Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Peine | Patrozinium: – | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Erstmals urkundlich erwähnt wird der Ort 1151 als Lengethe1 in einer Auflistung der Besitzungen des Hildesheimer Moritzstiftes. Lengede gehörte zum Amt Peine des Hochstifts Hildesheim, die Gerichtsbarkeit teilten sich die Bf. von Hildesheim und die braunschweigischen Hzg. (Halbgericht). Die Gebiete des Hochstifts fielen mit dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 an Preußen. Von 1807 bis 1813 gehörte Lengede zum Kanton Lafferde im Distrikt Braunschweig des Departements Oker im Kgr. Westphalen. Seit 1815 war das Dorf wieder Teil des Amtes Peine, nun im Kgr. Hannover. Von 1852 bis 1859 gehörte Lengede zum kurzlebigen Amt Steinbrück, das dann wieder in das Amt Peine eingegliedert wurde. Seit der Annexion von 1866 preußisch, kam Lengede 1885 zum neuen Lkr. Peine. Seit 1972 ist Lengede Ortsteil und Mittelpunkt der Großgemeinde Lengede. Das zuvor landwirtschaftlich geprägte Dorf wandelte sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jh. zu einer schnell wachsenden Arbeitergemeinde, aufgrund der Eisenerzförderung der Ilseder Hütte (1858–1983/95): Grube Lengede-Broistedt (1872), Grube Mathilde (1877), Grube Lengede-Bodenstedt (1882), Tiefbauschacht Anna (1911).2 Der Erzabbau endete 1977, Lengede blieb eine Industriegemeinde und die größten Arbeitgeber wurden nun das Stahlwerk Peine-Salzgitter sowie das VW Werk Salzgitter.

Kirche, Ansicht von Süden

Kirche, Ansicht von Süden

Das älteste Zeugnis der kirchlichen Geschichte in Lengede ist der Turm der Kirche, der auf die Mitte des 12. Jh. zu datieren ist, Kirchenschiff mit Chor und Apsis sind etwas jünger (Ende 12./Anfang 13. Jh.). Lengede war allerdings Sitz eines Archidiakonats des Bistums Hildesheim, es ist also davon auszugehen, dass der Ort schon vorher eine Kirche besaß.3 Mit dem Domherren Volrad ist 1232 der erste Archidiakon belegt.4 Der erste namentlich überlieferte Ortsgeistliche ist der 1377 genannte „Herman pernere to Lenghede“.5 Im 14. Jh. wurde der Kirchturm aufgestockt oder erneuert. In Folge der Hildesheimer Stiftsfehde (1519–1523) musste Bf. Johannes IV. das Amt Peine 1526 an die Stadt Hildesheim verpfänden. Als der Schmalkaldische Bund 1542 den braunschweigischen Hzg. Heinrich den Jüngeren verdrängt hatte und der Rat der Stadt Hildesheim unter dem Schutz des Bundes das prot. Bekenntnis annahm, wurde damit auch Lengede luth. P. Johannes Rudolphi (amt. bis 1552) war in einer Person der letzte kath. und der erste luth. Pfarrer in Lengede. Gegen Ende des 16. Jh. erhielt der Kirchturm ein neues Dach (Jahreszahl 1596 auf einem Balken des Turmhelms). Von 1556 bis 1603 war das Amt Peine im Pfandbesitz des Hzg. Adolf von Schleswig, der 1561 eine Kirchenordnunge in baiden gerichten, Steurwoldt und Peine erließ.6 1603 konnte der Hildesheimer Bf. das Amt wieder einlösen zurück und ging dabei auf die Bedingung ein, den Lutheranern ihre freie Religionsausübung zu lassen. Lengede war also ein luth. Dorf unter einem kath. Landesherrn, im 16. und 17. Jh. beanspruchte Braunschweig-Wolfenbüttel allerdings die geistliche Jurisdiktion über die luth. Gemeinden im Amt Peine.7 Trotz anderslautender Zusage war der Bf. seit den 1620er Jahren bemüht, das Amt Peine zu rekatholisieren, und auch in Lengede wurde P. Christoph Schreck (amt. 1618-1642) 1628 vertrieben. Er konnte 1633 zurückkehren, nachdem Hzg. Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel die Stadt Peine hatte erobern lassen, womit die gegenreformatorischen Bemühungen endeten. Hinsichtlich des Landbesitzes war Lengede im 16. Jh. eine etwa durchschnittliche Pfarre im Amt Peine.8 Ende des 16. Jh. erhielt der Kirchturm einen neuen Turmhelm. Die Kirchenbücher setzen 1695 ein und 1738 erwarb die Gemeinde eine Orgel. In der ersten Hälfte des 19. Jh. war der Pfarrer von Lengede zeitweise auch für das benachbarte Klein Lafferde zuständig. In diese Zeit fallen auch bauliche Veränderungen an der Kirche: die Gemeinde ließ 1835 größere Fenster in die Wände des Kirchenschiffs brechen, von 1843 stammt das Westportal und 1897 erfuhr das Kircheninnere eine Neugestaltung. Mit Hilfe der Ilseder Hütte, die knapp die Hälfte der Kosten übernahm, erwarb die KG 1911/12 eine neue Orgel.9

Kirche, Blick zum Altar, Foto: Ernst Witt, Hannover, März 1962

Kirche, Blick zum Altar, Foto: Ernst Witt, Hannover, März 1962

Der 1933 gewählte KV bestand überwiegend aus Mitgliedern der NSDAP (drei von vier). P. Max Knauth (amt. 1931–1937) wurde 1937 verhaftet – er habe nach einer Versammlung den Hitlergruß verweigert – kam nach einer Woche wieder frei, durfte Lengede jedoch nicht mehr betreten.10 Der KV löste sich anscheinend auf, denn 1938 wurden neue Mitglieder berufen.11 1943 stellte die KG einen Raum im Küsterhaus zur Verfügung, damit dort ein NSV-Kindergarten eingerichtet werden konnte. Nach Kriegsende ging daraus der ev. Kindergarten hervor (1946), der heute den Namen Arche Noah trägt. Die KG übernahm 1959 zudem die ev. Gemeindeschwesternstation, die vorher vom Henriettenstift in Hannover besetzt und von der Ilseder Hütte finanziert worden war.12 1974 wurde die KG Klein Lafferde in die KG Lengede eingemeindet13, die schon vorher die größte Gemeinde des KK gewesen war. Im Mai 1975 öffnete auch im Ortsteil Klein Lafferde ein ev. Kindergarten in Trägerschaft der Gemeinde. 1977 konnte die KG ihr seit Ende der 1960er Jahre geplantes Gemeindezentrum einweihen. Zur Mitfinanzierung der Turm- und Glockensanierung sowie der Neuausmalung der Kirche in Lengede startete die Gemeinde 2013 das Fundraisingprojekt Glanz & Glockenklang.

Pfarrstellen

I: Vorref. – II: 1. Januar 1974, Sitz Ortsteil Klein Lafferde.14

Umfang

Das Dorf Lengede. Seit 1974 auch das Dorf Klein Lafferde.

Aufsichtsbezirk

Sitz eines Archidiakonats der Diözese Hildesheim, im 14. Jh. zusammengewachsen mit Archidiakonat Stöckheim. – Seit 1561 Insp. Peine, zeitweise ohne Sup. 1651/52 unterstand Lengede dem Geistlichen Ministerium des Amtes Peine, dem jeweils ein Pastor des Bezirks, der Senior, vorstand15, erst nach Aufhebung des Hochstifts Hildesheim (1803) wurde die Insp. Peine wieder eingerichtet. Seit 1853 saß der Sup. der Insp. Peine wieder in Peine. 1924 KK Peine. 1. Oktober 1965 aus dem KK Peine in den KK Ölsburg (vormals Groß Solschen) umgegliedert.16 Dieser ging zum 1. Januar 1999 im KK Peine auf.17

Patronat

Der Archidiakon von Stöckheim (bis 1803), dann der Landesherr (bis 1871).

Kirchenbau
Kirche, Grundriss, 1938

Kirche, Grundriss, 1938

Spätromanische Saalkirche aus Quadermauerwerk, erbaut im 12./13. Jh. Der leicht eingezogene, fast quadratische Chor ist etwas niedriger als das Kirchenschiff, die halbrunde Apsis wiederum niedriger. Satteldächer über Schiff und Chor, halbes, polygonales Zeltdach über Apsis. Langhauswände mit kleinen Rundbogenfenstern, darunter moderne Rechteckfenster (1959/62). Im Süd- und Nordwesten des Schiffs zwei vermauerte Rundbogenportale, im Südwesten auch vermauertes Spitzbogenportal. Im Innern flache Holzdecke, mittig vorspringende Westempore mit Orgel. An Stelle der kleinen Fenster im Langhaus 1835 große Rundbogenfenster gebrochen. 1897 Renovierung und Neugestaltung der Kirche: barocker Kanzelaltar (hier häufig als Lettner bezeichnet) zwischen Chor und Apsis entfernt, Buntglasfenster Apsis, Altar erhielt Holzvertäfelung, seitliche Schranken und Retabel mit Kruzifix, Sakristei an südlicher Chorwand hinter Kanzel errichtet, Nord- und Westempore durch Südempore ergänzt, Deckengemälde restauriert). 1959–1962 Neugestaltung: Fenster von 1835 entfernt, Wiederherstellung der kleinen Rundbogenfenster, darunter neue, gekuppelte Rechteckfenster, Holzdecke neu verschalt und dabei Deckengemälde (Himmelfahrt, vermutlich 1. Hälfte 18. Jh.) entfernt, Seitenemporen entfernt, Altarvertäfelung und schranken entfernt, Retabel bis auf Kruzifix entfernt, Kanzel näher an Gemeinde, Sakristei entfernt. 1981 Renovierung Innenraum. 1984–1988 Renovierung Altarraum: neue Buntglasfenster in Apsis (alte 1945 zerstört) nach Entwürfen von Michael Breig, Hannover, Altarretabel in der Form von 1897 erneuert, mit neuen Gemälden von Michael Breig, Hannover. Dach- und Turmschaftsanierung sowie Renovierung des Innenraums 2016/17.

Turm

Querrechteckiger Westturm, Bruchsandstein, etwas schmaler als Schiff, unterer Teil Mitte 12. Jh., Glockengeschoss mit außer im Osten gekuppelten, spitzbogigen Schallfenstern vermutlich 14. Jh., Turmhelm 1596 (Bauinschrift), flacher, rechteckiger Ansatz mit hoher, achteckig ausgezogener Spitze (Echter-Spitzhelm), Uhrgaube und Auslegestuhl für Schlagglocken nach Westen. Turmreparatur 1767. Neugotisches Westportal von 1843. Neudeckung 1950. Sanierung des Turmhelms 2013. Turmuhr 1649 nachweisbar, 1894 neue Turmuhr (Firma Weule, Bockenem), Ziffernblatt 1985 erneuert.

Ausstattung

Steinaltar (13. Jh.), Holzretabel mit drei Gemäldefeldern, über dem mittleren ein Holzkruzifix (1897, Neugestaltung der Gemäldefelder 1987, Michael Breig, Hannover). – Sandsteintaufe, halbkugelförmiges Becken mit achteckigem Rand (1584, Abdeckung von 1962). – Holzkanzel an Südseite des Chores (sechseckig, mit Evangelistenfiguren in den Wandungen des Kanzelkorbs, 1962 niedriger gesetzt).

Kirche, Blick zur Orgel, vor 1959

Kirche, Blick zur Orgel, vor 1959

Orgel

Älteste nachweisbare Orgel 1738 angeschafft18, vermutlich 14 I/P, 1911 abgebaut. Neubau 1911/12 durch die Firma Faber und Söhne (Salzhemmendorf), Transmissionsorgel, 36 (davon 26 Transmissionen) II/P, Prospekt als Barockimitation. 1964–1966 Neubau hinter dem Prospekt von 1911/12 durch Firma Eule (Bautzen) 20 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen.

Geläut

Drei LG, I: f’ (Stahl, Gj. 1959, Bochumer Verein), II: g’ (Bronze, Gj. 1819, H. L. Damm, Hildesheim), III: b’ (Stahl, Gj 1960, Bochumer Verein). – Zwei SG, I: ges’’ (Stahl), II: b’’ (Stahl). – Früherer Bestand: 1650 zwei LG vorhanden. Eine große LG (Bronze, Gj. 1849) 1917 zu Kriegszwecken abgegeben. Ersetzt mit einer LG (Bronze, Gj. 1925, Glockengießerei Radler, Hildesheim), die 1942 zu Kriegszwecken abgegeben wurde.

Weitere Kirche in Klein Lafferde.

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. 2003/04; vorheriges Pfarrhaus Bj. 1863, 1962 gekauft, 2003 verkauft; älteres Pfarrhaus, Bj. 1785, 1980 abgerissen). – Gemeindehaus (Bj. 1976/77, 2002 saniert). – Küsterhaus/Schulhaus/Kindergarten (Bj. 1835, 1954/55 Um- und Erweiterungsbauten, 1980 wiederum erweitert).

Friedhof

Kirchlicher Friedhof. Alter Friedhof rund um die Kirche 1971/76 weitgehend eingeebnet. Neuer Friedhof seit 1892 nordöstlich der Kirche, begrenzt von Mittel- und Eichenweg. FKap (Bj. 1936, 1978 erweitert, Bau und Unterhalt durch politische Gemeinde; Orgel: 1968 neuwertig gekauft, 5 I/P, Firma Eule, Bautzen). Neuester Friedhof seit 1976 nördlich der Kirche.

Liste der Pastoren (bis 1940)

1542–1552 Johannes Rudolphi. – 15..–1606 Daniel Schultze. – 1606–1617 Christoph Meyer. – 1618–1642 Christoph Schrecke (Schreccius). – 1642–1658 Heinrich Valentin Engelmann. – 1659–1680 Hilmar Lüttgen (Lütken). – 1680–1698 Kaspar Henrich Eckbrecht. – 1689–1699 Rüdiger Meyer. – 1700–1703 Bruno Sander. – 1703–1719 Johann Melchior Steinhausen. – 1720–1754 Rudolf August Notdurfft. – 1754–1777 Johannes Franziskus Stahl. – 1778–1812 Johann Gottlieb Stalmann. – 1813–1837 Johann Friedrich Ernst Stalmann. – 1838–1839 Karl Theodor Wilhelm Ferdinand Stalmann. – 1839–1882 Johann Heinrich Christoph Hoffmann. – 1883–1904 Friedrich Wilhelm Ferdinand Burgdorff. – 1905–1906 Wilhelm Friedrich Meyer. – 1907–1924 Otto August Wilhelm Bünte. – 1925–1931 Karl Wilhelm Julius Grabe. – 1931–1937 Ulrich Hermann Max Knauth. – 1938– Helmut August Christian Bolle.

Angaben nach: Meyer, Pastoren II, S. 71–72

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 7105–7114 (Pfarroffizialsachen); A 6 Nr. 4941–4947 (Pfarrbestallungsakten); A 9 Nr. 1437Digitalisat, 1438Digitalisat (Visitationen); D 21 (EphA Ölsburg/Groß Solschen); D 97 (EphA Peine); S 11a Nr. 8002 (Findbuch PfA).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1695
Trauungen: ab 1695
Begräbnisse: ab 1695
Kommunikanten: ab 1754 (Lücken: 1770–1791, 1809–1825)
Konfirmationen: ab 1779 (Lücken: 1807–1825)

Literatur & Links

A: Ahrens, KK Ölsburg, S. 7–26 und 60–62; Boetticher, Ortsverzeichnis Lkr. Peine, S. 145–147; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 843; Jürgens u. a., KD Kr. Peine, S. 102–106; Mathies, Taufbecken, S. 137 und Abb. 194; Meyer, Pastoren II, S. 71 f.; Pape, Orgeln Kr. Peine, S. 34 f.; Rose, Kirchenkampf. – B.: Otto Meier: Evangelisch-lutherische Kirche zu Lengede, Lengede 1988; Arbeitskreis 850 Jahre Lengede (Hg.): Lengede an der Fuhse. 1151–2001. Chronik, Lengede 2001, bes. S. 147–190.

Internet: Denkmalatlas Niedersachsen: Kirche.

GND

4841206-5, Evangelische Kirchengemeinde Lengede.


Fußnoten

  1. UB HS Hildesheim I, Nr. 275.
  2. Boetticher, Ortsverzeichnis Lkr. Peine, S. 147.
  3. Arbeitskreis, S. 149 f.; Boetticher, Ortsverzeichnis Lkr. Peine, S. 147 f.
  4. UB HS Hildesheim II, Nr. 341.
  5. UB HS Hildesheim VI, Nr. 256.
  6. Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 7,2,1, S. 769 ff.
  7. Bertram, Bistum Hildesheim II, S. 304.
  8. Dürr, Politische Kultur, S. 171 f.
  9. Meier, S. 15.
  10. Rose, Kirchenkampf, S. 221 ff.
  11. LkAH, L 5h, unverz., Lengede, Visitation 1938.
  12. Meier, S. 56.
  13. KABl. 1974, S. 23.
  14. KABl. 1974, S. 23.
  15. Meyer-Roscher, Streiflichter, S. 123.
  16. KABl. 1965, S. 258.
  17. KABl. 1998, S. 212.
  18. Meier, S. 15.