Sprengel Stade, KK Cuxhaven-Hadeln | Patrozinium: Abundus | KO: Keine Kirchenordnung
Orts- und Kirchengeschichte
Groden ist eine ursprünglich bäuerliche Strichsiedlung in der Elbmarsch zwischen Altenbruch und Ritzebüttel. Es wird bei der Verpfändung der Kirchspiele Wolde (Altenwalde) und Groden durch Hzg. Erich I. von Sachsen-Lauenburg an Wolderich Lappe und dessen Söhne Johann und Heinrich 1324 erstmals urkundlich erwähnt.1 Ein von Weiberg angeführter Beleg aus dem Jahr 13082 bezieht sich auf das westlich von Brunsbüttel gelegene Groden an der Elbe (1698 wüst). Die Lappe versetzten Groden ihrerseits 1372 mit Altenwalde an den Rat der Stadt Hamburg. Nachdem sie das Pfand nicht mehr einlösen konnten, verkauften sie den Ort 1394 mitsamt dem hohen und niederen Gericht ganz an Hamburg.3 Groden wurde Teil des neu gebildeten Amts Ritzebüttel, 1873 hamburgische Landgemeinde und 1935 nach Cuxhaven eingemeindet.
Die Kirche dürfte im 13. Jh. mit der Eindeichung der Elbmarsch entstanden sein und war damit die älteste des späteren Amts Ritzebüttel. Der Steinbau steht vielleicht an der Stelle einer älteren, archäologisch bis jetzt nicht nachgewiesenen Holzkirche. Die romanische Feldsteinkirche wurde im 14. Jh. umgestaltet (Erhöhung der Saalwände, Vergrößerung und Umgestaltung des Chorbereichs). Veranlasst wurden die Arbeiten wohl durch die Grundherren Lappe, die Kirche und Pfarre auch mit zahlreichen Schenkungen und Stiftungen bedachten. So dotierten 1342 Wolderich Lappe, sein Sohn Johannes und sein Enkel Wolderich die Stelle eines Kaplan, aus der später die Diakonatspfarre hervorging.4 1369 errichteten die Vettern Wilken und Wolderich Lappe eine Marienvikarie und setzten zum ersten Inhaber den seit längerem in ihren Diensten stehenden Priester Johann Calf ein. Das Belehnungsrecht behielten sie sich und ihren Nachkommen im Einvernehmen mit dem jeweiligen Pfarrherrn vor.5 Nach einem Streit mit der Stadt Hamburg als Rechtsnachfolgerin der Herren Lappe verzichtete der Pfarrer 1421 auf sein Mitbesetzungsrecht. Die Übertragung der Pfründe an Geistliche, die auch auswärts Ämter innehatten, machte die Stiftung einer zweiten Vikarie notwendig, deren Inhaber verpflichtet wurde, ständig im Ksp. anwesend zu sein (1478).
Erster bekannter Geistlicher war der in der Urkunde von 1342 genannte Johannes.6 1356 stiftet Willekinus, rector ecclesie in Ghroden, eine ständige Messe in der Kreuzkapelle zu Altenwalde. Möglicherweise war er ein Angehöriger der Familie Lappe.7 1383 war der Grodener Pfarrer Churd van den Gruden zugleich Propst des Klosters Neuenwalde.8 Bei der Gründung der II. Vikarie (1478) ist der Pfarrer Johannes Heppecke zugegen, der wohl ab 1475 als Kerkherr amtierte.9 Auf die neu gestiftete Vikarie wurde Hermann von Sandbeck eingeführt. 1488 und 1495 wird ein Bernerus Grote, rector parochialis in Groden bzw. regent der cappelkercken thom Grode, erwähnt.10
Reformatorische Einflüsse drangen von Hadeln her schon früh (1521/22) nach Groden ein, das sicher die erste luth. Gemeinde im Amt Ritzebüttel war. Der 1524 bis 1530 amtierende Amtmann Dirk Lange war Anhänger der neuen Lehre und förderte ihre Verbreitung. Erster luth. Prediger war vielleicht Johann Mildenberg, ein früherer Mönch des St.-Jürgens-Klosters zu Stade. 1519/22 wird Echardus Tomsius als P. in Groden geführt11, 1524 Lüder Burchardi. Von Groden aus griff die Reformation auf die zu Altenwalde gehörigen Marsch- und Geestdörfer Döse, Duhnen und Stickenbüttel über. Die Rechte über die Kirchen im Amt beanspruchte seit 1528 der Rat der Stadt Hamburg. Am 23. Mai 1529 wurde die Bugenhagensche KO in den hamburgischen Kirchen eingeführt. Um 1570 erhielt das Amt Ritzebüttel eine eigene KO. Die Wahl der P. erfolgte gemeinsam durch den Amtmann, Schulzen, Geschworene und Kirchspielseingesessene. Gewöhnlich rückte der Diakon in die freiwerdende Stelle auf.12 Von den beiden Vikarien wurde eine nach der Reformation wieder aufgehoben.
1562 wird die Schule in Groden (wohl die älteste im ehemaligen Amt Ritzebüttel) erstmals erwähnt. Ein Schulneubau wurde 1629 östlich der Kirche errichtet.
1819 wurde die KG Ritzebüttel (Cuxhaven-Ritzebüttel) von Groden abgetrennt und verselbständigt. Die Diakonatspfarrstelle in Groden wurde aufgehoben. Über die Verteilung der Kapitalien, Ländereien und Renten zwischen den beiden KG wurde erst 1865 ein Vergleich erzielt. Die Zahl der Gemeindeglieder war durch die Teilung der Parochie um rund 1.550 auf nur noch 650 gesunken, doch erfuhr infolge der raschen Entwicklung von Cuxhaven auch Groden bald wieder einen starken Zuwachs (1895: 690 Einwohner; 1920: 1.300), der sich mit der Neubautätigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg fortsetzte. Das sich nach Alt-Cuxhaven hinziehende Gebiet wurde erst in den 1960er Jahren bebaut.13
Zur Verbesserung der Gemeindearbeit wurde 1966/67 ein Gemeindehauses mit Amtsträgerwohnungen errichtet (Architekt: Grützner und Gerstering, Bremerhaven). Für einen dort zunächst behelfsmäßig mit untergebrachten KiGa wurde auf Drängen des Landesjugendamts Lüneburg 1984/85 ein eigener Anbau erstellt.14
Pfarrstellen
I: 1519. – II (Diakonat): 1524; 1819 auf die Martins-KG in Cuxhaven-Ritzebüttel übergegangen.
Umfang
Das Dorf Groden und die sogenannte Abschnede zwischen Groden und Altenwalde. Der ursprünglich zum Ksp. gehörige Flecken Ritzebüttel mit Schloss und Vorwerk wurde 1819 abgetrennt und verselbständigt. 1. Oktober 1978 Gebietsbereinigung mit der KG Altenbruch.
Aufsichtsbezirk
Archidiakonat Hadeln-Wursten der Erzdiözese Bremen. – Vor 1963 zum hamburgischen KK Cuxhaven (1. Januar 1977 aus der Ev.-luth. Kirche im Hamburgischen Staate in die hannoversche Landeskirche umgegliedert). Seit 1. Januar 2013 KK Cuxhaven-Hadeln.
Patronat
Ein adeliges Patronat auf eigenkirchlicher Grundlage, wie es für die Ritter Lappe infrage käme, ist bislang nicht nachgewiesen, zumal die Familie in Groden keine Grundherrschaft, sondern nur Pfandbesitz (1324) hatte.15
Kirchenbau
Langgestreckte, einschiffige rechteckige Feldsteinsaalkirche (Anfang 13. Jh.) mit polygonalem Backsteinchor und Sakristeianbau (1868). Um 1500 wurde das Schiff erhöht. Weitere Instandsetzungsarbeiten fanden im 17. und 18. Jh. statt. 1818 bezeichnete Amtmann Abendroth die Kirche als „altes dunkles Gebäude, worin keine besonderen Merkwürdigkeiten sind.“16 Da das Schiff trotz weiterer Renovierungen baufällig blieb, wurden ab 1859 rege Diskussionen über seinen Erhalt oder Abriss geführt. Um 1865 waren die Bauschäden so weit fortgeschritten, dass Altarraum und Chor baupolizeilich gesperrt werden mussten. Das Ergebnis der Erörterungen war ein Kompromiss. Der alte Rechteckchor wurde abgebrochen und durch einen Neubau mit angebauter Sakristei ersetzt (Entwurf: Bauinspektor Maack). Die Mauern des Langhauses wurden ausgebessert und erhöht. Der Turm blieb erhalten. Für die 1868 begonnen Arbeiten wurde auch die Martins-KG in Ritzebüttel zu einem Beitrag verpflichtet. 1922 wurde die Kirche durch die Explosion eines Minendepots beschädigt.
Turm
Barocker, nahezu quadratischer Westturm aus Backstein; geschweifte Haube mit Laterne und achtseitiger Pyramide (1784/85). Der aus Backstein gemauerte Schaft besteht wohl aus gebranntem Schlick der Unterelbe. Ein älterer Kirchturm war 1625, 1648 und 1699 beschädigt (Sturm/Blitzschlag, 1700 erneuert) und das Geläut 1766 wegen größerer Schäden an der Westseite in einem hölzernen Glockenstuhl neben der Kirche aufgehängt worden. 1784/85 wurde der Westturm neu aufgeführt.17 Die Westwand wurde 1905 durch Verstärkungspfeiler gesichert. Erneute Sanierung 1993/95.
Grablege
Bei Renovierungsarbeiten im Altarbereich wurde ein umfangreiches Bestattungsareal mit Gruft freigelegt, dessen älteste Beisetzungen möglicherweise bis in die Zeit der Feldsteinkirche zurückreichen. Die früheste namentlich bekannte Bestattung war die des Marquard Schreye (ab 1417 Amtmann von Ritzebüttel, Grabplatte um 1868 verloren gegangen).18
Ausstattung
Reich geschnitzter Barockaltar mit zweigeschossigem Retabel (1686/87 von Albrecht Mitte, Hamburg; beim Umbau von 1866/68 in den neuen Chorraum versetzt): In der Predella die Einsetzung des heiligen Abendmahls; auf den beiden Hauptbildern zwischen gedrehten Säulen Kreuzigung und Grablegung. Zu den Seiten der beiden Altarbilder Standbilder der vier Evangelisten. Bekrönung durch den Auferstandenen mit der Siegesfahne. – Polychrom gefasste, barocke Kanzel aus Eichenholz, wohl ein frühes Werk des Michael Ringkmacher (erste Hälfte 17. Jh., um 1688 verändert). Auf den geschnitzten Bildfeldern Christus als Salvator mundi und die vier Evangelisten. – Epitaphe, Votivgemälde (Anbetung der Hirten; Bekehrung des Kämmerers aus dem Mohrenlande, beide 1640) und Pastorenbilder des 17. bis 19. Jh. – Grabplatten des 16. bis 18. Jh. – Eine ältere Bronzetaufe wurde 1700 beim Neuguss der Glocken eingeschmolzen. Eine Pietà der Grodener Kirche kam in das Museum für Hamburgische Geschichte.
Orgel
Die erste Orgel wurde wohl 1585 erbaut, eine zweite kurz vor Ende des Dreißigjährigen Krieges 1647. Standort war die Nordseite des 1868 abgebrochenen Chorraums. Der Erbauer des zweiten Werks ist möglicherweise im Umfeld des Orgelbauers Gottfried Fritzsche (Hamburg) zu suchen. Instandsetzungsarbeiten führten 1657 Tobias Brunner (Lunden), 1668 Joachim Richborn (Hamburg), 1699 eventuell Matthias Dropa (Lüneburg) und 1766 Johann Paul Geyke durch. 1868 wurde die alte Orgel abgebrochen. Noch im gleichen Jahr baute Franz Köllein (Groß Tabarz, Thüringen)19 ein neues Instrument auf dem Westlektor; 11 II/P (HW, OW). 1925 Änderung der Disposition durch Paul Rother (Hamburg). Nach Vorgaben des Orgelsachverständigen Friedrich Brinkmann (Hamburg) wurde 1935/36 von P. Furtwängler & Hammer (Hannover) ein Umbau vorgenommen (u. a. Einbau eines fahrbaren elektrischen Spieltischs mit elektropneumatischer Schleifensteuerung; Erweiterung auf 18 klingende Stimmen). Weiterer Umbau 1945/46 E. Palandt & Sohnle (Hildesheim). 1954 Umdisponierung durch Firma Emil Hammer (Hannover). 1968/73 Renovierung bzw. Umbau durch Firma Alfred Führer (Wilhelmshaven), 18 II/P (HW, OW), mechanische Traktur, Schleifladen. 2013 Instandsetzung durch Rowan West (Altenahr). Der Prospekt von 1868 steht unter Denkmalschutz.
Geläut
Drei LG, I: e’; II: e’, III g’ (Bronze, Gj. 1700, Strufe, Hamburg). – Eine SG in g’’ (Bronze, Gj. 1836). – Früherer Bestand: Das vorige Geläut wurde 1699 durch Blitzschlag zerstört.
Friedhof
Bei der Kirche; später nach Süden erweitert. Zahlreiche Grabdenkmäler des 17. bis 19. Jh. Eigentum der KG.
Kirchenbücher
Taufen: ab 1689 (Lücke: 1754–1758)
Trauungen: ab 1768
Begräbnisse: ab 1768
Konfirmationen: ab 1835
Kirchenbücher vor 1816 im Staatsarchiv Hamburg
Literatur
A: Böker, Denkmaltopographie Lkr. Cuxhaven, S. 181 f.; Bussler, Stadtlexikon Cuxhaven, S. 196; Cortum, Orgelwerke, S. 179; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 370 f.; Hammer/Schade, Hamburger Pastorinnen und Pastoren II, S. 103 f.; Janssen, Nachrichten, S. 233–238; Kirchengemeinden Cuxhaven; Pape, Palandt, S. 169–171; Reinecke, Amt Ritzebüttel, S. 126 f.; Weiberg, Niederkirchenwesen, S. 107–109.
B: Günter Seggermann: Nachrichten über die Orgeln der St.-Abundus-Kirche zu Cuxhaven-Groden, in: Mundus Organorum. Festschrift Walter Supper zum 70. Geburtstag, hrsg. von Alfred Reichling, Berlin 1978, S. 294–302; Andreas Wendowski-Schünemann: Die St. Abundus-Kirche in Cuxhaven-Groden. Ergebnisse bauarchäologischer Untersuchungen und Versuch einer bauhistorischen Einordnung, in: Jahrbuch der Männer vom Morgenstern 83 (2004), S. 9–29.
Website der Kirchengemeinde (10.09.2020)
Fußnoten
- UB Hamburg II, Nr. 614.
- UB Hamburg II, Nr. 164 A und B.
- Rüther, Hadler Chronik, Nr. 278.
- UB Hamburg IV, Nr. 151; Rüther, Hadler Chronik, Nr. 140.
- Rüther, Hadler Chronik, Nr. 203.
- UB Hamburg IV, Nr. 151.
- Wendowski-Schünemann, S. 20.
- UB Neuenwalde, Nr. 113.
- Janssen, Nachrichten, S. 235.
- UB Bremerhaven I, Nr. 132; UB Neuenwalde, Nr. 165.
- Hammer/Schade, Hamburger Pastorinnen und Pastoren II, S. 103.
- Reinecke, Amt Ritzebüttel, S. 126 f.
- LkAH, L 5g, Nr. 152 (Visitation 1980).
- LkAH, B 2 G 9/Cuxhaven, Abundus.
- Wendowski-Schünemann, S. 20.
- Abendroth, Ritzebüttel und Cuxhaven, S. 52.
- LkAH, B 2 G 9/Cuxhaven, Abundi, Bl. 233 (Gutachten betreffend Bauschäden am Turm der Abundikirche Groden, 15.08.1990).
- Wendowski-Schünemann, S. 15 f.
- Nach Cortum, Orgelwerke, S. 179: P. Furtwängler (Elze).