KapG der KG Oldendorf | Sprengel Stade, KK Stade | Patrozinium: Michael1 | KO: Keine Kirchenordnung

Orts- und Kirchengeschichte

Das Haufendorf Kranenburg ist vermutlich während der Kolonisierung der Ostemarsch um 1200 entstanden.2 Es zählte zum Erzstift Bremen, dem weltlichen Territorium des Bremer Erzbischofs. Nördlich des Dorfes ließen die Bremervörder Amtleute Curd Camermeister und Bartold Kint 1375 die Burg Kranenburg errichten (dat schlot dat geheten is de Cranenborch dat wy nu nyes gebuwet hebben).3 Die Burg diente zur Kontrolle der Zugbrücke über die Oste und war seit der ersten Hälfte des 15. Jh. als Lehen des Landesherrn und Ebf. von Bremen im Besitz der Familie Marschalck von Bachtenbrock (Burg war Teil der Ausstattung des Marschallamtes).4 Die Familie von Marschalck besaß auch die Gerichtsbarkeit über das Dorf Kranenburg (Patrimonialgericht, Ober- und Untergericht). Im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) zerstörten kaiserliche Truppen die Ostebrücke (1628) und die Burg wurde schließlich um 1750 aufgegeben; Einwohner der unmittelbar bei der Burg gelegenen Häuser siedelten in das Dorf Kranenburg um. Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges blieb das Gebiet der säkularisierten Hochstifte Bremen und Verden unter schwedischer Herrschaft (vereinigte Herzogtümer Bremen-Verden). Im Großen Nordischen Krieg (1700–1721) besetzte Dänemark 1712 die Hzm. Bremen und Verden und 1715 konnte das welfische Kfsm. Braunschweig-Lüneburg (Kurhannover) die beiden Territorien erwerben (1719 von Schweden gegen weitere Zahlung anerkannt). In französischer Zeit war Kranenburg im Jahr 1810 kurzzeitig Teil des Kgr. Westphalen (Departement der Elbe- und Wesermündung, Distrikt Stade, Kanton Himmelpforten) und kam dann an das Kaiserreich Frankreich (Département des Bouches de l’Elbe, Arrondissement Stade, Kanton Himmelpforten, 1811–1814). Ab 1815 zählte Kranenburg erneut zum wieder errichteten Adligen Gericht Kranenburg (bzw. Hechthausen); nach dessen Aufhebung kam das Dorf 1850 zum Amt Himmelpforten. Mit der Annexion des Kgr. Hannover fiel Kranenburg 1866 an das Kgr. Preußen und zählt seit Einführung der Kreisverfassung 1885 zum Kr. Stade (1932: Lkr.). 1972 wurde Brobergen nach Kranenburg eingemeindet. Im Jahr 1823 lebten etwa 280 Menschen in Kranenburg 1895 insgesamt 450, 1939 gut 400, 1963 fast 455 und 2003 etwa 545 (mit Brobergen: gut 770).

Kanzelaltar, Kanzelkorb, vor 1965

Kanzelaltar, Kanzelkorb, vor 1965

Das Dorf Kranenburg gehörte kirchlich zum Kirchspiel Hechthausen. Die Burg Kranenburg besaß eine eigene Burgkapelle, die erstmals in einem Register von 1384 erwähnt ist: Krunenburg Capella auf dem Damme zur Krunenb. Marsch.5 Der Pfarrer von Hechthausen las hier an Festtagen die Messe.6
Zusammen mit der Muttergemeinde Hechthausen wechselte Kranenburg wohl in der zweiten Hälfte des 16. Jh. zur luth. Lehre. Einzelheiten dazu sind nicht bekannt. Erster namentlich bekannter luth. Prediger des Kirchspiels Hechthausen war P. Andreas Gusters (amt. 1554–1577), der letztmalig 1578 genannt wird, nun als Pastor in Kranenburg, also vermutlich der Burgkapelle.7 Der 1577 als Karkher thor Kranenborch erwähnte P. Cosmaeus Hodbandt (?) Resius (amt. 1578–1580?) übernahm die Nachfolge P. Gusters in Hechthausen. Mit dem Bauern Johann Heimbockell (amt. 1669–1707) ist erstmals der Name eines Juraten (Kapellenvorstehers) der Kapelle Kranenburg überliefert.8 Im Jahr 1670 scheint die Kapelle instandgesetzt worden zu sein: Sie erhielt einen Altar aus Oldendorf sowie eine Kanzel und eine Glocke aus Hechthausen.9
Während der Vakanz der Hechthausener Pfarrstelle 1742 betreute P. Hinrich von Allwörden (amt. 1735–1746) aus Oldendorf das Dorf Kranenburg.10 Er wollte in dieser Zeit die Kranenburger „fest separieren […] und zu sich nach Oldendorf ziehen“, wie die Patronatsfamilie von Marschalck sich beklagte.11 Im Jahr 1761 zählte Kranenburg insgesamt 56 Feuerstellen. Der Hechthausener Pastor kam jeweils am dritten Feiertag des Weihnachts-, Oster- und Pfingstfestes zu einem Predigtgottesdienst mit Abendmahl in die Kapelle sowie an Gründonnerstag und an den Aposteltagen.12 Nachdem die dritten Feiertage und auch die Gottesdienste an den Aposteltagen abgeschafft worden waren, fand seit 1769 in der Kapelle an jedem ersten Mittwoch des Monats ein Gottesdienst statt.13 Die Kapelle, ein schlichter Fachwerkbau, war Ende des 18. Jh. baufällig und wurde 1810 abgebrochen. Im Dorf Kranenburg entstand 1811 auf dem ebenfalls neu angelegten Friedhof eine neue Kapelle. Am 23. Oktober 1811 weihte die Gemeinde sie zusammen mit dem Hechthausener P. Johann Wilhelm Zeidler (amt. 1790–1812) ein.
Die absehbare Einstellung des Fährbetriebs über die Oste veranlasste die KapG Kranenburg im Jahr 1924 dazu, die Umpfarrung in die KG Oldendorf in den Blick zu nehmen.14 Das Konsistorium genehmigte ihren Antrag und zum 1. April 1926 wechselte die KapG das Kirchspiel.15 Die KG Oldendorf zahlte der KG Hechthausen eine Abfindung wegen der nun wegfallenden Einnahmen. Als „vorgeschriebene Amtshandlungen“ in der Kapelle Kranenburg nannte P. Friedo Bergen (amt. 1928–1954) im Jahr 1935 Gottesdienste oder Gottesdienste mit Beichte und Abendmahl „an jedem ersten Mittwoch im Monat mit Ausnahme von August und Januar“.16 Dieser Gottesdienstrhythmus bestand schon 1898.17
Seit Errichtung einer zweiten Pfarrstelle in Oldendorf und der Aufteilung des Kirchspiels in Pfarrbezirke Anfang der 1950er Jahre gehört die KapG Kranenburg zum zweiten Pfarrbezirk, den zuerst P. Gert Ulrich (amt. 1952–1987) übernahm. In den Unterlagen zur Visitation 1961 merkte er an: „In Kranenburg sind eigenartigerweise ab und zu mehr Männer als Frauen im Gottesdienst.“18 1968 schrieb er: „In der Wohnung des Lehrers zu Kranenburg gibt es eine sog. Pastorenstube, in der der Pastor Taufen, Trauungen usw. vornehmen kann. Dieses Recht ist im Grundbuch eingetragen.“ P. Ulrich nutzte das Zimmer als Sakristei.19 Spätestens seit den 1960er Jahren trägt die Kapelle in Kranenburg den Namen Michaelskapelle.20

Umfang

Kranenburg

Patronat

Kapelle stand unter dem Patronat der Familie von Marschalck.

Kirchenbau

Kleiner, vierachsiger Rechteckbau, errichtet 1811 (als Fachwerkbau, Entwurf: Bauunternehmer Flügge).21 Satteldach. Backsteinmauerwerk; Längsseiten mit Pilastergliederung und Segmentbogenfenstern. Nach Westen Segmentbogenportal mit Vordach, darüber Rechteckfenster. Ostfassade mit Pilastergliederung und Friesen, segmentbogigem Nebeneingang sowie im Giebeldreieck zwei Segmentbogenfenstern und darüber einem Kreisfenster. Im Innern flache Balkendecke. 1880 und 1892 baufällige Fachwerkwände in Backstein erneuert.22 Anfang der 1960er Jahre Renovierung. 1990er Jahre grundlegende Sanierung.

Turm

Über dem Westgiebel vierseitiger, verkupferter Dachreiter mit Zeltdach, bekrönt mit Kugel, Wetterfahne und Kreuz. Anfang der 1960er Jahre mit Kupfer verkleidet.

Vorgängerbau

Kapelle an der Oste, belegt 1384. Nach einer Beschreibung aus dem Jahr 1786 war die Kapelle ein Fachwerkbau mit Ziegelausfachung, 42 Fuß lang, 22 Fuß breit; sie besaß einen hölzernen Glockenturm.23 Nach der Kurhannoverschen Landesaufnahme (1764–86) lag die Kapelle nahe der Oste rechts der Straße Am Damm24, 1810 wurde sie wegen Baufälligkeit auf Abbruch verkauft und ein Neubau im Dorf Kranenburg errichtet.25

Ausstattung

Schlichter Kanzelaltar (1811), polygonaler Kanzelkorb (17. Jh.) mit Schalldeckel, flankiert von zwei Pilastern; Wandungen des Kanzelkorbs mit rundbogigen Füllungen, an der Frontseite Kruzifix (zweite Hälfte 20. Jh.); vor dem Retabel steinerner Altarblock mit seitlichen Schranken; Inschriften: „Anno 18 L[üer] M[ey] B[urg] 11“ (am Schalldeckel) und „Eingeweihet am 23. Oct. 1811. Joh. Wilh. Zeidler, Pastor Carl Nicl. Beckmann, Küst., Hinr. Borchers, Schulmstr., Claus Fichtler, Jurat“ (an der Kanzeltür, statt „Fichtler“ muss es „Fuseler“ heißen).26 – Parament (1726), ursprünglich rotes Tuch mit gesticktem Wappen, Initialen „CGM“ (Carl Gustav von Marschalck) und Jahreszahl 1726, 2003/04 restauriert.27 – Inschriftentafel (1598), im kleinen, oberen Feld Gemälde „Erzengel Michael kämpft mit dem Drachen“, im großen Feld Inschrift: „S. Michael Ertz Engl. Zur anbetung anrufung, erhörung, danksagung, lob, preis und Ehren der hohen gödtlichen, heiligen und onzertheilten ewigen Dreyfaltigkeit […] habe Ich, Godthart von Brobargk, zu Brobergen, Heinrich seligern Sohn […] Zur pflichtschuldigen Danckbarigkeitt und volstreckung meines zu Godt gethanen gelubdes in die Ehre Des Grossmachtigsten unueberwindlichsten Fürsten und allerheiligsten Ertz-Engels Michaelis […] diß Bethaus aus godt seligem Eiffer und Christlicher Andacht gebauet, fundierett und gestifftet, welchs im Jahre 1598 den 19. Juli in den Nhamen Godts angefangen, und durch verleihung seiner göttlichen Hülffe und Gnaden den 28. September als S. Michaelis abendts dieses selbigen Jars ist absolviret, verfertiget und volendet worden […]“, ursprünglich in der Burgkapelle Brobergen, wohl im 17. Jh. in die Kranenburger Kapelle gekommen; Tafel 1954 restauriert (Malermeister Guder, Hedendorf).28

Orgel

Elektronische Orgel.

Geläut

Zwei LG, I: a’’ (Bronze, Gj. 14. Jh.), frühgotische Form, ohne Inschrift; II: cis’’ (Bronze, Gj. 1957, F. Otto, Bremen-Hemelingen), Inschriften: „Veni creator spiritus“ (Komm Schöpfer Geist) und „Haec campana facta est christi 1957“ (Diese Glocke ist gemacht [im Jahr] Christi 1957). – Früherer Bestand: 1670 eine „zu Hechthausen abgenommen und zu Cranborg wieder aufgehenkte Klocke“ erwähnt (vielleicht die unten genannte Annen-Glocke).29 1786 zwei Glocken vorhanden. Größere LG (Bronze), Inschrift: „Anna bin ick geheten. Segebode Marschalk leth mi gethen“, Glocke 1827 geborsten und umgegossen zu einer neuen LG (Bronze, Gj. 1831, Ludwig Kovatsay & Ehlermann, Rotenburg), im Ersten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben.30

Friedhof

Alter kirchlicher Friedhof bei der alten Kapelle. Kirchlicher Friedhof in Kranenburg, angelegt 1807 (dort 1811 Kapelle erbaut).31 Neuer kommunaler Friedhof am südlichen Ortsrand, FKap.

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 2 Nr. 685/04, 685/14 (Pfarroffizialsachen).

Literatur & Links

A: Albrecht, Denkmaltopographie Lkr. Stade, S. 217–218; Clasen/Großmann/Kiesow/Wortmann, KD Lkr. Stade, S. 469–471; Pratje, Abhandlungen V, S. 241–243.

B: Chronik von Kranenburg. Die Geschichte der Dörfer Brobergen und Kranenburg. Neu bearbeitet und geschrieben von Kranenburger Bürgern, Burweg 2005, bes. S. 98–111; Franz Joseph Alstedt & Dirk Vollmers: Die Pastoren der St.-Marien-Kirche zu Hechthausen (= Hekethusen. Hechthausener Heimatblätter 11), Hechthausen 2001/02; Heinrich Borchers: Dokumentation von Urkunden und Überlieferungen über die Kapelle der selbständigen Kapellengemeinde Kranenburg, 2 Bde., Kranenburg 1993–94; Heinrich Borchers: Kanzelaltar und Votivtafel in der Kranenburger Michaelskapelle, in: Zwischen Elbe und Weser (1998), S. 16; Friedrich Holst: Roland und die Kraniche. Die Geschichte der Ostedörfer Brobergen und Kranenburg, Kranenburg 1983.

Internet: Bildindex der Kunst & Architektur: Kapelle und Ausstattung; Denkmalatlas Niedersachsen: Kapelle.


Fußnoten

  1. Mittelalterliches Patrozinium unbekannt, vgl. Hennecke/Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien I, S. 59.
  2. Clasen/Großmann/Kiesow/Wortmann, KD Lkr. Stade, S. 469; Albrecht, Denkmaltopographie Lkr. Stade, S. 217.
  3. Holst, S. 41 ff. (mit Abb. der abschriftlich erhaltenen Urkunde). Siehe auch Düring, Adelssitze Kr. Stade, S. 14 ff. und http://www.ms-visucom.de/cgi-bin/ebidat.pl?id=6353, 30.01.2023.
  4. Zur Burg siehe http://www.ms-visucom.de/cgi-bin/ebidat.pl?id=6353, 30.01.2023.
  5. Hodenberg, Stader Copiar, S. 74 (Z 77). Borchers I, S. 1.
  6. Holst, S. 243.
  7. Dies und das Folgende nach Alstedt & Vollmers, S. 6 f. (ohne Beleg).
  8. Borchers I, S. 38 und S. 44.
  9. Borchers I, S. 50 f.
  10. Holst, S. 243 ff.; Borchers I, S. 14 ff.
  11. Zit. bei Holst, S. 244.
  12. Pratje, Abhandlungen V, S. 242.
  13. Holst, S. 245.
  14. Holst, S. 248 f.
  15. KABl. 1926, S. 31.
  16. LkAH, L 5g, Nr. 258 (Visitation 1935).
  17. Borchers II, S. 387.
  18. LkAH, L 5g, Nr. 258 (Visitation 1961).
  19. LkAH, L 5g, Nr. 258 (Visitation 1968).
  20. LkAH, L 5g, Nr. 258 (Visitation 1968): „In Oldendorf steht die St. Martinskirche, in Kranenburg die Michaelskapelle“.
  21. Holst, S. 246. Quellen zum Bau der Kapelle: Borchers II, S. 76 ff.
  22. Chronik, S. 107.
  23. Borchers I, S. 128; Holst, S. 245.
  24. Borchers I, S. 8B.
  25. Chronik, S. 106.
  26. Chronik, S. 107.
  27. Holst, S. 247; Borchers I, S. 10.
  28. Holst, S. 247 f. Vgl. ebd., S. 24 f., für den modernisierten Inschriftentext. Text (ohne Modernisierung) auch in Chronik, S. 108 f. und Borchers II, S. 4.
  29. Borchers I, S. 6.
  30. Holst, S. 247. Nach Borchers I, S. 6 bzw. II, S. 18, wurde die Annenglocke 1461 gegossen.
  31. Borchers I, S. 13; Borchers II, S. 23 ff