KapG der KG Pattensen | Sprengel Hannover, KK Laatzen-Springe | Patrozinium: kein mittelalterliches Patrozinium bekannt1 | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Urkundlich ist der Ort erstmals um 1220 im Hoyaer Lehnverzeichnis als Callegen erwähnt.2 Das slot Coldeghe ist zuerst 1353 genannt: Die Familie von Reden bewilligte ihre Burg Hzg. Wilhelm zu Braunschweig-Lüneburg († 1369) als Offenhaus (dat slot schal eme vnde sinon eruen open wesen tho allen tiden vnde to al eren noden).3 Die welfischen Hzg. zu Braunschweig-Lüneburg verloren Burg Koldingen spätestens 1372 an den Bf. von Hildesheim.4 In der Folgezeit wurde Koldingen Sitz eines hildesheimischen Amtmannes.5 Nach Ende der Hildesheimer Stiftsfehde (1519–1523) fiel das Amt Koldingen wieder an die Welfen und zählte – zeitweise auch als „Amt Lauenburg“ bezeichnet – zum Teilfsm. Calenberg-Göttingen (1692: Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. Kurhannover). Eine erste Ortsansicht ist aus der Mitte des 17. Jh. überliefert (Merian-Stich).6 In französischer Zeit gehörte Koldingen von 1810 bis 1813/14 zum Kgr. Westphalen (Kanton Pattensen, Distrikt Hannover, Departement der Aller). Danach war der Ort, nun im Kgr. Hannover, erneut Amtssitz, bis das Amt Koldingen 1824 im neuen Amt Hannover aufging. Mit der Annexion des Kgr. Hannover fielen Amtshaus und Domäne 1866 an das Kgr. Preußen (preußische Staatsdomäne) und seit Einführung der Kreisverfassung 1885 zählte Koldingen zum Kr. Hannover (2001: Region Hannover). 1920 war die Domäne an die Stadt Hannover gekommen, 1938 erwarb die Reichsumsiedlungsgesellschaft das Gebiet. 1974 wurde Koldingen nach Pattensen eingemeindet. Mehrere Bauernfamilien, die ihr Land wegen des Baus der Reichswerke Hermann Göring bei Salzgitter aufgeben mussten, erhielten 1938 Land in Koldingen (16 Höfe).7 Zur Sozialstruktur der Gemeinde heißt es im Bericht über die Visitation 1977: „Zur Zeit der Domäne bestand die Bevölkerung Koldingens – neben dem Gasthof und einem selbständigen Hof – nur aus der Domänenverwaltung auf der einen und der abhängigen Landarbeiterschaft auf der anderen Seite. Als die Domäne auf die neusiedelnden Landwirte aus dem Salzgittergebiet aufgeteilt wurde, wurde dieser soziale Gegensatz im Bewußtsein der Arbeiterschaft beibehalten: ‚Die Landwirte sind ‚oben‘, wir ‚unten‘.‘ Er lebt auch bei den gesellschaftlich Aufgestiegenen noch fort und ist in der Trennung der einzelnen Siedlungsgebiete, der Vereinszugehörigkeit und der Unterstützung der politischen Parteien ebenso erkennbar.“8 Um 1813 lebten knapp 60 Menschen in Koldingen und 2019 etwa 710.
Eine Capellen tzu Coldingen ist schriftlich erstmals im Protokoll der reformatorischen Kirchenvisitation 1542/43 erwähnt. Sie gehörte seinerzeit zum Zuständigkeitsbereich des Pattenser Kaplans Heinrich Bock.9 In einer Randbemerkung des Visitationsprotokolls von 1588 heißt es, Kaplan Heinrich Dannenberg (amt. 1589–1626) aus Pattensen predige „auch zur Lauenburg“, also in der Koldinger Kapelle. Gleichzeitig mit dem Neubau des Amtshauses ließ Amtmann Johannes Kaufmann 1593 auch eine neue Kapelle errichten (Hauskapelle des Amtshauses); die Inschriftentafel über dem Eingang des heutigen Kapellengebäudes erinnert daran. 1650 kam die KapG Koldingen zum Kirchspiel Grasdorf.10 Im Jahr 1747 wurde das alte Kapellengebäude erneuert oder durch einen Neubau ersetzt.
Sowohl 1808 als auch 1850 stand zur Diskussion, Koldingen wieder in das Kirchspiel Pattensen umzugliedern; die Pläne kamen jedoch jeweils nicht zur Verwirklichung.11 Eine eigene Schule erhielt Koldingen erst 1881.12 1909 lag die Zahl der Gemeindeglieder in Koldingen bei knapp 290, Gottesdienste fanden wöchentlich statt.13 Bis zur Auflösung der Domäne Koldingen 1938/39 verwaltete die Domäne als Eigentümerin der Kapelle auch das Vermögen der KapG Koldingen.14
Zum 1. Oktober 1953 wechselte die KapG Koldingen, zu der mittlerweile knapp 650 Gemeindeglieder zählten, aus der KG Grasdorf zur neu errichteten KG Rethen (Leine).15 Bereits 1957 bemühte sich die Kapellengemeinde, das Kapellengebäude in Koldingen zu erwerben; dies gelang ihr jedoch erste um 1980.16 1986/87 ließ die Gemeinde das Kapellen- und Gemeindehaus grundlegend umbauen (u. a. Obergeschoss abgebrochen). Der Umbau habe dem „Gemeindeleben neuen Schwung“ verliehen.17 Zum 1. Januar 1997 verließ die KapG Koldingen die KG Rethen (Leine) und wechselte zur KG Pattensen.18

Umfang

Koldingen.

Kapellenbau

Rechteckbau, ausgerichtet nach Nordosten, erbaut 1747. Nach Nordwesten schließen sich Gemeinderäume (Fachwerk) und das ehemalige Amtshaus an. Walmdach. Verputztes Mauerwerk. Je zwei Rechteckfenster nach Südwesten und Nordosten, eines nach Südosten; Rechteckportal nach Südwesten, im Sturz Inschrift: „Renovat Anno 1747“, darüber Inschriftentafel aus dem Vorgängerbau „Qvod svasit pietas opera stvdioqve Iohannis Kaufmanni fuit haec aedificata domvs sancta sit vt fidei schola et officina salvtis qvae sonet et discat dogmata pvra dei Christe tvvm cetvm, qvi te discitqve docetqve irradians doceat nvminis avra tvi sic bene Kavffmanni cedet labor atque vigebit lavs tva, cvi domvs haec aedificata fvit. Anno Christi 1593“.19 Im Innern flache Decke, im Südwesten Empore mit Brüstungsorgel. 1747 Kapellengebäude von 1593 ersetzt oder umgebaut. 1955 Umgestaltung Innenraum. 1978 oder 1981 erwarb die KapG Koldingen das Kapellengebäude.20 1986/87 Umbau, u. a. Obergeschoss (Fachwerk, Krüppelwalmdach) über Kapelle und Gemeindehausteil abgebrochen, Walmdach über Kapelle und Querdach über Gemeindehaus errichtet.21

Turm

In der Mitte des Dachs offener Dachreiter mit Satteldach.

Ausstattung

Schlichter, kastenförmiger Altar mit geschwungenem Holzretabel, weiß und gold gefasst; Retabel mit leerem Rechteckfeld flankiert von zwei Pilastern, darüber geschwungener Sprenggiebel, bekrönt mit Kugel und Kreuz. – Leicht erhöhte Holzkanzel, an den Wandungen der polygonalen Kanzelkorbs Gemälde der vier Evangelisten; Gemälde 1987 bei Restaurierung der Kanzel freigelegt.

Orgel

1747 Orgel vorhanden.22 1853–58 Bau einer Orgel.23 1916 Neubau des Orgelwerks, ausgeführt von P. Furtwängler & Hammer (Hannover), 6 I/P, pneumatische Traktur (Opus 835); Prospekt älter.24 Instrument 1960 als „verbraucht“ beschrieben, etwa seit 1961 Harmonium genutzt.25 1964 Orgelneubau, ausgeführt von Deltlef Kleuker (Brackwede), 4 I/–, mechanische Traktur, Schleifladen; Brüstungspositiv. 1989 Instandsetzung, Orgelbauwerkstatt F. Schmidt (Hannover).

Geläut

Zwei LG, I: gisʼʼ (Bronze, Gj. 1964, Friedrich Wilhelm Schilling, Heidelberg), Inschrift: „Gelobet sei der Herr täglich“ und „Im Jahr des Herrn 1964“; II: hʼʼ (Bronze, Gj. 1644, Ludolf Siegfried, Hannover), Inschrift: „Lobet ihn mit hellen Cymbeln. Lobet ihn mit wohlklingenden Cymbeln. Anno 1644 Ps. CL“ und „Ludolf Siegfried me fecit“; Glocke hing seit 1938 im Ostgiebel des Jungviehstalls und seit 1957 auf dem Dreschschuppen, 1986 kam sie in den neuen Dachreiter auf dem Kapellendach.26

Friedhof

Alter Friedhof in der Ortsmitte (Ecke Amtberg/Am Amtgarten), angelegt 1920 (Pächterfriedhof), erweitert 1934. Neuer Friedhof im Osten des Ortes (Leineaue), FKap.

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

D 13 (EphA Laatzen-Pattensen); E 5 Nr. 624 (Konsistorialbaumeister); L 5a Nr. 316 (LSuptur. Calenberg-Hoya mit Verden-Hoya und Celle); S 2 Witt Nr. 03 (Fotosammlung); S 11a Nr. 7452 (Findbuch PfA).

Literatur & Links

A: 450 Jahre Reformation, S. 108; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 813; Hannig, Denkmaltopographie Lkr. Hannover, S. 230–231; Ohainski/Udolph, Ortsnamen Hannover, S. 258–261; Fraatz, Inspektion Pattensen, S. 17–21; Wolff, KD Lkr. Hannover und Linden, S. 9–11.

B: Gunnar Ahlborn: Evangelische Jugendarbeit mit rechtsgerichteten Jugendgruppen zwischen Akzeptanz und Herausforderung. Dargestellt am Beispiel des offenen Jugendraumes Koldingen im Kirchenkreis Laatzen/Pattensen, Hannover 1993; Karlheinz Mahrenholtz: Koldingen, Koldingen 1970 [Typoskript]; Robert Lattemann: Koldingen. Chronik, Koldingen ³2015, bes. S. 45–53; Eckard Steigerwald: Pattensen. Zur Geschichte und Entwicklung der Dörfer. Bis Ende des 16. Jahrhunderts, Pattensen 1992, bes. S. 164–183.

Internet: Bildindex der Kunst & Architektur: Innenraum Kapelle; Denkmalatlas Niedersachsen: Kapelle.


Fußnoten

  1. Hennecke/Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien I, S. 206.
  2. Hoyer UB I, Heft IV, S. 4. Zur Datierung vgl. ebd., Heft IV, S. i ff. Für weitere Belege und zum Namen vgl. Ohainski/Udolph, Ortsnamen Hannover, S. 258 ff.
  3. Sudendorf, UB II, Nr. 450. Zur Burg siehe auch EBIDAT, Eintrag Koldingen.
  4. Sudendorf, UB IV, Nr. 236.
  5. Vgl. dazu Spieß, Calenberg, S. 142 ff.
  6. Digitalisat.
  7. Mahrenholtz, S. 44 f.
  8. LkAH, L 5d, unverz., Rethen, Visitation 1977.
  9. Kayser, Kirchenvisitationen, S. 324.
  10. LkAH D 13 Nr. 1114; Lattemann, S. 45. Kirchweihjubiläum, S. 41: 1666.
  11. Lattemann, S. 45 f.; Kirchweihjubiläum, S. 41.
  12. Lattemann, S. 54.
  13. Fraatz, Inspektion Pattensen, S. 17.
  14. LkAH, L 5a, Nr. 117 (Visitation 1939).
  15. KABl. 1953, S. 135; LkAH, L 5a, Nr. 316 (Visitation 1954).
  16. 1978: Lattemann, S. 46; 1981: Denkmalatlas Niedersachsen. Vgl. auch 450 Jahre Reformation, S. 108. 1960 waren Amtshaus und Kapelle im Besitz der politischen Gemeinde Koldingen, vgl. LkAH, L 5d, unverz., Rethen, Visitation 1960.
  17. 450 Jahre Reformation, S. 108.
  18. KABl. 1997, S. 10.
  19. Übersetzung nach Lattemann, S. 47: „Wie es die Frömmigkeit riet wurde durch den Aufwand und die Mühe des Johannes Kaufmann dieses Haus erbaut. Es soll geweiht sein, auf das es eine Schule des Glaubens und eine Stätte des Heils sei, die reine Lehre Gottes verkünde und lerne. Christus, der strahlende Glanz deiner Herrlichkeit möge deine Gemeinde lehren, die dich sowohl lernt als auch lehrt. So wird die Mühe Kaufmanns sich lohnen und dein Lob wird blühen, für den dieses Haus erbaut worden ist.“ Übersetzung nach Mahrenholtz, S. 38 f.: „Weil die Frömmigkeit Johann Kaufmann zu Arbeit und Streben antrieb, wurde das Haus erbaut, damit es eine Werkstatt des Heils sei und eine heilige Schule des Glaubens, die die reinen Lehren rühmen und lehren möge. Der Altar deines Namens, Christus, der dich Irrenden lehrt und unterrichtet, möge deine Gemeinde unterweisen, so gut die Arbeit Kaufmanns vor sich geht, und das Lob vermehren wird, dessen, dem dies Haus gebaut ist.“
  20. 1978: Lattemann, S. 46; 1981: Denkmalatlas Niedersachsen.
  21. Bild vor dem Umbau: Lattemann, S. 49; Denkmalatlas Niedersachsen.
  22. LkAH D 13 Nr. 1734.
  23. Lattemann, S. 46.
  24. Pape/Schloetmann, Hammer, S. 129.
  25. LKA, G 9 B, Koldingen Bd. I, Bl. 8 und Bl. 11 f.
  26. Lattemann, S. 46.