Laatzen-Springe | Patrozinium: Georg1 | KO: Calenberger KO von 1569
Orts- und Kirchengeschichte
Das Dorf ist schriftlich erstmals als Holthusen in der ersten Hälfte des 12. Jh. im Registrum Ecclesie Corbeiensis abbatis Erkenberti (Register der Corveyer Kirche von Abt Erkenbert) erwähnt, das zwischen 1107 und 1128 entstand und in einer Abschrift des 15. Jh. überliefert ist.2 Holtensen lag im sächsischen Guddingau und zählte später zum Gogerichtsbezirk Eldagsen.3 Der Go Eldagsen gehörte im 13. Jh. zum Herrschaftsgebiet der Gf. von Hallermund; 1282 erwarben die welfischen Hzg. zu Braunschweig-Lüneburg die Hälfte der Hallermundschen Rechte und bis spätestens 1411 waren sie in alleinigem Besitz.4 Seit der welfischen Besitzteilung von 1432 zählte Holtensen zum welfischen Teilfsm. Calenberg (ab 1495 Fsm. Calenberg-Göttingen, 1692: Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. Kurhannover) und gehörten hier zur Vogtei bzw. später Amt Calenberg.5 Während der Hildesheimer Stiftsfehde (1519–1523) brannten lüneburgisch-hildesheimische Truppen 1519 das Dorf nieder (auf der Chorographia der Hildesheimischen Stiftsfehde von 1591 ist Holtensen brennend dargestellt).6 In französischer Zeit gehörte Holtensen von 1810 bis 1813/14 zum Kgr. Westphalen (Kanton Elze, Distrikt Hannover, Departement der Aller). Danach war der Ort, nun im Kgr. Hannover, wieder Teil des Amtes Calenberg. Mit der Annexion des Kgr. Hannover fiel er 1866 an das Kgr. Preußen und seit Einführung der Kreisverfassung 1885 zählte Holtensen zum Lkr. Springe. Nach dessen Auflösung kam das Dorf 1974 an den Lkr. Hannover (2001: Region Hannover). Im gleichen Jahr wurde Holtensen in die Stadt Springe eingemeindet. Zur Sozialstruktur der Kapellengemeinde schrieb der Pfarrer 1954, in Holtensen „wohnen im wesentlichen Bauern. Außerdem Landarbeiter und Industriearbeiter, die ihren Arbeitsplatz meist in Hannover haben“.7 Um 1813 lebten knapp 395 Menschen in Holtensen, 1969 gut 580 und 2023 etwa 2024 etwa 400.
Kirchlich gehörte Holtensen bis hinein in die erste Hälfte des 20. Jh. zum Kirchspiel Eldagsen. Eine eigene Kapelle besaß das Dorf bereits in vorref. Zeit. Sie wurde 1803/04 durch einen Neubau ersetzt. Erhalten blieb die spätmittelalterliche Glocke, gegossen im Jahr 1503.
Gemeinsam mit der Muttergemeinde Eldagsen wechselte Holtensen zur luth. Lehre, als Hzgn. Elisabeth († 1558) im Jahr 1542 die Reformation im Fsm. Calenberg-Göttingen einführte. Im Protokoll der Kirchenvisitation 1542/43 ist die Capellen zu holtensen schriftlich belegt.8 Im Calenberger Hausbuch von 1592 heißt es zu Holtensen: „Die Pfar ist filia in Eldagsen, gehet vom Closter Wüllinghausen zu Lehne“.9
Zum 1. April 1932 wechselte die KapG Holtensen aus der KG Eldagsen in die KG Wülfinghausen.10 1940 lebten knapp zwei Drittel der Gemeindeglieder der KG Wülfinghausen in Holtensen. P. Herrmann Herbst (amt. 1933–1970) hielt „an jedem dritten Sonntage, Gründonnerstag, Himmelfahrt und an den zweiten Festtagen“ einen Gottesdienst in der Kapelle Holtensen.11 Nach Ende des Zweiten Weltkriegs hatte sich ein zweiwöchentlicher Gottesdienstrhythmus eingebürgert (jeweils im Wechsel mit Wülfinghausen).12
Zum 1. Juli 1977 hob das Landeskirchenamt Hannover die KapG Holtensen auf und gliederte das Gemeindegebiet in die KG Wülfinghausen ein.13 Im folgenden Jahr weihte die Gemeinde ein neues Pfarr- und Gemeindehaus in Holtensen ein und der Sitz des Pfarramtes wechselte von Wülfinghausen nach Holtensen.
Umfang
Holtensen
Kirchenbau
Fünfachsiger Rechteckbau mit modernem Anbau im Westen, errichtet 1803/04. Satteldach, nach Osten abgewalmt; Anbau mit Flachdach. Verputztes Bruchsteinmauerwerk mit Eckquaderung; Anbau mit Holzverkleidung. An den Längsseiten je vier rundbogige Sprossenfenster, in der Mittelachse segmentbogige Portale, darüber je ein Kreisfenster; nach Süden Inschriftentafel oberhalb des Portals: „Ach Gott gieb doch ein Herz voll wahrer Bus und Reu, sonst ist das Kirchengehn nur blosze Heuchelei. Anno 1803“; nach Osten ein rundbogiges Sprossenfenster; Fenster und Portale mit Sandsteingewänden; Anbau mit Glastüren nach Norden und Süden. Im Innern flachgewölbte, holzverschalte Decke; u-förmige Emporenanlage im Westen; Ostempore mit Kanzelaltar. Bereich unterhalb der Westempore mit Glaswand abtrennbar (Gemeinderaum); Bereich unterhalb der Ostempore mit durchfensterter Holzwand abgetrennt (Sakristei). 1978/79 Innenrenovierung. 2009–13 Umbau zu multifunktional nutzbarer Kirche, u. a. Gemeinderaum unterhalb der Empore eingerichtet, westlicher Anbau errichtet (Foyer, Gemeindebüro, WC).
Turm
Über dem Westgiebel vierseitiger, verschieferter Dachreiter mit Pyramidendach, bekrönt mit Kugel und Kreuz, Auslegestuhl für Uhrschlagglocke nach Süden. Uhrziffernblätter nach Norden und Süden, rechteckiges Schallfenster nach Osten. 1921 neue Turmuhr (J. F. Weule, Bockenem).
Vorgängerbau
Gotischer Bruchsteinbau, 1803 abgetragen.
Ausstattung
Schlichter, hölzerner Kanzelaltar, farbig gefasst und eingebaut in die Ostempore (um 1803), polygonaler Kanzelkorb mit Schalldeckel; seitliche Pilaster, bekrönt mit Vasen; halbrunder Giebel mit dreieckigem Gottesauge im Strahlenkranz; wannenförmiger Altar mit Holzmensa; seitlich des Altars rundbogige Durchgänge, darüber Medaillons mit Kornähren (links) und Weinranken (rechts). – Hölzerner Taufengel, farbig gefasst (18. Jh.?), in der rechten Hand muschelförmige Taufschale, in der linken Hand Spruchband: „Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht etc. Marc. 10 v. 14“.14 – Hölzerner Opferstock, farbig gefasst (1677), Inschrift: „Anno 1677 hat Henni Wilthagen, Hans Kienen, Alterlot, diesen Armstock lasen in die Kirchen zu Holtensen machen“.
Orgel
1900 Orgelneubau, ausgeführt von Furtwängler & Hammer (Hannover), 6 I/P, pneumatische Traktur, Kegelladen (Opus 410); Orgel gestiftet von Herrn E. Bartels und Tochter.15
Geläut
Eine LG, fʼʼ (Bronze, Gj. 1503, Harmen Koster, Hildesheim), Inschrift: „anno d[omi]ni m ccccc iii o rex glorie veni cvm pace. hermen koster me fecit“ (Im Jahr des Herrn 1503. O König der Ehre, komm mit Frieden. Harmen Koster hat mich gemacht); Bilder: Maria im Strahlenkranz; St. Georg mit Drachen. Eine SG, dʼʼʼ (Bronze, Gj. 20. Jh.?).
Friedhof
Ehemaliger kirchlicher Friedhof bei der Kapelle. Neuer kirchlicher Friedhof am Nordrand des Dorfes, Eigentum der KapG bzw. der KG Wülfinghausen.16
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
A 1 Nr. 2918 (Pfarroffizialsachen); D 13 (EphA Laatzen-Pattensen); E 5 Nr. 543 (Konsistorialbaumeister); E 12 Nr. 231–236 (Kirchenkommissariat Springe); S 11a Nr. 8035 (Findbuch PfA).
Kirchenbücher
Taufen: ab 1593 (Lücken: 1624–1643)
Trauungen: ab 1593 (Lücken: 1633–1642)
Begräbnisse: ab 1593 (Lücken: 1626–1649, 1657–1662, 1667–1676, 1692–1728; unvollständig: 1729–1775
Kommunikanten: ab 1777 (Lücken: 1792–1876)
Mutterkirche Wülfinghausen
Literatur & Links
A: 450 Jahre Reformation, S. 123; Aye/Kronenberg, Taufbecken, Nr. 37, S. 252; Hannig, Denkmaltopographie Lkr. Hannover, S. 274–275; Jäger, Orgeln, S. 73–74; Jürgens u. a., KD Kr. Springe, S. 82–84; Ohainski/Udolph, Ortsnamen Hannover, S. 215.
B: Gudrun Kreier: Ein Spaziergang durch Holtensen, in: Springer Jahrbuch 2010, S. 57–61.
Internet: Bildindex der Kunst & Architektur: Kirche; Denkmalatlas Niedersachsen: Kirche; Kirchhof; Kirchenanlage; Ehemaliges Pfarrhaus.
Fußnoten
- Hennecke/Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien I, S. 121.
- Kaminsky, Reichsabtei Corvey, S. 232 f., § 31 und § 32; insgesamt zu dieser Quelle vgl. ebd., S. 138 ff. Zum Ortsnamen und für weitere Belge vgl. Ohainski/Udolph, Ortsnamen Hannover, S. 215.
- Spieß, Calenberg, S. 82.
- Spieß, Calenberg, S. 18 ff.
- Zur Teilung von 1432 vgl. Pischke, Landesteilungen, S. 37 ff. Der Name Fsm. Calenberg ist nicht zeitgenössisch, das Gebiet wurde als „Land zwischen Deister und Leine“ bezeichnet.
- NLA HA Kartensammlung Nr. 1/68 m [mit Digitalisat]. Vgl. auch Brüdermann, Chorographia.
- LkAH, L 5a, Nr. 403 (Visitation 1949).
- Kayser, Kirchenvisitationen, S. 344.
- Lathwesen, Calenberger Hausbuch, S. 67.
- KABl. 1932, S. 85.
- LkAH, L 5a, Nr. 403 (Visitation 1940).
- LkAH, L 5a, Nr. 403 (Visitation 1949).
- KABl. 1977, S. 107.
- Aye/Kronenberg, Taufbecken, Nr. 37, S. 252 (dort irrtümlich mit Holtensen, Gemeinde Wennigsen, verzeichnet).
- Pape/Schloetmann, Hammer, S. 109; LkAH, E 12, Nr. 231.
- LkAH, L 5a, Nr. 403 (Visitation 1940).