KapG der KG Lenthe | Sprengel Hannover, KK Ronnenberg | KO: Calenberger KO von 1569
Orts- und Kirchengeschichte
Die älteste schriftliche Erwähnung des Dorfes findet sich als Northem in einem Register des Mindener Domkapitels, das um 1260 angelegt wurde.1 In den Lehnsregistern Bf. Gottfrieds von Minden (amt. 1304–1324) ist Northen ebenfalls erwähnt.2 Northen gehörte zum Go Gehrden, der im 14. Jh. an das welfische Hzm. Braunschweig-Lüneburg fiel.3 Das Dorf lag im Gebiet des um 1400 eingerichteten Amtes Calenberg und zählte seit dem 15. Jh. zum Fsm. Calenberg (1692: Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. Kurhannover). 1810 wurde das Kfsm. Braunschweig-Lüneburg dem französischen Satellitenkgr. Westphalen eingegliedert und Northen war bis 1813/14 Teil des Kantons Gehrden im Distrikt Hannover des Aller-Departements. Ab 1814/15 gehörte das Dorf, nun im neugegründeten Kgr. Hannover, zunächst wieder zum Amt Calenberg und seit dessen Aufteilung 1817 zum neuen Amt Wennigsen. 1852 wurde Northen dem Amt Linden zugeordnet. Mit der Annexion des Kgr. Hannover fiel das Dorf 1866 an das Kgr. Preußen. Bei Einführung der Kreisverfassung kam Northen 1885 zum Kr. Linden (1932 Lkr. Hannover, 2001 Region Hannover). 1971 gründete sich die Einheitsgemeinde Stadt Gehrden, zu der Northen gehört. Im 16. Jh. bestand der Ort aus einem Rittergut, fünf Vollmeierhöfen, einem Halbmeier, einem Höfeling und 15 Kotnerstellen.4 In Northen lebten 1838 rund 280 Menschen, 1941 etwa 320, 1947 gut 700 und 2018 ungefähr 860.
Die Gemeinde Northen gehörte bis zum Ende des 19. Jh. zum Kirchspiel Ronnenberg. Erstmals erwähnt wird die Northener Kapelle im Visitationsbericht von 1542/44 als Filialkapelle der Mutterkirche in Ronnenberg.5 Vermutlich bestand sie bereits in vorref. Zeit. Das älteste Ausstattungsstück der Kirche ist die Glocke aus dem Jahr 1507.
Zusammen mit ihrer Muttergemeinde Ronnenberg wechselte die KapG Northen 1542 zur luth. Lehre. Erster ev. Geistlicher war vermutlich der im Visitationsprotokoll genannte Ronnenberger P. Chunradus Dum.6 Neben der Kapelle in Northen zählten auch die „Capellen zu Deveße, Vordy, Wetze, Everle, Bente, Empelde“ zu seinem Kirchspiel. Im Protokoll der Generalvisitation von 1588 heißt es allerdings über den seinerzeitigen Ronnenberg P. Martin Dresler (amt. 1570–1588): „Er predigt nur in Ronnenberg Sonntags zweimal und Freitags“.7
Northen zählte zwar zum Kirchspiel Ronnenberg, doch spätestens seit dem 17. Jh. bemühte sich die Gemeinde um eine Umpfarrung ins nähergelegene Lenthe.8 Sie begründeten ihr Ansinnen im August 1645 u. a. mit dem langen Weg zur Kirche in Ronnenberg. Der Ronnenberger P. Justus Müller (amt. 1623–1646) konnte die Abtrennung – und die damit einhergehende Schmälerung seiner Einnahmen – jedoch verhindern. Doch die Northener Gemeindeglieder besuchten weiterhin den Gottesdienst in Lenthe, beteiligten sich mit Hand- und Spanndiensten 1737 auch beim Um- und Ausbau der dortigen Kirche.9 Für das Jahr 1818 lässt sich erstmals belegen, dass Gemeindeglieder aus Northen Sitzplätze in der Lenther Kirche erwarben; die Kirchenrechnungen der folgenden Jahre zeigen, dass dies keine Ausnahme war.10 1889 unterstellte das Konsistorium Hannover die KapG Northen schließlich der Parochie Lenthe unterstellt und pfarrte sie drei Jahre später von Ronnenberg nach Lenthe um.11 Neben der Northener Kapelle stand seit 1828 die Schule.12
1953 fanden regelmäßig Passionsgottesdienste, Abendmahlsfeiern und Trauungen in der Kapelle Northen statt. Taufen wurden in Verbindung mit einem Gottesdienst abgehalten. Hinzu kamen etwa alle zwei Monate sonntags nachmittags besondere Gottesdienst für Ältere und Kranke.13 1965 lud der Lenther P. Wilhelm Wiebe (amt. 1961–1979) an zwei Sonntagen im Monat zu einem Hauptgottesdienst in die Kapelle Lenthe ein, in den 1980er Jahren waren monatliche Gottesdienst üblich.14
Kapellenbau
Kleiner Fachwerkbau mit polygonalem Chorschluss im Osten, erbaut vielleicht im 17. Jh. (Jahreszahl in der Wetterfahne: 1668).15 Steiles, spitzgiebliges Dach mit Walm im Osten. Gefache verputzt und weiß gestrichen, Westgiebel mit Ziegelbehang. Rechteckige Sprossenfenster. An der Westseite Rechteckportal mit Inschrift im Sturz: „Dein Wort ist die Wahrheit“, darüber querrechteckiges Fenster. Ein Balken an der Südseite trägt die eingeritzte Inschrift „1615“, ein weiterer „Godt der ist min Trost“, beide Balken stammen wohl aus Vorgängerbauten.16 Im Innern flache Balkendecke. Im 18. Jh. Reparaturen und Erneuerungen (u. a. 1703, 1769, 1783).17 1938/39 Außen- und Innenrenovierung (Friedrich Buhmann, Hannover; u. a. Bretterverschalung an Westwand entfernt, Dach erneuert, Fachwerk und Ständer ausgebessert, neues Gestühl).18 August 1945 Bombenschäden am KapGb, u. a. an Dach, Wänden und Fenstern.19 1962 Instandsetzung und Maßnahmen zur Trockenlegung. 1977 Renovierung. 1986–88 Reparaturarbeiten (schwere Schäden durch LKW-Unfall).20 2017 neues Gestühl.
Turm
Über dem Westgiebel vierseitiger, offener Dachreiter mit zugespitztem Zeltdach, bekrönt mit Wetterfahne (Jahreszahl 1668).
Vorgängerbau
1542/44 Kapelle erwähnt.
Ausstattung
Schlichter Blockaltar mit farbig gefasstem, geschnitzten Flügelaltarretabel (um 1510), im Hauptfeld Darstellung des Martyriums der 10.000 Ritter, flankiert von vier Heiligenfiguren (links: Johannes Evangelist (?) und Barbara, rechts: unbekannt und Katharina); auf den Innenseiten der Flügel vier geschnitzte Szenen aus dem Leben Marias (Verkündigung, Anbetung der Heiligen Drei Könige, Maria und Elisabeth, Geburt Christi); auf den Außenseiten zwei Gemälde mit Szenen aus dem Leben Marias (Begegnung an der goldenen Pforte, Tempelgang Mariä); in der Predella Gemälde (Christus mit zwölf Aposteln); 1933 Retabel restauriert (Friedrich Buhmann, Hannover); 1962 restauriert. Ursprünglich befand sich der Altar in der Kirche in Lenthe, 1714 schenkte ihn Albrecht Werner von Lenthe der Kapelle Northen.21 – Eiserner Taufständer (zweite Hälfte 20. Jh.). – Hölzernes Lesepult, farbig gefasst (wohl Ende 18. Jh.).
Orgel
1925 Harmonium angeschafft. 1973 elektronische Orgel erworben, Firma Lipp, Modell Minichorda.22
Geläut
Zwei LG, I: c’’’ (Bronze, Gj. 1507), Minuskelinschrift: „MDVII“, 2006 restauriert; II: es’’’ (Bronze, Gj. 1970, Firma Rincker, Sinn), Inschrift: „Christus ist unser Friede“.
Friedhof
1851 Anlage eines Friedhofs in Northen genehmigt, Eigentum der KapG, 1947 geschlossen.23 1940 neuer, kommunaler Friedhof angelegt, FKap (Bj. 1957).
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
D 35 (EphA Hannover-Linden); A 5 Nr. 412 (Spec. Landeskons); LkAH, S 09 rep Nr. 1590 (Presseausschnittsammlung); S 11a Nr. 7192 (Findbuch PfA).
Literatur & Links
A: Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 1001; Hannig, Denkmaltopographie Lkr. Hannover, S. 210–211; Ohainski/Udolph, Ortsnamen Hannover, S. 343–344.
B: Hermann Volker & Fritz Achilles u. a. (Hg.): 900-Jahrfeier Lenthe bei Hannover vom 3. bis 5. September 1955, Barsinghausen 1955 [auch in: Lenthe: Ortschaft der Stadt Gehrden Landkreis Hannover: Darstellung eines Dorfes seit seiner erstmaligen Nennung im Jahre 1055 1980, S. 6–47]; Waldemar Brandes, Johannes Gaide u. a. (Hg.): Lenthe. Geschichte und Geschichten eines calenbergischen Dorfes. Ein Lesebuch zum Jubiläum der Lenther Kirche, Lenthe 1987; Hans-Erich Wilhelm: Die Kapelle St. Michaelis in Northen, in: Heimatbuch. Menschen und Landschaft um Hannover 4 (1986), S. 127–129; Hans-Erich Wilhelm & Friedrich Meier: Zur Geschichte der Dörfer Lenthe, Northen. Festschrift, dem 600jährigen Jubiläum der Kirchengemeinde gewidmet, Lehnte-Northen 1994; Sebastian Heim: Der Barock-Altar der Kirche in Lenthe, Lenthe 2011; Hans-Erich Wilhelm: Lenthe. Namen und Daten, Fakten und Zahlen chronologisch, Lenthe 1997.
Internet: Bildarchiv Region Hannover: Kapelle außen, Kapelle innen, Altar; Bildindex der Kunst & Architektur: Kapelle; Denkmalatlas Niedersachsen.
Fußnoten
- Wilhelm & Meier, S. 152 und S. 155.
- Sudendorf, UB I Nr. 184 (S. 110); Zum Ortsnamen und für weitere Belege vgl. Ohainski/Udolph, Ortsnamen Hannover, S. 343 f.
- Spieß, Calenberg, S. 57 ff.
- Wilhelm & Meier, S. 165.
- Kayser, Kirchenvisitationen, S. 417. Nach Hannig, Denkmaltopographie Lkr. Hannover, S. 211, stand in Northen bereits 1370 eine Kapelle, wie „eine Urkunde des Klosters von Wunstorf“ belege. Die Urkunde bezieht sich jedoch auf die Michaeliskapelle auf dem Wunstorfer Friedhof, die Äbtissin Jutta I. (amt. 1350–1379) im Jahr 1370 gestiftet hatte (Cappellam sitam in Cimiterio sui monasterii in honorem beatorum Michaelis et aliorum Archangelorum) und die u. a. mit Land in Northen dotiert war (mansum in campis villarum Ditterke, Northem Everlo et Bennete), vgl. Cal. UB IX, Wunstorf, Nr. 154 und Nr. 155. Der Irrtum scheint zurückzugehen auf eine missverständliche Formulierung bei Volker & Achilles, S. 31: „Und aus einer Urkunde von 1370 wissen wir, daß eine Äbtissin Jutta zu Wunstorf die von ihr gestiftete Michaeliskapelle u. a. mit einer Hufe Landes (30 Morgen) in campis villae Northem beschenkt hat.“
- Kayser, Kirchenvisitationen, S. 416.
- Kayser, General-Kirchenvisitation II, S. 35.
- Zum Folgenden: Wilhelm & Meier, S. 198 f.
- Volker & Achilles, S. 25.
- Wilhelm & Meier, S. 196.
- KABl. 1892, S. 76.
- Hannig, Denkmaltopographie Lkr. Hannover, S. 211.
- LkAH, L 5d, unverz., Lenthe, Visitation 1953.
- LkAH, L 5d, unverz., Lenthe, Visitation 1965; Wilhelm & Meier, S. 207.
- Einige Fußschwellen wurden 1978 dendrochronologisch allerdings auf etwa 1711 datiert, vgl. LkAH, S 09, rep. Nr. 1590 (Northener Fachwerkkapelle wissenschaftlich untersucht, 09.08.1978).
- Der Balken mit der Jahreszahl 1615 ist „so untergeordnet eingebaut, daß er auf keinen Fall auf das Baujahr der Kapelle hinweisen sollte“, Wilhelm & Meier, S. 207.
- Volker & Achilles, S. 31; Meyer, S. 127.
- LkAH, S 09, Nr. 1590 (Kapelle in Northen, 01.04.1939); Volker & Achilles, S. 31.
- LkAH, B 2 G 9, Nr. 1898, Bl. 12.
- LkAH, L 5d, unverz., Lenthe, Visitation 1992; Wilhelm & Meier, S. 205 ff. (am 25.07.1986 war ein Müllfahrzeug gegen einen Eckpfeiler an der Westseite der Kapelle geprallt).
- Heim, S. 9; Wilhelm, Lenthe Namen und Daten, S. 27.
- LKA, G 9 B/Lenthe Bd. I, Bl. 9.
- Wilhelm & Meier, S. 200 ff.; LkAH, L 5d, unverz., Lenthe, Visitation 1947.