Sprengel Lüneburg, KK Lüneburg | Patrozinium: Nikolaus1 | KO: Lauenburger (niedersächsische) KO von 1585

Orts- und Kirchengeschichte

Der Ort Artlenburg entstand als Ansiedlung im Umfeld der 1106 erstmals genannten, von Hermann Billung erbauten Ertheneburg, einer heute meist auf dem rechten Elbufer lokalisierten Befestigungsanlage zum Schutz der wichtigen Elbfähre an der Salzstraße von Hamburg/Lübeck nach Lüneburg. Die Burg war nach dem Übergang der Landesherrschaft von den Billungern auf die Welfen Sitz welfischer Amtsträger. Für eine gewisse Bedeutung der Anlage zeugen zwei 1156 und 1161 durch Heinrich den Löwen dort abgehaltene Landtage. Sie wurde 1181 im Verlauf der Auseinandersetzungen zwischen Heinrich und Ks. Friedrich Barbarossa und 1205/06 durch die Dänen zerstört und teilweise wieder aufgebaut. Als Landesherren lösten 1258 die Hzg. von Sachsen-Lauenburg die Welfen ab. Mit dem Erlöschen des askanischen Hauses in Lauenburg kam Artlenburg wieder an die Hzg. von Braunschweig und Lüneburg (bis zur französischen Besetzung 1803). Im Zuge der Neuregelung der Herrschaftsverhältnisse nach dem Wiener Kongress kam das linkselbische Gebiet des Herzogtums Lauenburg 1815 zurück an das Kgr. Hannover und wurde Sitz eines eigenen Amtes (1859 in das Amt Lüne/Lüneburg eingegliedert).

Kirche, Ansicht von Südwesten

Kirche, Ansicht von Südwesten

Eine Siedlung hat wohl schon im 12. Jh. bestanden. Durch den Nachweis kirchlichen Grundbesitzes kann auch die Kirche auf diese Zeit datiert werden. Dass sie ein Filial von Gülzow war, wie verschiedentlich behauptet wurde, ist wegen der Zugehörigkeit Gülzows der Diözese Ratzeburg eher unwahrscheinlich. Vor dem 1. März 1396 wird Artlenburg unter den Orten genannt, die zur Teilnahme an der Synode des Bm. Verden verpflichtet sind. Unter den Geistlichen wird zuerst zwischen 1325 und 1349 Hinricus de Godinghe als plebanus genannt.2 Als besondere geistliche Einrichtung bestand im Ksp. seit Mitte des 14. Jh. das jenseits der Elbe am Sandkrug an der Furt der Via regia gelegene Leprosorium St. Georg (erste urkundliche Erwähnung 13613), das vor 1581 in ein Armenhaus umgewandelt wurde.4
Wann in Artlenburg erstmals luth. gepredigt wurde, ist unbekannt. Schon unter Hzg. Magnus I. (1507–1543) wurde das Land sukzessive für die Reformation geöffnet. Erster ev. Geistlicher in Artlenburg war wohl Theodoricus Sorbach, dem 1566 Johannes Baringius folgte. Als Zeitpunkt der förmlichen Einführung der Reformation kann der Erlass der Niedersächsischen KO durch Hzg. Franz II. von Sachsen-Lauenburg 1585 gelten. Seit Mitte des 17. Jh. gab es wohl einen elementaren Schulunterricht. 1679 setzten Pfarrer und Juraten, die mit dem Küster unzufrieden waren, die Einrichtung einer zweiten (Praezeptor-) Schule durch.5 1752 wurde ein neues Pfarrhaus, 1791 ein Schulhaus errichtet.
GD fanden auch in der 1855 errichteten neugotischen Kapelle von Schnakenbek auf dem schleswig-holsteinischen Elbufer und in Hohnstorf (Schule, ab 1963 in der FKap) statt. Nach Einstellung der Fährverbindung (1964) wurde die kirchliche Versorgung von Schnakenbek durch die KG Lauenburg wahrgenommen. 1966/68 wurde die KapG Schnakenbek in die Ev.-luth. Landeskirche Schleswig-Holsteins umgegliedert.6

Umfang

Der Flecken Artlenburg (mit dem Vorwerk Marienthal) und dem Dorf Avendorf [1823]. Später Artlenburg, Avendorf, Hohnstorf, die Vorwerke Marienthal und Rethscheuer sowie Schnakenbek (KapG, 1966/68 ausgegliedert).

Aufsichtsbezirk

Archidiakonat Salzhausen der Diözese Verden. – Unterstand seit 1564 dem Sup. bzw. GSup. (ab 1585) des Hzm. Lauenburg und kam 1816 zur Insp. (1924: KK) Lüne. 1. November 1924 in den KK Lüneburg eingegliedert und am 1. Juli 1966 vom KK Lüneburg in den KK Bleckede.7 KK Bleckede und KK Lüneburg zum 1. Januar 2017 zum neuen KK Lüneburg zusammengelegt.8

Patronat

Der Landesherr (bis 1871).

Kirchenbau

Die Datierung des ursprünglichen Kirchenbaus ist unklar. Das zuletzt 1779 erneuerte Schiff brannte am 23. April 1821 nieder, wobei auch die mittelalterliche bzw. barocke Ausstattung (zweiflügeliges bemaltes Retabel, hölzerne Kanzel von 1664 und ein Bronzetaufkessel von 1454) vernichtet wurde. Der Neubau von 1825/27 ist ein nach Süden ausgerichteter, schlichter klassizistischer Rohziegelbau auf hohem Feldsteinsockel, bei dem Reste des Vorgängerbaus wiederverwendet wurden. Sakristei an der Südseite (Neubau an Stelle eines älteren Vorgängers, Anfang des 20. Jh.). Verbretterte und verputzte Decke. U-förmige Emporenanlage auf der Nord-, West- und Ostseite. Durch Artilleriebeschuss wurde die Kirche gegen Ende des Zweiten Weltkriegs erneut schwer beschädigt.9 1974 und 1992 wurde sie renoviert.

Fenster

Zwei Buntglasfenster des Altarraums wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört.10

Turm

Der ursprünglich runde Turm ist im Kern noch romanisch (Wehrturm mit Gewölbe, vielleicht Teil einer mittelalterlichen Befestigungsanlage), im unteren Teil aus unbearbeiteten Feldsteinen, das zweite Obergeschoss aus Fachwerk. Außen mit einer oktogonalen Backsteinummantelung und Strebepfeilern versehen. 2001 saniert.

Ausstattung

Spätklassizistische Kanzelaltarwand, jetzt mit einem schlichten, neueren Tischaltar. – Sechsseitige kelchförmige Taufe. – Weltkugelleuchter.

Kirche, Blick zur Orgel, vor 1975

Kirche, Blick zur Orgel, vor 1975

Orgel

1880 Neubau von J. H. Röver & Söhne (Stade), 15 II/P, mechanische Traktur, Kastenladen. 1975/76 Neubau von Klaus Becker (Kupfermühle), 7 (8) I/P, mechanische Traktur, Schleifladen. 1988 Erweiterung auf acht Register.

Geläut

Drei LG, I: e’ (Glaube, Bronze, Gj. 1975, Heidelberger Glockengießerei); II: gis’ (Bronze, Gj. 1823, J. H. Dreyer, Linden/Hannover); III: h’ (Liebe, Bronze, Gj. 1975, Heidelberger Glockengießerei). – Früherer Bestand: Die älteste datierte Glocke in Artlenburg wurde 1592 von Andreas Heinecke (Lüneburg) gegossen. Um 1754 bestand das Geläut aus drei LG (I: Bronze, Gj. 1728, Lorentz Oehmann, Lüneburg; II: Bronze, Gj. 1705, M. Ernst Siebenbaum, Rostock; III: unbekannt) sowie eine SG (Gießer unbekannt) außen am Turm. 1821 durch Brand zerstört. 1823 Neuguss von zwei LG (e’ und gis’) durch J. H. Dreyer (Linden/Hannover) und Neubeschaffung einer SG für den Viertelstundenschlag bei J. D. Bieber (Hamburg). Die größere LG von 1823 (Bet- und Stundenglocke) und die SG wurden 1917 zur Rüstungszwecken abgeliefert. An ihre Stelle traten 1923 zwei neue LG aus Eisen in e’ und h’ der Firma Ulrich & Weule (Apolda-Bockenem). Sie wurden 1975 aus Sicherheitsgründen stillgelegt und durch zwei Bronzeglocken ersetzt. Die beiden Eisenglocken wurden neben dem Kircheneingang aufgestellt.

Weitere kirchliche Gebäude

Nach dem Krieg wurde die Pfarrscheune zum Jugendraum ausgebaut, 1962 das alte Pfarrgehöft (Bj. 1752) abgebrochen und im bisherigen Pfarrgarten ein Ersatzneubau errichtet. Daneben entstand 1963 ein neues Gemeindehaus mit Küsterwohnung. – 1987/88 erhielt Hohnstorf ein eigenes Gemeindehaus.

Friedhof

Ursprünglich bei der Kirche, jetzt an der Lorenz-Müller-Straße/Im Dorfe. Trägerschaft der KG. FKap (Bj. 1974/75, Architekt: Rack, Lüneburg). – Im Gemeindeteil Hohnstorf befindet sich seit 1948/49 ein eigener kommunaler Friedhof mit FKap (Bj. 1963).

Liste der Pastoren (bis 1940)

1519, 1524 Hinrik Pape. – 15..–1552 Nathan Figenbom. – 1566 Theodoricus Sorbach. – 1566–1568 Johannes Baringius. – 1568–1578 Johannes Rose(n)meyer. – 1578–1… Simon von Engeln (Angelus). – 1612–16.. Johannes Bretau. – 1620–1632 Christoph Klopstock. – 1632–1674 Johannes Biccius. – 1674–1721 Franz August Biccius. – 1721–1724 Kaspar Heînrich Blech. – 1725–1749 Peter Loŗenz Helm. – 1749–1757 Johann Friedrich Evers. – 1758–1780 Joachim Werner Hoeltich. – 1780–1781 Johann HeinrichWeckenesel. – 1781–1815 Friedrich Wilhelm Küster. – 1816–1823 Johann Georg Lescow. – 1824–1829 Karl Hermann Georg Friedrich Walbaum. – 1829–1866 Johann Friedrich AndreasThörl. – 1866–1867 Adolf Louis Wilhelm Schönecke. – 1867–1894 Johann Heinrich Lous Hoppe. – 1894–1922 Julius Christian Einstmann. – 1922–1927 Georg Heinrich Adolf Ģerdts. – 1927–1932 Heinrich Theodor Oskar Wilkens. – 1932–1943 Hermann Albert Gustav Moritz Danckwerts.

Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 33, ebd. III, S. 8–9

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 336–355 (Pfarroffizialsachen); A 6 Nr. 300–306 (Pfarrbestallungsakten); A 9 Nr. 74Digitalisat, 75Digitalisat, 76Digitalisat, 77Digitalisat (Visitationen).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1812 (Lücken: 1911–1943)
Trauungen: ab 1812 (Lücken: 1853–1891, 1836–1943)
Begräbnisse: ab 1812 (Lücken: 1852–1944)
Kommunikanten: ab 1894
Konfirmationen: ab 1812 (Lücken: 1832–1944)

Durch Kriegseinwirkung sind die Taufen, Trauungen, Begräbnisse seit 1639, die Kommunikanten seit 1822 und die Konfirmanden seit 1750 vernichtet.

Literatur

A: Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 139; Meding, Aufgehobener Glaube, passim; Mithoff, Kirchen und Kapellen Lüneburg, S. 365; Weiß, Denkmaltopographie Lkr. Lüneburg, S. 44; Wrede, Glocken I, S. 8–10.

B: Arbeitskreis Geschichte Artlenburgs (Verf.): Flecken Artlenburg. Unsere Chronik, [Schwarzenbek 2013].


Fußnoten

  1. Hennecke/Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien II, S. 122.
  2. Lüneburger UB VI, Lüne, Nr. 165 und 229; UB Verden II, Nr. 433, 452–454.
  3. UB Verden II, Nr. 795.
  4. Die Bauten wurden 1893 auf Abbruch verkauft. Meding, Aufgehobener Glaube, S. 29 und 77.
  5. Meding, Aufgehobener Glaube, S. 101.
  6. KABl. 1968, S. 125.
  7. KABl. 1966, S. 109.
  8. KABl. 2016, S. 168 f.
  9. LkAH, B 2 G 9/Artlenburg I.
  10. LkAH, B 2 G 9/Artlenburg I, Bl. 53.