KapG der KG Ronnenberg | Sprengel Hannover, KK Ronnenberg | Patrozinium: Ostern (2009)1 | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Linderte ist urkundlich erstmals in der ersten Hälfte des 12. Jh. belegt, u. a. als Lindard (zwischen 1121 und 1140) und als Lindret (nach 1225).2 Vörie, das bis Ende Dezember 1999 zur KapG Vörie-Linderte zählte, lässt sich erstmals 1252 als Vordie nachweisen.3 Die beiden Dörfer gehörten zum Go Pattensen, der im 12. Jh. zum Herrschaftsbereich der Gf. von Hallermunt zählte und im 13. Jh. an die welfischen Hzg. zu Braunschweig-Wolfenbüttel kam.4 Seit 1432 gehörten Vörie und Linderte zum welfischen Teilfsm. Calenberg (1495: Fsm. Calenberg-Göttingen, 1692: Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. Kurhannover) und dort zunächst zum Amt Calenberg, ab 1643 zum Amt Koldingen.5 Von 1810 bis 1813/14 waren die Dörfer Teil des Kantons Pattensen im Distrikt Hannover des Allerdepartements im französischen Satellitenkgr. Westphalen. Danach zählten Vörie und Linderte, nun im Kgr. Hannover, erneut zum Amt Koldingen, das 1824 im neuen Amt Hannover aufging. Mit der Annexion des Kgr. Hannover fielen beide Dörfer 1866 an das Kgr. Preußen. Seit Einführung der Kreisverfassung 1885 gehörten sie zum Lkr. Hannover und seit 2001 zur Region Hannover. 1969 wurden die beiden Dörfer nach Ronnenberg eingemeindet. Linderte lässt sich Anfang des dritten Jahrtausends als „Feierabenddorf“ oder „Sonntagsdorf“ beschreiben.6 Um 1813 lebten gut 200 Menschen in Linderte und etwa 160 in Vörie, 2021 waren es rund 560 und 245.
Kirchlich gehörten Vörie und Linderte bis hinein in die zweite Hälfte des 20. Jh. zum Kirchspiel Ronnenberg. Eine Kapelle ist in Vordy erstmals 1543 im Protokoll der Kirchenvisitation erwähnt, die Hzgn. Elisabeth von Calenberg-Göttingen († 1558) im Zusammengang mit der Einführung der Reformation im Fsm. Calenberg veranlasst hatte (Capellen zu Deueße, Vordy, Wetze, Northem, Euerle, Bente, Empelde).7 1699 heißt es, die Kapelle in Vörie sei seit 50 Jahren ein Steinhaufen und niemand mehr im Dorf könne sich erinnern, „dass in solcher Kapelle Gottesdienst gehalten“ worden sei.8 Allerdings sei noch ein Holzturm mit einer Glocke vorhanden. Zum Wiederaufbau oder zum Neubau einer Kapelle in Vörie kam es in der Folgezeit nicht. Den hölzernen Glockenturm ersetzte die Gemeinde 1863 durch einen steinernen.
Eine Kapelle in Linderte ist im Visitationsprotokoll von 1543 nicht erwähnt. Der heutige Bruchsteinbau soll um 1700 errichtet worden sein, enthält jedoch angeblich auch Teile aus der Zeit um 1300.9 Sicher belegen lässt sich 1602 die Wahl zweier Altarleute für die Kapelle zu Linderte, nämlich „Hinrich Schnepell und Busse“; sie verwalteten den Landbesitz der Kapelle.10 Gleichzeitig wurde ein „Inventarium der Kapellen-Güter“ angelegt. Ein Lehrer ist in Linderte erstmals 1664 nachgewiesen, er war gleichzeitig für Vörie zuständig.11 Beide Dörfer bildeten seit Ende des Dreißigjährigen Krieges eine Schulgemeinschaft (bis 1958). Analog dazu waren sie in der gemeinsamen KapG Vörie-Linderte verbunden. Im Jahr 1764 waren in der Kapelle Linderte vierteljährliche Abendmahlsfeiern üblich.12 Darüber hinaus hielt der Lehrer Betstunden.13
In der ersten Hälfte des 20. Jh. waren pro Jahr zwei Abendmahlsgottesdienste in der Kapelle Linderte üblich, im Frühjahr gehalten vom Superintendenten, im Herbst vom zweiten Pfarrer der KG Ronnenberg.14 Die Zahl der Gemeindeglieder in der KapG Vörie-Linderte lag 1922 bei knapp 385 und stieg nach Ende des Zweiten Weltkriegs aufgrund des Zuzugs Geflüchteter auf rund 655 im Jahr 1950 an.15 In der Nachkriegszeit fand alle zwei Wochen ein Kapellengottesdienst statt.16
Zum 1. April 1970 wandelte das LKA Hannover die benachbarte KapG Weetzen in eine Kirchengemeinde um.17 Gleichzeitig schied die KapG Vörie-Linderte aus der KG Ronnenberg aus und wechselte zur neuen KG Weetzen. Drei Jahrzehnte später gliederte das Landeskirchenamt Vörie aus der KapG Vörie-Linderte aus und in die KG Weetzen ein. seither heißt die Gemeinde „Ev.-luth. KapG Linderte“.18 Am Ostermontag 2009 erhielt die Kapelle in Linderte den Namen „Osterkapelle“.19

Umfang

Linderte. Bis Ende Dezember 1999 auch Vörie (dann umgegliedert in die KG Weetzen).

Kapellenbau

Rechteckbau, errichtet wohl um 1700, Teile sollen aus der Zeit um 1300 stammen.20 Satteldach, nach Westen abgewalmt. Bruchsteinmauerwerk mit Eckquaderung. Nach Süden drei versetzte, unterschiedlich große Rechteckfenster, nach Norden zwei sehr kleine Rechteckfenster, nach Osten schlichtes, zweibahniges Maßwerkfenster. Nach Norden vermauertes Spitzbogenportal, nach Westen Windfang mit Spitzbogennische und Rechteckportal. Im Innern flache Decke mit ornamentaler Bemalung (1914, Karl Bohlmann, Hannover), L-förmige Empore an West- und Nordwand, Wände teilweise mit Holvertäfelung; im Osten ornamentale Wandmalerei (1914, Karl Bohlmann, Hannover) mit Inschrift: „Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Luk. 11,28“. 1768 Schlaguhr angeschafft (1915 entfernt). 1766, 1782, 1797 und 1838 Instandsetzungen.21 1914/15 Sanierung und Umbau, u. a. Eingang an Nordseite vermauert, Eingang an Westseite angelegt, Wand- und Deckenmalereien. 1980 Fassadensanierung. 1984 Dachreparatur (Sturmschaden).

Fenster

Figürliches Buntglasfenster mit Osterszene, Inschrift: „Fürchtet euch nicht, ihr suchet Jesus, er ist nicht hier, er ist auferstanden“.

Turm

Über dem Westgiebel vierseitiger, offener Dachreiter mit Pyramidendach, bekrönt mit Kreuz. Untere Teil des Dachreiters mit Ziegelbehang.

Ausstattung

Schlichter Blockaltar, Mensa aus Werksteinen. – Hölzernes Lesepult

Orgel

1880 Harmonium als Geschenk erhalten.22 1911 neues Harmonium erworben. Wohl in den 1960er Jahren Elektronium (Farfisa) angeschafft. 2002 Orgelpositiv erworben, erbaut 1989 von Erwin J. Maßow (Wedemark-Mellendorf), 4 I/–, mechanische Traktur, Schleifladen (Meisterstück des Orgelbauers, Nachbau einer 1740 von Antonius Berger gefertigten Orgel, die im Deutschen Museum München aufbewahrt wird).

Geläut

Eine LG, as’’ (Bronze, Gj. 1758, Johann Heinrich Christoph Weidemann, Hannover), Inschriften: „Lobet ihn mit hellen Cimbeln, lobet ihn mit wohlklingenden Cimbeln. An Gottes Segen ist alles gelegen.“, „Christoper Henges. Jobst Heinr. Knigge“ und „Joh. Hein. Christ. Weidemann goss mich in Hannover 1758“.

Friedhof

Ehemaliger kirchlicher Friedhof bei der Kapelle, angelegt 1750.23 Kommunale Friedhöfe in Linderte (angelegt 1892, am südlichen Ortsrand) und Vörie (angelegt 1892, außerhalb des Dorfes an der Straße nach Linderte).24

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 9625–9627 (Pfarroffizialsachen); S 11a, Nr. 8069 und 8069a (Findbuch PfA).

Literatur

A: Gemeindebuch KK Ronnenberg, S. 11; Hannig, Denkmaltopographie Lkr. Hannover, S. 246; Ohainski/Udolph, Ortsnamen Hannover, S. 296–297 und S. 457–458; Piper, Glocken und Orgeln, S. 75.

B: Friedrich Busse, Klaus Ebert & Edda Haeske: 850 Jahre Linderte. 1120–1970, Ronnenberg [1970], bes. S. 17–18; Fritz Garbe: Die Geschichte der Kapelle zu Linderte, Ronnenberg 1937; Peter Hertel, Hans-Hermann Fricke, Wilhelm Kulke & Uwe Repinski: Ronnenberg. Sieben Traditionen – eine Stadt, Ronnenberg 2010, bes. S. 331–350; Friedrich Schwertfeger, Die Geschichte des Dorfes Vörie, Hannover 1956; Dieter Twele: „1.000 Jahre Kirche in Ronnenberg“. Kirchengeschichte aus dem Blickwinkel einer Stadt und ihrer Ortsteile (= Schriften zur Stadtentwicklung 3), Ronnenberg 2010, bes. S. 66–69.

Internet: Denkmalatlas Niedersachsen: Kapelle Linderte.


Fußnoten

  1. Twele, S. 69.
  2. Würdtwein, Subsidia VI, Nr. 106 [Digitalisat]; Dobbertin, Hisse, Anhang I,B (S. 189). Zum Ortsnamen und für weitere Belege vgl. Ohainski/Udolph Ortsnamen, Hannover, S. 296.
  3. Cal. UB VII, Wennigsen, Nr. 28 (S. 19). Vgl. auch Ohainski/Udolph Ortsnamen, Hannover, S. 457.
  4. Hannig, Denkmaltopographie Lkr. Hannover, S. 245; Spieß, Calenberg, S. 74.
  5. Zur Teilung von 1432 vgl. Pischke, Landesteilungen, S. 137 ff.; das 1432 entstandene Fürstentum hatte zunächst keinen Namen und hieß erst später Calenberg. Zum Amt Koldingen vgl. Spieß, Calenberg, S. 142 ff.
  6. Hertel, Fricke, Kulke & Repinski, S. 333.
  7. Kayser, Kirchenvisitationen, S. 417; Hertel, Fricke, Kulke & Repinski, S. 84.
  8. Zit. bei Twele, S. 69. Garbe, S. 8, geht davon aus, dass es sich bei der 1543 genannte Kapelle Vordy um die Kapelle in Linderte handelt. Siehe dazu auch Twele, S. 68. Da die Kapelle Vörie auch in anderen Quellen genannt ist, erscheint Garbes Vermutung nicht haltbar, vgl. Hertel, Fricke, Kulke & Repinski, S. 84.
  9. Twele, S. 66; https://denkmalatlas.niedersachsen.de/viewer/metadata/31176974/3/-/ (ohne Beleg). Nach Garbe, S. 8, weise der Bau „in das Mittelalter“ zurück. Garbe, S. 7, schreibt überdies: „Die Kapelle in Linderte verdankt ihre Entstehung einem Edelhofe, der schon in vorchristlicher Zeit vorhanden gewesen ist. Wahrscheinlich ist in den Sachsenkreigen (772–804) der Besitzer von Karl dem Großen nach Elsaß-Lothringen verbannt worden, weil er gegen den Kaiser stand. An seiner Stelle trat ein Günstling Karls, dem die Stiftung der Kapelle selbstverständlich war. Ausgeschlossen ist nicht, daß in alter Zeit das Kirchlein im Umkreis des Edelhofes lag und dem Edelherrn zugleich als Hauskapelle diente“. Quellen für diese spekulativen Überlegungen liegen nicht vor, siehe auch Hertel, Fricke, Kulke & Repinski, S. 85.
  10. Garbe, S. 21. Vgl. auch Hertel, Fricke, Kulke & Repinski, S. 85: 1613 waren Hans Flaßbart und Reineke Busse Altarleute in Linderte.
  11. Hertel, Fricke, Kulke & Repinski, S. 87.
  12. LkAH, A 1, Nr. 9627.
  13. Garbe, S. 9.
  14. LkAH, L 5a, Nr. 328 (Visitationen 1922, 1934 und 1941).
  15. Hertel, Fricke, Kulke & Repinski, S. 352.
  16. LkAH, L 5a, Nr. 329 (Visitation 1950).
  17. KABl. 1970, S. 3.
  18. KABl. 2000, S. 16.
  19. Twele, S. 67.
  20. Twele, S. 66; https://denkmalatlas.niedersachsen.de/viewer/metadata/31176974/3/-/.
  21. Zur Baugeschichte: Garbe, S. 11 ff.
  22. Garbe, S. 15.
  23. Twele, S. 67; Garbe, S. 16 ff.
  24. Twele, S. 69.