Sprengel Hannover, KK Ronnenberg | Patrozinium: Versöhnung (1994) | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Urkundlich ist der Ort erstmals im Jahr 1269 als villa Wetzenedhe nachgewiesen.1 Weetzen zählte zum Go Gehrden, der im 12. Jh. Teil des Herrschaftsbereichs der Gf. von Roden war.2 Im 13. Jh. kam das Gebiet an die Gf. von Schauenburg, im 14. Jh. an die welfischen Hzg. zu Braunschweig-Lüneburg. Seit 1432 gehörte Weetzen zum welfischen Teilfsm. Calenberg (1495: Fsm. Calenberg-Göttingen, 1692: Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. Kurhannover) und dort zur Großvogtei bzw. zum Amt Calenberg.3 Von 1810 bis 1813/14 war das Dorf Teil des Kantons Pattensen im Distrikt Hannover des Allerdepartements im französischen Satellitenkgr. Westphalen. Danach zählte Weetzen, nun im Kgr. Hannover, zunächst wieder zum Amt Calenberg und ab 1817 zum neuen Amt Wennigsen. Mit der Annexion des Kgr. Hannover fiel Weetzen 1866 an das Kgr. Preußen. Seit Einführung der Kreisverfassung 1885 gehörte der Ort zum Lkr. Linden, ab 1932 zum Lkr. Hannover und ab 2001 zur Region Hannover. 1969 wurde der Ort nach Ronnenberg eingemeindet. Einen Bahnhof besitzt Weetzen seit 1872 (Strecken Hannover–Altenbecken und Weetzen–Haste). Im Gemeindebuch des KK Ronnenberg heißt es 1959: „Weetzen entwickelt sich mehr und mehr zu einem angenehmen Wohnort, wo auch viele gern wohnen, die in dem nahen Hannover ihren Arbeitsplatz haben.“4 Um 1810 lebten knapp 220 Menschen in Weetzen, 1899, etwa 530 und 2011 fast 2.255.
Kirchlich gehörte Weetzen bis hinein in die zweite Hälfte des 20. Jh. zum Kirchspiel Ronnenberg. Ein Gotteshaus besaß der Ort bereits in vorref. Zeit: Im Jahr 1478 stiftete Martin von Alten († 1479) eine Kapelle in Weetzen und schenkte ihr einen Kothof.5 Erneut belegt ist sie 1543 im Protokoll über die Visitation der Parochie Ronnenberg (Capellen zu Deueße, Vordy, Wetze, Northem, Euerle, Bente, Empelde).6 Das Kapellengebäude ist vielleicht im Dreißigjährigen Krieg zerstört worden, denn im Jahr 1725 bat die Gemeinde Weetzen beim Konsistorium Hannover um die Erlaubnis, eine Kapelle „auf die Stelle, alwo vor dem Dreißigjährigen Kriege eine Cappelle daselbst gestanden“ erbauen zu dürfen.7 Am 1. Mai 1730 konnte die Gemeinde ihre neue Kapelle einweihen.
In der ersten Hälfte des 20. Jh. waren pro Jahr zwei Abendmahlsgottesdienste in der Kapelle Weetzen üblich, im Frühjahr gehalten vom Superintendenten, im Herbst vom zweiten Pfarrer der KG Ronnenberg.8 Die Zahl der Gemeindeglieder in Weetzen lag 1929 bei knapp 790 und stieg nach Ende des Zweiten Weltkriegs aufgrund des Zuzugs Geflüchteter auf rund 1.600 im Jahr 1950 an.9 In der Nachkriegszeit fand daher alle zwei Wochen ein Kapellengottesdienst statt.10 Gleichzeitig war auch eine kleine kath. Gemeinde entstanden (1950: 300 Gemeindeglieder), die sich zum Gottesdienst zunächst ebenfalls in der ev. Kapelle versammelte.11 Mit der Kirche St. Jakobus der Jüngere, geweiht 1968, erhielt die kath. Gemeinde schließlich ein eigenes Gotteshaus.12
Die ev. KG Ronnenberg hatte 1962 ein Haus in Weetzen erworben, als Pfarrhaus eingerichtet und um einen Gemeindesaal erweitert. Die KapG Weetzen wurde Sitz des zweiten Pfarrers der KG Ronnenberg. Während der Amtszeit von P. Hermann Reichert (amt. 1968–1975) verselbständigte das LKA Hannover die KapG Weetzen und erhob sie zum 1. April 1970 zur Kirchengemeinde.13 Von ihrer Muttergemeinde übernahm die neue Gemeinde die zweite Pfarrstelle, zudem wechselte gleichzeitig die KapG Vörie-Linderte aus der KG Ronnenberg in die KG Weetzen.
Im Februar 1971 beschloss der KV Weetzen, an der Dietrich-Bonhoeffer-Straße ein neues Kirchengebäude zu errichten. In der Folgezeit gründete sich ein Kirchbauverein und sammelte rund 300.000 DM an Spenden, um das Vorhaben mitzufinanzieren.14 Die alte Kapelle, die der Lkr. Hannover Ende Juni 1971 wegen Baufälligkeit hatte schließen lassen, wollte der KV auf Abriss verkaufen. Nachdem das LKA Hannover diesen Verkauf im Herbst 1975 nicht genehmigt hatte, konnte der 1974 gegründete Weetzener Verein für Denkmalpflege e. V. die Kapelle 1976 erwerben.15 Der Verein sanierte das Gebäude und nutzt es als Veranstaltungsraum.
Seitdem die alte Kapelle geschlossen war, versammelte sich die ev. Gemeinde zum Gottesdienst in der kath. Kirche St. Jakobus der Jüngere. Kurz nach Beginn der Amtszeit von P. Ludger Gaillard (amt. 1976–1991) konnte die ev. Gemeinde am Reformationsfest 1976 die Grundsteinlegung ihrer neuen Kirche feiern. Am ersten Advent 1977 wurde sie eingeweiht. 1982 folgte der Bau des Glockenturms. Nach der ersten Visitation der Gemeinde im Jahr 1979 schrieb der Ronnenberger Sup., Planung und Bau der Kirche seien begleitet worden von „intensiver theologischer Reflexion, die vom Pfarrer ausging und vom Kirchenvorstand und vom Gemeindebeirat aufgenommen wurde. Das Ergebnis ist ein in jeder Beziehung gelungener gottesdienstlicher Raum, den die Gemeinde mehr und mehr zu akzeptieren beginnt.“16
In den Unterlagen zur Visitation wies P. Gaillard auch auf das gute Verhältnis zwischen ev. Kirchenvorstand und kath. Pfarrgemeinderat hin: „Höhepunkte: Gemeindereisen nach Israel und Duclair (Frankreich) zusammen.“17 Nachdem die kath. Kirche 2009 entwidmet und abgerissen worden war, finden mittlerweile zweimal im Jahr kath. Messen in der ev. Kirche Weetzen statt.18
Im Rahmen der Partnerschaft zwischen der hannoverschen und der sächsischen Landeskirche knüpfte die ev. KG Weetzen Kontakte zur Kirchgemeinde Greifendorf.19 Seit 1994 trägt die ev. Kirche Weetzen den Namen Versöhnungskirche (die 1981 gegossene Große Glocke trägt die Inschrift: „Lasst euch versöhnen mit Gott“).20
Zum 1. Januar 2013 gründete die Versöhnungs-KG Weetzen gemeinsam mit der Michaelis-KG Ronnenberg, der KapG Ihme-Roloven, der Johannes-KG Empelde und der KapG Linderte den „Ev.-luth. Kirchengemeindeverband Ronnenberg“.21 Die Gemeinden vereinbarten eine enge inhaltliche und personelle Zusammenarbeit bei der Erfüllung ihrer gemeindlichen Aufgaben, die sich u. a. in gemeinsamen Angeboten in der Gemeinde-, Kinder-, Jugend- und Seniorenarbeit sowie in einer gemeinsamen Öffentlichkeitsarbeit ausdrückt.

Umfang

Weetzen sowie Linderte (KapG) und Vörie (bis Ende Dezember 1999 Teil der KapG Vörie-Linderte.

Aufsichtsbezirk

Mit Gründung der KG 1970 zum KK Ronnenberg.

Patronat

Um 1590 Kloster Wennigsen.22

Kirchenbau

Moderner Bau mit sechseckigem Grundriss (Drachenviereck mit abgeschnittenen Spitzen), ausgerichtet nach Süden, erbaut 1976/77 (Architekten: Walter Bunsmann & Paul-Gerhard Scharf, Hamburg). Nach Norden schließt sich das baulich verbundene Gemeindehaus an. Tief herabgezogenes Satteldach. An den spitz zulaufenden Giebelseiten schmale Fenster mit einseitig hervortretender Rahmung, nach Süden sechs, nach Norden vier; Eingang durch Verbindungstrakt zu Gemeindehaus. Im Innern zeltförmige Decke mit holzverkleideten Deckenflächen.

Fenster

Buntglasfenster nach Norden und Süden.

Turm

Östlich der Kirche freistehender Glockenträger in Form einer vierseitigen Spitzpyramide, bekrönt mit Kugel und Kreuz, unten offen, erbaut 1982. Kupferdeckung, Auskragung oberhalb der Schalllamellen.

Ausstattung

Schlichter Altartisch. – Niedrige, lesepultartige Kanzel. – Sechseckige Taufe. – Marienstatue und Prozessionskreuz, übernommen aus der 2009 abgerissenen kath. Kirche St. Jakobus der Jüngere.23

Orgel

Orgelpositiv, erbaut 1958 von Friedrich Weißenborn (Braunschweig), 4 I/–, mechanische Traktur, Schleifladen; ursprünglich in der alten Kapelle aufgestellt. 2014 Orgel der aufgegebenen Corvinus-Kapelle Wennigser Mark erworben (KG Wennigsen) und in Weetzen aufgestellt, erbaut 1988 von Firma Gebrüder Hillebrand (Altwarmbüchen), 5½ II/aP, mechanische Traktur, Schleifladen.

Geläut

Zwei LG, I: h’ (Bronze, Gj. 1981, Karlsruher Glockengießerei), Inschrift: „Lasst euch versöhnen mit Gott“; II: cis’’ (Bronze, Gj. 1985, Karlsruher Glockengießerei), Inschrift: „Christus ist unser Friede Eph. 2,14. Ev. luth. Kirchengemeinde Weetzen A. D. 1985“.

Kapellenbau

1976 entwidmet und verkauft an den Weetzener Verein für Denkmalpflege e. V.24 Rechteckbau mit Rechteckapsis, ausgerichtet nach Westen, erbaut 1730.25 Satteldach, nach Westen abgewalmt. Kalksteinsockel, Fachwerk mit weißer, verputzter Ausfachung. An den Längsseiten je zwei spitzbogige Sprossenfenster, nach Osten ein Fenster mit Dreieckssturz; zwei Rechteckfenster in der Apsis. Rechteckiger Eingang nach Süden. Im Innern flache Decke im Schiff, Tonnengewölbe in der Apsis, runder Triumphbogen zwischen Apsis und Schiff; Ostempore; Kamin an Nordseite. 1813 Instandsetzung. 1871 neue, spitzbogige Fenster. 1935 Umbau, u. a. Empore für Harmonium. 1950/51 Umbau, u. a. Westapsis erbaut, Altar von Osten nach Westen versetzt, Ostempore erbaut.; Einweihung am 1. Advent 1951. 1976–79 Instandsetzung und Umbau zu Veranstaltungsraum, u. a. Decke erhöht, Kamin erbaut. 2007 Instandsetzung. 2018 nördliche Giebelwand saniert.

Turm

Über dem Ostgiebel vierseitiger, hölzerner Dachreiter mit Kupferdach, bekrönt mit Kugel. An jeder Seite ein querrechteckiges Schallfenster.

Vorgängerbau

1478 und 1543 belegt. Die Fachwerkkapelle steht auf den Fundamenten der mittelalterlichen Vorgängerkapelle.

Ehemalige Ausstattung

Blockaltar mit seitlichen Schranken. – Niedrige Kanzel mit hölzerner Brüstung.

Orgel

Zunächst Harmonium. Orgelpositiv, erbaut 1958 von Friedrich Weißenborn (Braunschweig), 4 I/–, mechanische Traktur, Schleifladen; 1971 in die kath. Kirche St. Jakobus der Jüngere versetzt, 1977 in der neuen ev. Kirche aufgestellt.26 2014 Orgel der entwidmeten Corvinuskapelle Wennigser Mark (KG Wennigsen) erworben, erbaut 1988, Firma Gebrüder Hillebrand (Altwarmbüchen), 5½ II/aP, mechanische Traktur, Schleifladen (zweites Manual c’–d’’’).

Geläut

Eine LG, c’’’ (Bronze, Gj. 1631, Johann Meyer, Hannover), Inschrift: „M[eister] Iohan Meier hat mich gossen Anno 1631. CB, TS, CR, HB, HH, DK“, „S. Catrina“ und Lvlef Meier“; Bilder: Frauengestalt (hl. Katharina), Kruzifix, darunter Mondsichelmadonna und Engel; es ist unklar, seit wann die Glocke sich in Weetzen befindet; auch nach Verkauf der Kapelle 1976 blieb die Glocke Eigentum der KG Weetzen.27

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. 1950, 1962 erworben). – Gemeindehaus (Bj. 1962, erweitert 1977).

Friedhof

Alter Friedhof in Weetzen, angelegt 1853–55, genutzt bis 1933.28 Neuer kommunaler Friedhof in Weetzen, angelegt 1933/34, FKap (Bj. 1951). Kommunale Friedhöfe in Vörie und Linderte (alle drei Friedhöfe in Verwaltung der Stadt Ronnenberg).

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

E 5 Nr. 1108 (Konsistorialbaumeister); S 09 rep Nr. 2239 (Presseausschnittsammlung); S 11a Nr. 8069 und 8069a (Findbuch PfA).

Literatur

A: Gemeindebuch KK Ronnenberg, S. 9; Hannig, Denkmaltopographie Lkr. Hannover, S. 250–251; Ohainski/Udolph, Ortsnamen Hannover, S. 466–468; Piper, Glocken und Orgeln, S. 88; Wolff, KD Lkr. Hannover und Linden, S. 126–127.

B: Reinhold Drantmann (Red.): Die Alte Kapelle in Weetzen. Geschichte einer erfolgreichen Bürgerinitiative, Ronnenberg 2007; Reinhold Drantmann & Bernhard Kühn (Red.): Die alte Kapelle zu Weetzen. Dokumentation zur Vorstellung des restaurierten Gebäudes durch den Weetzener Verein für Denkmalpflege e. V. am 25. März 1979, Ronnenberg [1979]; Peter Hertel, Hans-Hermann Fricke, Wilhelm Kulke & Uwe Repinski: Ronnenberg. Sieben Traditionen – eine Stadt, Ronnenberg 2010, bes. S. 351–361; Gerda Lutz & Thomas Bensch (Hg.): Stationen Weetzer Geschichte. 750 Jahre Weetzen. 1269–2019, Ronnenberg ²2019, bes. S. 110–121; Christian-Alexander Wäldner: Über 750 Jahre Weetzen. Mehr als eine Chronik, Hannover 2019; Dieter Twele: „1.000 Jahre Kirche in Ronnenberg“. Kirchengeschichte aus dem Blickwinkel einer Stadt und ihrer Ortsteile (= Schriften zur Stadtentwicklung 3), Ronnenberg 2010, bes. 62–64.

Internet: Denkmalatlas Niedersachsen: Kapelle.

GND

10059571-6, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde (Weetzen)


Fußnoten

  1. Cal. UB VII, Wennigsen, Nr. 53 (S. 34). Zum Ortsnamen und für weitere Belege vgl. Ohainski/Udolph, Ortsnamen Hannover, S. 466 ff., dort korrigierte Zuordnung älterer Belege (1226, 1255). Siehe auch Lutz & Bensch, S. 15 ff. Wäldner, S. 9 f., Anm. 1, hält an der Zuordnung der älteren Belege zu Weetzen fest.
  2. Vgl. zum Folgenden Spieß, Calenberg, S. 10 ff. und S. 57 ff.
  3. Zur Teilung von 1432 vgl. Pischke, Landesteilungen, S. 137 ff.; das 1432 entstandene Fürstentum hatte zunächst keinen Namen und hieß erst später Calenberg.
  4. Gemeindebuch KK Ronnenberg, S. 9. Zur Ortsentwicklung vgl. die Beiträge von Peter Simon in: Drantmann, S. 29 ff., sowie in: Hertel, Fricke, Kulke & Repinski, S. 351 ff.
  5. Alten, Sammlung, S. 125.
  6. Kayser, Kirchenvisitationen, S. 417.
  7. Zit. in Lutz & Bensch, S. 112.
  8. LkAH, L 5a, Nr. 328 (Visitationen 1922, 1934 und 1941).
  9. Hertel, Fricke, Kulke & Repinski, S. 352.
  10. LkAH, L 5a, Nr. 329 (Visitation 1950).
  11. LkAH, L 5a, Nr. 329 (Visitation 1950); Hertel, Fricke, Kulke & Repinski, S. 352.
  12. Lutz & Bensch, S. 116 und S. 118 f.
  13. KABl. 1970, S. 3.
  14. Lutz & Bensch, S. 116.
  15. Ausführlich: Drantmann, S. 11 ff.
  16. LkAH, L5d, unverz., Weetzen, Visitation 1979.
  17. LkAH, L5d, unverz., Weetzen, Visitation 1979.
  18. Lutz & Bensch, S. 116 und S. 118 f.
  19. Twele, S. 52 f. Allgemein: Cordes, Gemeindepartnerschaften, S. 38 ff.
  20. Lutz & Bensch, S. 116.
  21. KABl. 2013, S. 162. Siehe auch: Satzung KiGemV Ronnenberg, 17.01.2024.
  22. Nachrichtungsbuch von allen Pfarren im Fürstenthumb Braunschweig…. LAW, V 231, S. 85.
  23. Lutz & Bensch, S. 119.
  24. Siehe: denkmalpflege-weetzen.de, 18.01.2024.
  25. Zur Baugeschichte: Drantmann, S. 65 ff.
  26. Drantmann, S. 13.
  27. Drantmann, S. 55 ff.; Lutz & Bensch, S. 114.
  28. Lutz & Bensch, S. 120 f.