Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Hildesheim-Sarstedt | Patrozinium: Petrus und Paulus | KO: Calenberger Kirchenordnung von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Das Dorf Rössing erscheint schriftlich erstmals im ältesten Teil des Verzeichnisses der Schenkungen (Traditionen) an das Kloster Corvey. Der Ort ist dort an zwei Stellen genannt, einmal als Hrotthingun, einmal als Rotthingun. Diese Ersterwähnungen fällen in die Zeit zwischen 826 und 876.1 Rössing lag an einer Handelsstraße Richtung Hildesheim und war Sitz der Familie von Rössing, die hier Eigengut (Allodialbesitz) sowie Güter als Lehen der Hildesheimer Bischöfe besaß.2 Mindestens seit Mitte des 12. Jh. war das Benediktinerkloster Helmarshausen der zweite wesentliche Grundbesitzer in Rössing. Seit Mitte des 14. Jh. verpfändete das Kloster seinen Rössinger Besitz (Amt Rössing) regelmäßig, zuletzt 1537 an Erich I. von Calenberg-Göttingen, der nach Auflösung des Klosters 1538 im Besitz der Güter blieb. Erich I. hatte den Herren von Rössing 1527 und 1532 auch ihr Eigengut in Rössing abgekauft. Die Familie von Rössing behielt jedoch ihre Lehngüter und besaß bis in die erste Hälfte des 19. Jh. hinein auch Gerichtsrechte über die Bevölkerung ihres Dorfteils (Patrimonialgericht, 1821/29 aufgehoben). Seit Ende der Hildesheimer Stiftsfehde (1519–1523) gehörte Rössing nicht mehr zum Hochstift Hildesheim sondern zum Amt Calenberg des welfischen Teilfsm. Calenberg und verblieb auch nach der Restitution des Großen Stifts (1643) bei den Welfen. Von 1807 bis 1813 gehörte das Dorf zum Kanton Burgstemmen im Distrikt Hildesheim des Departements Oker im Kgr. Westphalen. Danach war Rössing wieder Teil des Amtes Calenberg, nun im Kgr. Hannover. Seit der Annexion von 1866 preußisch kam der Ort 1885 zum neuen Lkr. Springe. 1974 wurde Rössing nach Nordstemmen eingemeindet. Seit Mitte des 19. Jh. bestand eine kleine Synagogengemeinde in Rössing.3 Der Ort zählte 1813 gut 1.000 Einwohner, 1947 knapp 2.400 („114 prozentige Belegung mit Flüchtlingen“4), 1995 knapp 1.900 und 2017 gut 1.600. Die Pendlerquote lag 1960 bei 80 Prozent.5 Mit dem Rückgang der Kaliförderung in der Region sank auch die Einwohnerzahl des Ortes.

Kirche, Ansicht von Südosten, 1935

Kirche, Ansicht von Südosten, 1935

Der 1260 genannte sacerdos (Priester) Conradus de Rothinge ist wahrscheinlich der erste namentlich bekannte Geistliche Rössings.6 Ein Wappenstein am Kirchturm zeigt möglicherweise die Wappen der Brüder Lippold und Dietrich von Rössing und verweist damit vielleicht auf den Bau einer ersten Kirche in den Jahren zwischen 1282 und 1297.7 Die Familie von Rössing hat bis heute das Patronat über die Pfarrkirche. Mit Sifridus sacerdos in Rothinghe 1324 und Ludolf genannt Noteke 1352 sind zwei weitere vorref. Geistliche namentlich bekannt.8
Zur Zeit der Reformation gehörte Rössing zum welfischen Fsm. Calenberg. Hier führte Elisabeth von Calenberg-Göttingen den neuen Glauben ein. Sie war 1538 zum Luthertum übergetreten und regierte seit 1540 für ihren minderjährigen Sohn Erich. 1542 setzte sie die von Antonius Corvinus verfasste Kirchenordnung in Kraft und ließ danach die Gemeinden des Fsm. visitieren.9 Die Visitationsberichte von 1543 überliefern mit P. Tile Becker den Namen des ersten luth. Geistlichen.10 Die Pfarre in Rössing bot ihm ein vergleichsweise sehr gutes Einkommen.11 Die Visitatoren bestimmten auch, dass das Vermögen der Bruderschaft zu Rössing aufgeteilt würde auf die Küsterei und die Kirche. Im Jahr 1545 übernahm Elisabeths Sohn als Erich II. die Regierung und trat 1547 wieder zum kath. Glauben über; eine völlige Rekatholisierung des Fsm. scheiterte jedoch an den Calenberger Ständen, die 1553/55 die Beibehaltung der Lehre Luthers durchsetzen konnten. Nach Erichs Tod fiel Calenberg 1584 an Braunschweig-Wolfenbüttel und Hzg. Julius führte seine 1569 aufgestellte KO auch hier ein.12 Im Bericht über die Generalvisitation des Fsm. von 1588 heißt es, auch die Einwohner des steuerwaldischen Dorfes Barnten kämen nach Rössing zum Gottesdienst.13 Mit P. Wilkinius Heldt (amt. 1561–1593) wirkte seinerzeit ein ehemaliger Mönch des Hildesheimer Michaelisklosters als Pfarrer in Rössing.14

Kirche, Blick zum Altar, 1935

Kirche, Blick zum Altar, 1935

Mitte des 18. Jh. ließ die Gemeinde ihre Kirche vergrößern und neu gestalten. P. Paul August Brauer (amt. 1840–1866) gründete 1849 einen „Verein zur gegenseitigen Unterstützung in Krankheiten in der Parochie Rössing“.15 Es handelte sich um eine Art lokale Versicherung, in die jedes Mitglied in der Regel wöchentlich vier Pfennig einzahlte und bei einer mehr als achttägigen Krankheit in der Regel einen Taler pro Woche als Unterstützung erhielt. In Rössing lebten seinerzeit etwa 80 „Proletarierfamilien“, schrieb P. Braun, „die von ihrem täglichen Erwerb wörtlich von der Hand in den Mund leben“ und im Krankheitsfall besonderer Unterstützung bedürften.16 Während der NS-Zeit waren P. Erich Hahne (amt. 1933–1942) und P. Ernst Viktor Rengstorf (amt. 1942–1949) in Rössing tätig. Letzterer berichtete 1948 rückblickend, dass sich „kirchenfeindliche Bestrebungen“ in Rössing „im 3. Reich recht bemerkbar machten“.17 In den 1950er Jahren beklagte der Ortspfarrer die „starken politischen und sozialen Spannungen“ im Dorf und bedauerte, dass kirchliche Mitarbeiter „aus den Kreisen der SPD nicht zu gewinnen“ seien.18
Seit 1971 betrieb die Kirchengemeinde einen Kinderspielkreis, nach dem Neubau eines Kindergartens 1993/94 übernahm sie dessen Trägerschaft. Seit 1999 ist die KG Rössing pfarramtlich mit der Katharinen-KG Barnten verbunden.19 Voraussetzung für diese Verbindung war der Wechsel Rössings vom KK Laatzen-Pattensen in den KK Hildesheim-Sarstedt.20 Im Jahr 2011 gründete sich die „St. Peter und Paul-Stiftung-Kirche in Rössing“, die sich u. a. zum Ziel gesetzt hat, die Kinder- und Jugendarbeit in Rössing zu unterstützen, die Seniorenarbeit zu fördern und zum Gebäudeerhalt beizutragen.

Umfang

Das Dorf Rössing.

Aufsichtsbezirk

Archidiakonat Sarstedt der Diözese Hildesheim.21 – Zunächst der LSuptur. des Fsm. Calenberg unterstellt. 1588 Insp. 1924: KK) Jeinsen, dieser 1926 vereinigt mit KK Pattensen. 1971 umbenannt in KK Laatzen-Pattensen. KG Rössing 1999 in den KK Hildesheim-Sarstedt umgegliedert.22

Patronat

Die Besitzer des Gutes Rössing, die Familie der Freiherren von Rössing und von Hugo (dingliches Patronat, das Patronat ruht).

Kirchenbau
Kirche, Grundriss, 1941

Kirche, Grundriss, 1941

Verputzter Saalbau mit dreiseitigem Chor, erbaut 1755 unter Einbeziehung älterer Teile (Westteil des Schiffes, nach Steinmetzzeichen wohl 15. Jh.).23 Satteldach mit östlichem Walm, Bruchsteinmauerwerk mit Eckquaderung; Schiff im Norden bündig mit Turm, im Süden über Turm hinaus tretend; hohe, flachbogige Fenster, Vorbau mit Eingang im Süden. Im Innern verputzte Schaldecke, umlaufende Empore. Schiff anscheinend im 15. Jh. verbreitert, 1755 erneuert, erhöht und verlängert. 1970 renoviert (Priechen auf Emporen links und rechts vor Altar entfernt24), 1999 Sanierung.

Turm

Quadratischer Westturm, wohl 15. Jh. (spätgotische Steinmetzzeichen); Bruchsteinmauerwerk mit Eckquaderung; verschieferter Turmhelm mit quadratischem Ansatz und hoher, achteckig ausgezogener Spitze, Gauben mit Schallfenstern. Rechteckfenster im Erdgeschoss, rundbogiger Durchgang zwischen Schiff und Turmhalle.

Ausstattung

Kanzelaltarwand (um 1777), zweigeschossiger Aufbau mit geschweiftem Giebel und seitlichen Durchgängen. – Hölzerne Taufe (1777). – Farbige Grabsteine: Eva Catharina von Rössing (†1647), P. Johannes von Gehrden (1597–1654, amt. 1626–1654).

Kirche, Blick zur Orgel, um 1960

Kirche, Blick zur Orgel, um 1960

Orgel

Bei Umbau der Kirche brach Orgelbaumeister Johann Daniel Hagen (Elze) 1755 die alte Orgel ab. Von 1785 ist ein Kostenanschlag für eine neue Orgel, 15 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen von Wilhelm Heinrich Bethmann (Hannover) überliefert.25 1875 Neubau durch Philipp Furtwängler & Söhne (Elze), 18 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen, Opus 134. 1934 Umbau Lothar Wetzel (Hannover), 1972 Umbau Gebrüder Hillebrand (Altwarmbüchen). 2002 instandgesetzt.

Geläut

Drei LG, I: a’, Inschrift u. a. „Gottes Wort und Luthers Lehr vergehen nun und nimmermehr“ (Bronze, Gj. 1891, J. J. Radler und Söhne, Hildesheim); II: c’’, Inschrift u. a.: „Dienet dem Herrn mit Freuden; Kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken“ (Bronze, Gj. 1898, J. J. Radler und Söhne, Hildesheim), 1968 von der reformierten KG Eddigehausen erworben; III: f’’, (Bronze, Gj. um 1300), zunächst SG, dann im Zweiten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben, seit 1948 wieder in Rössing, 2011/12 restauriert. – Früherer Bestand: Eine LG, Inschrift u. a. „petri et pauli dysser kerken patronen“ (Bronze, Gj. 1429). Eine LG (Bronze, Gj. 1625, Joachim Schrader, Hannover) gestiftet von Friedrich von Rössing, 1890 geborsten. Beide Glocken 1891 auf Empfehlung des Glockengießers Radler eingeschmolzen und Umguss zu drei neuen LG, I: d’, Inschrift u. a. „Ehre sei Gott in der Höhe – Friede sei mit Euch“; II: f’, Inschrift u. a.: „Kommet, denn es ist alles bereit! Wachet und betet!“ (beide Bronze, Gj. 1891, J. J. Radler und Söhne, Hildesheim), im Zweiten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben. Die kleinste LG blieb erhalten und ist als LG I nun die größte Glocke des Geläuts.26

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus mit Gemeinderäumen (Bj. 1769/70, saniert 2009).

Friedhof

Alter Friedhof rund um die Kirche, neuer Friedhof 1856 eingerichtet, in kirchlicher Verwaltung.

Liste der Pastoren (bis 1940)

1543 Tile Becker. – 1561–1593 Wilkinus Heldt. – 1593–1594 Johannes Heysingius. – 1594–1600 Sebastianus Janus (Jahn). – 1600–1611 Conradus Aue (Auvius). – 1611–1626 Hermann Bonnichius. – 1626–1654 Magister Johannes Gerdes. – 1655–1668 Magister Christoph Forberger. – 1668–1694 Magister Jakobus Struckhusen. – 1695–1703 Henricus Stein. – 1703–1720 Johann Ernst Grelle. – 1720–1733 Johann Heinrich Brandes. – 1733–1753 Carolus Friedericus Brandes. – 1753–1803 Karl Heinrich Hefenhausen. – 1803–1815 Friedrich August Christian Göking. – 1816–1824 Friedrich Joachim Christoph Brandis. – 1824–1827 Karl Christian Ludwig Lauenstein. – 1827–1840 Georg Friedrich Müller. – 1840–1866 Karl August Brauer. – 1867–1883 Emil Adalbert Greve. – 1883–1888 Karl Hermann Heinrich Friedrich Küster. – 1888–1894 Karl Richard Ernst Paul Wolff. – 1895–1912 Ernst Eduard Adolf Haccius. – 1912–1930 Günther Friedrich Camillo Adolf Emil Freiherr von Hammerstein. – 1933– Gustav Ludwig Erich Hahne.

Angaben nach: Meyer, Pastoren II, S. 319–320

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 9698–9711 (Pfarroffizialsachen); A 6 Nr. 7113–7122; A 9 Nr. 1938Digitalisat, 1939Digitalisat, 1940Digitalisat, 1941Digitalisat (Visitationen); B 18 Nr. 228 (Orgelsachverständiger); D 13 (EphA Laatzen-Pattensen); E 12 (Kirchenkommissariat Springe); L 5a Nr. 327 (Visitationen); N 95 (Nachlass Therese Wolff); N 162 (Nachlass Ernst-Viktor Rengstorf und Gisela Mohr); S 11a Nr. 7165 (Findbuch PfA).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1642 (Lücken: Feb. 1664–1674, 1675 ?; unvollständig: 1642)
Trauungen: ab 1643 (Lücken: 1654–1674, 1675 ?, 1681, 1682)
Begräbnisse: ab 1643 (Lücken: 1654–1674, 1675 ?, 1682)
Kommunikanten: ab 1803 (Lücken: 1818–Okt. 1824; unvollständig: 1817)
Konfirmationen: ab 1746

Literatur

A: 450 Jahre Reformation, S. 109–110; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 1143–1144; Jürgens u. a., KD Kr. Springe, S. 174–181; Meyer, Pastoren II, S. 319–320; Pape/Schloetmann, Hammer, S. 93.

B: Paul August Brauer: Kurze Nachricht über einen Verein zur gegenseitigen Unterstützung in Erkrankungen, in: Vierteljährliche Nachrichten 1852, S. 30–40; Helga Fredebold: Zur Geschichte der Rössinger Glocken, in: Springer Jahrbuch 2014, S. 48–58; Helga Fredebold: Neues aus dem alten Dorf. Geschichte und Geschichten aus Rössing Teil 2, Rössing 2002; Helga Fredebold: Geschichte und Geschichten aus Rössing, Rössing ²1995; Lutz und Helga Fredebold: Historische Notizen aus Rössing, in: Unser Hildesheimer Land 5 (1987), S. 75–84; Hermann Kasten: Aus der Geschichte von Rössing, Rössing 1983; Hans Otte: Herzogin Elisabeth und die Reformation im Calenberger Land. Das Beispiel Rössing, in: Springer Jahrbuch 2011, S. 59–71.


Fußnoten

  1. Mönchslisten I, § 76 und § 267 (zur Datierung: S. 75 ff.); Mönchslisten II, S. 123 f. und 221 f.; Casemir/Ohainski, Niedersächsische Orte, S. 72.
  2. Zur Ortsgeschichte vgl. Fredebold, Notizen, S. 76 ff.; Fredebold Geschichte und Fredebold, Neues.
  3. Fredebold, Geschichte, S. 130.
  4. LkAH, L 5a Nr. 327, Visitation 1948.
  5. LkAH, L 5d, unverz., Rössing, Visitation 1960.
  6. UB HS Hildesheim II, Nr. 1149.
  7. Jürgens u. a., KD Kr. Springe, S. 175.
  8. Cal. UB XI, Wülfinghausen I, Nr. 93; ebd. Nr. 195 und 196.
  9. Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,1, S. 708 ff. Vgl. auch Otte, S. 59 ff.
  10. Kayser, Kirchenvisitationen, S. 445.
  11. Otte, S. 62.
  12. Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,1, S. 83 ff.
  13. Kayser, General-Kirchenvisitation I, S. 230.
  14. Kayser, General-Kirchenvisitation I, S. 230.
  15. Brauer, S. 31 und 37.
  16. Brauer, S. 37.
  17. LkAH, L 5a Nr. 327, Visitation 1948.
  18. LkAH, L 5a Nr. 327, Visitation 1954.
  19. KABl. 1999, S. 202 f.
  20. KABl. 1999, S. 155.
  21. Kleinau, Neuer Text, S. 88.
  22. KABl. 1999, S. 155.
  23. Jürgens u. a., KD Kr. Springe, S. 175.
  24. Zustand davor: Abbildung bei Jürgens u. a., KD Kr. Springe, Taf. 95 b.
  25. LkAH, B 18 Nr. 228 (Kopien).
  26. Zum Geläut insgesamt: Fredebold, Glocken, S. 48 ff.; LkAH, L 5d, unverz., Rössing, Visitation 1984.