Sprengel Ostfriesland-Ems, KK Emsland-Bentheim | Patrozinium: Martin Luther | KO: Keine Kirchenordnung
Orts- und Kirchengeschichte
Die ersten Kleinsiedlerstellen in der Blanke südlich der Nordhorner Altstadt entstanden Anfang der 1930er Jahre.1 Aufgrund des Zuzugs Geflüchteter wurden hier in der Nachkriegszeit zur Behebung der Wohnungsnot zahlreiche Reihen- und Mehrfamilienhäuser errichtet. Im Jahr 1932 lebten 37 Menschen in der Blanke, 1951 über 5.000 und 2006 etwa 15.000 (größter Stadtteil Nordhorns). Während der ev.-luth. Anteil an der Gesamtbevölkerung Nordhorns im Jahr 1966 bei 30 Prozent lag, betrug er in der Blanke etwa 50 Prozent.2
Die ev.-luth. Familien in der Blanke gehörten zunächst zur KG Nordhorn. Gottesdienste fanden in der Nachkriegszeit anfangs in der Altersheimbaracke im Lager 1 statt.3 Seit 1949 war P. coll. Erich Schwanitz für den südwestlichen Teil der Stadt Nordhorn zuständig (Blumensiedlung, Neuberlin, Blanke).4 In der Klarastraße erwarb die KG Nordhorn ein Grundstück, auf dem am 31. Mai 1951 der Grundstein für ein Jugend- und Gemeindeheim gelegt werden konnte. Das schlichte Gebäude, ein Sondertyp im Notkirchenprogramm, hatte Otto Bartning (1883–1959) entworfen.5 Anfang September 1951 weihte die Gemeinde den neuen Kirchsaal ein. Weitgehend in Eigenarbeit errichtete die Gemeinde 1953/54 einen Erweiterungsflügel.
Zum 1. Januar 1956 schied der Pfarrbezirk Blanke aus der KG Nordhorn aus und das Landeskirchenamt errichtete die eigenständige „Ev.-luth. KG Nordhorn-Blanke“.6 Von ihrer Muttergemeinde hatte die neue Gemeinde die 1953 errichtete zweite Pfarrstelle übernommen. Erster Inhaber war der bereits in der Gemeinde tätige P. Erich Schwanitz (amt. 1956–1962), die Zahl der Gemeindeglieder lag bei etwa 4.000. Im Oktober 1956 eröffnete die Blankegemeinde einen ev. Kindergarten. Am ersten Advent 1956 versammelte sich die Gemeinde zur Grundsteinlegung der „Lutherkirche auf der Blanke“, deren Einweihung sie knapp zwei Jahre später, am 28. September 1958, feiern konnte. Statt „Lutherkirche“ etablierte sich recht schnell der Name „Martin-Luther-Kirche“.7 Das Gemeindeblatt „Die Brücke“ erscheint seit 1956.8 In den Unterlagen zur Visitation 1960 gab P. Schwanitz die Zahl der Gemeindeglieder mit rund 4.775 an; sozial sei die Gemeinde sehr einheitlich: „Sie umfaßt im wesentlichen Arbeiter und Angestellte der drei großen Textilwerke“.9 P. Schwanitz charakterisierte seine Gemeinde als „Flüchtlingsgemeinde“, in der es „kaum wohlhabende und gar keine Reichen Leute gibt“.
Gleichzeitig mit der Gründung der Christus-KG Nordhorn zum 1. Januar 1964 erhielt die KG Nordhorn-Blanke den Namen „Ev.-luth. Martin-Luther-KG in Nordhorn“; die bisherige KG Nordhorn heißt seitdem „Ev.-luth. Kreuz-KG in Nordhorn“.10 Nach der Visitation 1966 schrieb der Meppener Sup. über den KV der Luthergemeinde: „Hier ist ein Kirchenvorstand wirklich in seiner Gesamtheit die Leitung der Gemeinde, die auch für das geistliche Leben und Wachstum sich verantwortlich weiß.“11
Im Rahmen der Partnerschaft zwischen der hannoverschen und der sächsischen Landeskirche knüpfte die Martin-Luther-Gemeinde in den 1960er Jahren Kontakte zur Kirchgemeinde Mauersberg im Erzgebirge.12 Die Jugendarbeit in der Luthergemeinde übernahm Mitte der 1960er Jahre der CVJM 1957 Ortsgruppe Nordhorn (1972 eigene Ortsgruppe Blanke).13 Anstelle des alten Anbaus am Bartningschen Notkirchensaal entstand 1975 ein neues Gemeindehaus, u. a. um Raum für die erweiterte Jugendarbeit zu schaffen. Seit 1967 ist die Martin-Luther-Gemeinde in der „Aktionsgemeinschaft evangelischer Gemeinden Nordhorns“ aktiv (u. a. Evangelisationen, Gesprächsrunden, Lesungen), seit 1970 im „Ökumenischen Arbeitskreis Blanke“.14 Im Jahr 1980 begannen die Veranstaltungen der „Ev. Erwachsenenbildung in der Martin-Luther-Kirchengemeinde“ (u. a. Vorträge, Exkursionen, Ausstellungen).15 In seinem Bescheid zur Visitation 1982 schrieb der Osnabrücker LSup.: „Beeindruckend ist die Zahl und Art der gemeindlichen Aktivitäten in den Kreisen und in der Erwachsenenbildung.“16 Der 1953 in der KG Nordhorn gegründete Posaunenchor ist seit seiner Neugründung 1986 in allen drei luth. Gemeinden Nordhorns aktiv.
Nicht zuletzt aufgrund des Niedergangs der Nordhorner Textilindustrie in den 1980er Jahren und des daraus folgenden Mangels an Arbeitsplätzen verkleinerte sich die Martin-Luther-KG: Die Zahl der Gemeindeglieder sank von gut 3.830 im Jahr 1982 auf knapp 3.330 im Jahr 1989 und bis 2006 weiter auf etwa 2.700.17 Seit 2008 geben die drei – bzw. seit der Gründung der Christus-und-Kreuz-KG 2012 noch zwei – ev.-luth. Gemeinden Nordhorns einen gemeinsamen Gemeindebrief heraus („Die Brücke“)18; den jährlichen Himmelfahrtsgottesdienst feiern die Gemeinden seit 2009 zusammen im Kloster Frenswegen. Im Jahr 2019 ging die Trägerschaft der Martin-Luther-Kindertagesstätte auf den KK Emsland-Bentheim über.
Umfang
Der Nordhorner Stadtteil Blanke und der östliche Teil von Frensdorfer-Haar. Bis 1964 auch der westliche Teil von Frensdorfer-Haar (jenseits des Nordhorn-Almelo-Kanals, dann zur neuen Christus-KG).19
Aufsichtsbezirk
Mit Gründung der KG 1956 zum KK Emsland-Bentheim.
Kirchenbau
Saalbau mit becherförmigem Grundriss und Rechteckapsis, ausgerichtet nach Nordosten, erbaut 1956–58 (Architekten: Werner Zobel, Nordhorn, und Günther Buddenhagen, Bentheim). Flach geneigtes Walmdach. Betonskelettbau mit Ziegelausfachung; Längswände und Südwand leicht geschwungen, Außenwände links und rechts der Apsis leicht schräggestellt; Schmalseiten der Apsis als Fensterflächen gestaltet. An den Längsseiten je sechs rechteckige Fenster mit abgeschrägten Ecken und vorstehenden Betonrahmen; querrechteckige Fenster unterhalb der Traufe. Überdachter Eingang nach Südwesten. Im Innern leicht gewölbte, holzverkleidete Decke; Parkettboden; Apsiswand und Längswände weiß, Nordostwände links und rechts der Apsis verklinkert. 1990/91 Sanierung, u. a. neuer Fußboden.
Fenster
Buntglasfenster an den Längsseiten.
Turm
Südöstlich der Kirche freistehender, offener Betonskelettturm mit sechseckigem Grundriss und Flachdach, bekrönt mit Kreuz. Glockenstube mit horizontalen Lamellen und vertikalen Streben. 1966 Turmsanierung (Schutzschicht, da Armierungseisen zu dicht unter der Betonoberfläche; Glockenstube verkleidet). 2004 Turmsanierung.
Ausstattung
Schlichter Blockaltar (1958). – Vor der Apsiswand hängendes Kruzifix (1958, Fritz Fleer, Hamburg), Holz, teilweise vergoldet. – Rechts der Apsis erhöhte Kanzel mit Holzbrüstung (1958). – Zylindrisches Taufbecken (1958) auf dunkler Stahlsäule (1991), figürliches Mosaik an der Beckenwandung: Taufe Christi, Weinstock, Auge Gottes, Agnus Dei; Sockel ursprünglich gemauert und quaderförmig.
Orgel
Zunächst Harmonium. 1955 Orgelneubau, ausgeführt von Alfred Führer (Wilhelmshaven), 6 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen. 1968 Orgelneubau, ausgeführt von Alfred Führer (Wilhelmshaven), 18 II/P (HW, BW), mechanische Traktur, Schleifladen; Instrument aufgestellt ebenerdig links im Altarraum, Manualwerk und Pedalwerk über Eck angeordnet.
Geläut
Drei LG, I: a’ (Bronze, Gj. 1962, Firma Rincker, Sinn); II: c’’ (Bronze, Gj. 1962, Firma Rincker, Sinn); III: d’’ (Bronze, Gj. 1958, Firma Rincker, Sinn), Inschrift: „Lasset die Kindlein zu mir kommen“. Die beiden großen Glocken durften wegen Schwankungen des Turms erst nach Einbau einer Gegenpendelanlage geläutet werden (erstmals am vierten Advent 1965); bereits anlässlich der Turmprüfung der kleinen Glocke hatte der Glockensachverständige 1958 angemerkt: „Schon beim Läuten dieser kleinen Glocke sind die Erschütterungen über Gebühr stark; von verschiedenen Seiten wurden Bedenken gegen die geplante Aufhängung von noch 2 größeren Glocken ausgesprochen.“20
Weitere kirchliche Gebäude
Pfarrhaus Klarastraße (Bj. 1963). – Martin-Luther-Haus (Bj. 1951, Otto Bartning, Neckarsteinach; Sondertyp im Notkirchenprogramm21; 1953/54 erweitert; 1975 Erweiterung durch neuen, zweigeschossigen Flachbau ersetzt; Bartning-Saal in den 1990er Jahren renoviert). – Kindergarten (Bj. 1956, 1979/80 erweitert, 1999 saniert und erweitert). – Ehemaliges Pfarrhaus Eduard-Mörike-Straße (Bj. 1951; um 1990/91 verkauft).
Friedhof
Kein gemeindeeigener Friedhof.
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
E 9 Nr. 621–625 (AfBuK); L 5f Nr. 124, 977–978, 1057 (LSuptur. Osnabrück); S 09 rep Nr. 1805 (Presseausschnittsammlung).
Literatur & Links
A: Weichsler, Hdb. Sprengel Osnabrück, S. 103.
B: 25 Jahre Martin Luther Kirche. 1958–1983, Nordhorn 1983; 50 Jahre Ev.-luth. Martin-Luther-Kirchengemeinde in Nordhorn. „Denn es wächst alle Tage eine neue Kirche auf …“, hrsg. vom Kirchenvorstand, Nordhorn 2006; Clemens von Looz-Corswarem & Michael Schmitt (Hg.): Nordhorn. Beiträge zur 600jährigen Stadtgeschichte, Nordhorn 1979.
Internet: OBAK (Otto Bartning Arbeitsgemeinschaft Kirchenbau e. V.): Gemeindehaus.
Website der Kirchengemeinde (07.12.2023)
Fußnoten
- Zum Folgenden: Looz-Corswarem & Schmitt, S. 269 f. und S. 377; 50 Jahre, S. 21 f.
- LkAH, L 5f, Nr. 124 (Visitation 1966).
- Zur Geschichte der Gemeinde vgl. 50 Jahre, S. 7 ff.
- LkAH, L 5f, Nr. 131 (Visitation 1949).
- Siehe: otto-bartning.de/anzeige.php?id=253, 15.12.2023; 50 Jahre, S. 26.
- KABl. 1956, S. 9.
- 50 Jahre, S. 27. Der KV hatte sich im März 1958 für den Namen „Luther-Kirche“ entschieden, den das LKA Hannover im Juli 1958 auch genehmigte.
- 50 Jahre, S. 49 ff.
- Dies und das folgende Zitat: LkAH, L 5f, Nr. 124 (Visitation 1960).
- KABl. 1964, S. 10.
- LkAH, L 5f, Nr. 124 (Visitation 1966).
- 50 Jahre, S. 11. Allgemein: Cordes, Gemeindepartnerschaften, S. 38 ff.
- 50 Jahre, S. 12 und S. 44 ff.; LkAH, L 5f, Nr. 124 (Visitation 1972).
- 50 Jahre, S. 42.
- 50 Jahre, S. 40.
- LkAH, L 5f, Nr. 124 (Visitation 1982).
- 50 Jahre, S. 17; LkAH, L 5f, Nr. 124 (Visitationen 1982 und 1989); LkAH, L 5f, Nr. 1057 (Visitation 2006).
- Eine erste gemeinsame Ausgabe erschien bereits 1971, 1981 bis 1988 gaben Martin-Luther-KG und Kreuz-KG den Gemeindebrief gemeinsam heraus (unterschiedlicher Veranstaltungsteil), vgl. 50 Jahre, S. 49 ff.
- KABl. 1964, S. 10; LkAH, L 5f, Nr. 124 (Visitation 1966).
- LkAH, L 5f, Nr. 124 (Visitation 1960); 50 Jahre, S. 32.
- Siehe: otto-bartning.de/anzeige.php?id=253, 15.12.2023.