KapG der KG Jeinsen | Sprengel Hannover, KK Laatzen-Springe | Patrozinium: Christophorus (1955)1 | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Urkundlich lässt sich der heutige Ortsteil von Sarstedt erstmals im 10./11. Jh. in einem Urbar der Benediktinerabtei Werden als Sclikon nachweisen.2 Schliekum gehörte zum sächsischen Marstemgau und später zum Gogerichtsbezirk Gestorf.3 Im 13. Jh. war der Go Gestorf im Besitz der Gf. von Hallermund; 1282 erwarben die welfischen Hzg. zu Braunschweig-Lüneburg die Hälfte der Hallermundschen Rechte und bis spätestens 1411 waren sie in alleinigem Besitz.4 Seit der welfischen Besitzteilung von 1432 zählte Schliekum zum welfischen Teilfsm. Calenberg (ab 1495 Fsm. Calenberg-Göttingen, 1692: Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. Kurhannover) und gehörte hier zur Vogtei bzw. später Amt Calenberg (Schliekum war eines der Calenberger Vordörfer, gehörte also zum Burgbezirk span class=“no-cross-linking“>Calenberg).5 In französischer Zeit zählte Schliekum von 1810 bis 1813/14 zum Kgr. Westphalen (Kanton Pattensen, Distrikt Hannover, Departement der Aller). Danach war das Dorf, nun im Kgr. Hannover, wieder Teil des Amtes Calenberg. Mit der Annexion des Kgr. Hannover fiel es 1866 an das Kgr. Preußen und seit Einführung der Kreisverfassung 1885 zählte Schliekum zum Lkr. Springe. Nach dessen Auflösung kam das Dorf 1974 an den Lkr. Hildesheim und wurde nach Sarstedt eingemeindet. Um 1813 lebten knapp 255 Menschen in Schliekum und 2023 rund 615.
Kirchlich gehört Schliekum bereits in vorref. Zeit zum Kirchspiel Jeinsen. Ältestes Zeugnis der örtlichen Kirchengeschichte ist das Kapellengebäude, das im Kern wohl aus dem 15. Jh. stammt. Zusammen mit der Muttergemeinde Jeinsen wechselte die Kapellengemeinde Schliekum 1542/43 zur luth. Lehre; P. Heinrich Papenhagen (amt. bis 1560) war anscheinend gleichzeitig der letzte altgläubige und der erste luth. Prediger in Jeinsen und Schliekum. Im Protokoll der Kirchenvisitation 1543 ist bei „Slyken die Capelle“ vermerkt „ist ein Filial in Jenesen“. An Clenodia besaß die Kapelle „iii Silbern kilche, 1 old kasel“.6 Im Visitationsprotokoll von 1588 heißt es, P. Christoph Brandes (amt. 1561–1588), zuständig für Calenberg, Jeinsen und Schliekum, predige jeweils „des Sommers am Sonnabend zu Schlicken“.7
Im Corpus bonorum, angefertigt 1728, schrieb P. Joachim Konrad Schmidt (amt. 1696–1732): „In Schliekum predige ich alle Quartal, muß auch die mehrsten Todten alda begraben auch wol wegen alter und unvermögender Leute in loco Communion halten“.8 Dieser Gottesdienstrhythmus galt auch 1939 noch: In der Schliekumer Kapelle fand „an jedem Quartalssonntage ein Hauptgottesdienst mit Abendmahl“ statt und dazwischen hielt der Jeinser Pfarrer vier weitere Sonntagsnachmittagsgottesdienste.9 Ab 1948 versammelte sich die Gemeinde einmal im Monat zu einem Kapellengottesdienst (vier vormittags, acht nachmittags).10
Bei der Renovierung der Kapelle in den Jahren 1953 bis 1955 kamen mittelalterliche Wandmalereien zum Vorschein. Das freigelegte Christophorusgemälde gab den Anlass zur Namensgebung der Kapelle.11

Kapellenbau

Kleiner Rechteckbau mit Satteldach, im Kern Ende 15. Jh.12 Bruchsteinmauerwerk mit Eckquaderung. An den Längsseiten je ein spitzbogiges Sprossenfenster (Chor) und zwei segmentbogige Sprossenfenster (Schiff), nach Osten ein dreibahniges, spitzbogiges Maßwerkfenster. Nach Westen segmentbogiges Portal, darüber zwei Schlitzfenster. Im Innern flachgewölbte Decke, Westempore. An den Wänden Ausmalungsreste (Ende 15. Jh.): an der Südwand Pieta, an der Nordwand Christophorus, außerdem Weihekreuze sowie Rankenwerk in den Laibungen der Chorfenster. Im 18. Jh. Schiff erneuert (Fenster) und vielleicht Kreuzgewölbe im Chor entfernt. 1841 Dach neu gedeckt. 1850 Umgestaltung Innenraum. 1953–55 Sanierung und Neugestaltung Innenraum, u. a. Nordempore entfernt, Kanzelaltar entfernt.13

Turm

Über dem Westgiebel verputzter Dachreiter mit vierseitigem Pyramidenhelm, ziegelgedeckt, bekrönt mit Kugel, erbaut 1841. Flachbogige Schallfenster nach Norden und Süden, Uhrziffernblatt nach Westen.

Ausstattung

Schlichter Blockaltar, gemauerter Stipes, vorref. Sandsteinmensa mit Weihekreuzen. – Niedrige Holzkanzel (1660), an den Wandungen rundbogige Arkadenfüllungen, Inschrift: „Hans Gott A[nno] C[hristi] 1660“. – Pokalförmiger Taufstein, rundes Becken. – Epitaph. – Ehemalige Ausstattung: Kanzelaltar (1955 entfernt).

Orgel

Zwischen 1894 und 1906 Harmonium erworben.14 1970 Kleinorgel erworben, Instrument erbaut 1960 von Emil Hammer (Arnum), 4 I/aP, mechanische Traktur, Schleifladen (Opus 1482), ursprünglich in der St.-Paulus-Kirche in Sarstedt.15

Geläut

Eine LG, esʼʼ (Bronze, Gj. 1842, Siegmund Andreas Lange, Hildesheim), Inschriften: „Gegossen von S. A. Lange in Hildesheim 1842“ und „W. Bolte Bauermeister. H. Kemna, C. Stamme, Vorsteher“. – Früherer Bestand: Eine LG (Bronze), 1842 umgegossen zu jetziger LG.16

Friedhof

Kirchlicher Friedhof am westlichen Ortsrand (Feldstraße, Friedhofsweg), Eigentum des Kirchspiels Jeinsen.

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 8, Nr. 208Digitalisat; D 13 (EphA Laatzen-Pattensen); E 12 Nr. 333–336 (Kirchenkommissariat Springe); L 5a Nr. 225 (LSuptur. Calenberg-Hoya mit Verden-Hoya und Celle); S 2 Witt Nr. 05 (Fotosammlung); S 11a Nr. 7637 (Findbuch PfA).

Kirchenbücher

Kommunikanten: 1860–1877
Im Übrigen siehe Jeinsen.

Literatur & Links

A: 450 Jahre Reformation, S. 94–95; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 1172; Grote/van der Ploeg/Kellner, Wandmalerei, Katalogband, Nr. 247; Holscher, Bisthum Minden, S. 202; Jäger, Orgeln, S. 112; Jürgens u. a., KD Kr. Springe, S. 182–184.

B: Herbert-Joachim Günther: Die Christophorus-Kapelle zu Schliekum. Festschrift zur Neueinweihung am 25. September 1955, Springe 1955; Hermann Schuhrk: Erste urkundliche Erwähnung Schliekums schon zu Beginn des 11. Jahrhunderts, in: Springer Jahrbuch 2023, S. 23–30.

Internet: Bildindex der Kunst & Architektur: Wandmalereien; Denkmalatlas Niedersachsen: Kapelle, Kirchhof, Kirchenanlage.

GND

5239595-9, Evangelisch-Lutherische Kapellengemeinschaft (Schliekum).


Fußnoten

  1. Günther, S. 18.
  2. Kötzschke, Urbare Werden, S. 108. Vgl. auch Schuhrk, S. 23 ff.
  3. Spieß, Calenberg, S. 79 ff.
  4. Spieß, Calenberg, S. 18 ff.
  5. Zur Teilung von 1432 vgl. Pischke, Landesteilungen, S. 37 ff. Der Name Fsm. Calenberg ist nicht zeitgenössisch, das Gebiet wurde als „Land zwischen Deister und Leine“ bezeichnet.
  6. Kayser, Kirchenvisitationen, S. 443.
  7. Kayser, General-Kirchenvisitation I, S. 230.
  8. LkAH, A 8, Nr. 208, Bl. 3 [Digitalisat, Aufnahme 5].
  9. LkAH, L 5a, Nr. 225 (Visitation 1939).
  10. Günther, S. 20.
  11. Günther, S. 14 ff.
  12. Günther, S. 19 ff., mutmaßt, der Westteil sei der älteste Teil der Kapelle, die „aus der Zeit um die Jahrtausendwende“ stamme und zudem ursprünglich nach Norden ausgerichtet gewesen sei. Im frühen 14. Jh. sei die Kirche nach Osten bis zum heutigen Chor erweitert worden, bei gleichzeitiger Erhöhung der Außenmauern. Im späten 14. oder frühen 15. Jh. sei als dritter Bauabschnitt der Chor errichtet worden, gleichzeitig sei der Altar von der Nord- an die Ostseite versetzt worden.
  13. Günther, S. 32 ff.
  14. Weber, S. 31.
  15. Jäger, Orgeln, S. 112.
  16. Weber, S. 28.